Das geplante Projektvorhaben am Hafenplatz ist umstritten: Der Eigentümer plant, die bestehenden Gebäude mit hunderten Wohnungen abzureißen, um Platz zu machen für Neubauwohnungen und Flächen für Gewerbe, Soziales und Kultur. Die Mieter*innen fürchten sich vor Verdrängung und steigenden Mieten. Darüber hinaus ist nach wie vor nicht geklärt, ob ein Komplettabriss und Neubau nachhaltiger sind als ein Teilabriss und Sanierung.

Um die Kontroverse um das Bauvorhaben besser zu verstehen, hier unser Überblick.

Was ist bisher geschehen?

Auf dem Gelände am Hafenplatz entstanden Anfang der 1970er Jahre neben Gewerbe und Studierendenapartments rund 220 Wohnungen. Ein Großteil dieser Wohnungen war mietpreisgebunden bis 2017 die Sozialbindung auslief. 2018 stellte die Art Projekt Entwicklungen GmbH gemeinsam mit der Gewobag erstmals ein Entwicklungskonzept für das Areal vor. Das sah den Abriss eines Gebäuderiegels an der Köthener Straße, Neubauten sowie die Sanierung der verbleibenden Gebäude vor. Mit einem Sozialplanverfahren sollte sichergestellt werden, dass alle Mieter*innen am Hafenplatz wohnen bleiben können. Für diese Pläne wurde 2020 ein Bauvorbescheid ausgestellt, mit dem ein Bauantrag möglich gewesen wäre. Der Bauantrag wurde aber nie gestellt.

2022 hat die Entwicklungsgesellschaft Quartier am Hafenplatz mbH, die aus der Art Projekt Entwicklungen GmbH, der hedera bauwert GmbH und der tti Group besteht, neue Pläne für den Hafenplatz vorgestellt. Gemeinsam mit der Gewobag soll ein ähnlicher Nutzungsmix verfolgt werden wie 2019 vorgeschlagen. Im Unterschied zu damals soll die Fläche aber dichter bebaut werden – also fast alle Bestandsgebäude abgerissen werden. Zu diesem Zeitpunkt stehen teilweise Wohnungen leer und es besteht hoher Instandsetzungsbedarf. Inzwischen wohnen in den Studierendenapartments ukrainische Geflüchtete.

Die neuen Pläne werfen einige Fragen auf: Werden durch das Vorhaben neue bezahlbare Wohnungen geschaffen oder nur noch mehr Menschen aus unserem Bezirk verdrängt? Sollten angesichts des Klimawandels nicht besser bestehende Gebäude saniert werden anstatt CO2-intensiv neu zu bauen? Wo sollen die Mieter*innen wohnen, wenn ihre Wohnungen abgerissen werden? Kann Berlin, vor allem in Hitzesommern, noch mehr versiegelte und bebaute Fläche verkraften? All diese Fragen werden seitdem intensiv diskutiert. Um zu klären, ob ein Komplettabriss und Neubau klimapolitisch vertretbar sind, wurden mehrere Gutachten erstellt.

Im Herbst 2023 führte die Entwicklungsgesellschaft einen Ideenwettbewerb für die Gestaltung des Areals durch. Die Ergebnisse inklusive der zwei Vorzugsvarianten wurden am 10.01.2024 der Öffentlichkeit präsentiert und am 25.01.2024 im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Friedrichshain-Kreuzberg diskutiert.

Die Mieter*innen am Hafenplatz selbst haben sich zusammengeschlossen und kämpfen für den Erhalt ihrer günstigen Wohnungen. Sie haben Angst, aus ihrem langjährigen Zuhause verdrängt zu werden – weil die Innenstadtlage für Immobilienspekulation attraktiv ist – was auch in der direkten Nachbarschaft am Potsdamer Platz zu sehen ist.

Wir als Fraktion unterstützen die Mieter*innen am Hafenplatz, die sich für den Erhalt ihres günstigen Wohnraums einsetzen. Für uns ist klar: Wir brauchen bezahlbaren Wohnraum, auch und besonders in unserem Bezirk in Innenstadtlage. Außerdem wollen wir die Kreuzberger Mischung erhalten. Das heißt: Auch Gewerbe, soziale und kulturelle Einrichtungen müssen in unseren Kiezen bezahlbare Flächen finden. Abriss sollte nur unter strengen Auflagen möglich sein und Neubau außerdem immer nur unter Einhaltung höchster Nachhaltigkeitsstandards erfolgen.

Deshalb fordern wir, dass zuerst ein eigentümer*innenunabhängiges Bausubstanzgutachten erstellt wird, mit dem wir besser beurteilen können, ob ein Komplettabriss der Gebäude wirklich notwendig und ökologisch sinnvoll ist. Dazu bringen wir einen Antrag (DS/1126/VI) in die nächste BVV ein, gemeinsam mit SPD und LINKE. In einem zweiten Antrag (DS/1136/VI), gemeinsam mit der SPD, schreiben wir die Rahmenbedingungen für das Bauvorhaben fest. Wir fordern unter anderem, dass die aktuellen Mieter*innen in einem Sozialplanverfahren abgesichert werden, dass studentisches Wohnen und Geflüchtetenwohnen erhalten bleiben, 50% der Wohnfläche in Hand der landeseigenen Gewobag kommen und die Anwohner*innen bei der Planung beteiligt werden.

Wie geht es weiter?

Beide Anträge werden am 24.04. in die BVV eingebracht. Im Anschluss wird es eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen geben. Bis Ende September soll dann das eigentümer*innenunabhängige Bausubstanzgutachten vorliegen. Erst dann können wir in der BVV entscheiden, ob ein sogenannter Aufstellungsbeschluss gefasst wird, d.h. beschlossen wird, ob für das Projekt ein Bebauungsplanverfahren startet.

Weitere Infos findet ihr auf der Website der Baustelle Gemeinwohl.