Das Bauhaus feiert Jubiläum: Mit der Ausstellung "Modell Bauhaus" im Martin Gropius Bau wird Berlin für drei Monate zum Zentrum der weltberühmten Design-Bewegung
Was für ein Zuspruch: Wenn man anderthalb Stunden unter den überbordenden Friesen der Außenwand des ehemaligen Kunstgewerbemuseums wartet, wird man im Foyer umso mehr mit klaren Kubaturen belohnt. Quadrat und Dreieck in Kleescher Farbzuordnung bieten Einlass in eine Ausstellung von bisher noch nie da gewesener Bandbreite. Die Bauhaus-Institute Weimar, Dessau und das Bauhaus-Archiv Berlin präsentieren rund 1000 Exponate in einem faszinierendem Spiel der Bandbreite der Bauhausschule: Ein Stuhl scheint direkt aus Afrika importiert zu sein und einen König einladen zu wollen, ein anderer direkt aus dem Möbelhaus an der Ecke scheint uns allen Platz geben zu wollen. Hochhäuser aus einem Blatt Papier, Blechscheiben, Reagenzglas und Sägeblatt auf einem Brett, und überall Kreise und Linien, die fallen, sich überschneiden oder durchbohren – Materie und Form bearbeitet, gefühlt, gebogen, gespürt überall. Klee, Feininger, Kandinsky, Schlemmer, Mies van der Rohe, Maholy-Nagy sind die Stars, die neben Marianne Brandt, Gunta Stölzl, Anni Albers, Alma Siedhoff-Buscher damals mit dem Anspruch angetreten sind, allen nicht weniger als ihre Selbstbestimmtheit zurückzugeben.
Weiß und Kasten ist nicht alles
Die Schlagwörter „less is more“ und „form follows funktion“ mögen präsent sein, umschreiben aber das Wesen Bauhaus aber nur ansatzweise – eben Weiß und Kasten. Aber was fasziniert am Bauhaus bis heute? Entwürfe wie der Freischwinger von Marcel Breuer oder die Lampenmechaniken von Marianne Brandt ab 1923 folgten einer einfachen Idee: Die Dinge sollten zweckdienlich und materialgerecht schön sein. Es sind nun Prototypen und ihre Formensprache ist Leitbild unserer ästehtischen Sehgewohnheiten geworden. War das alles? Mit nichten! Nach dem ersten Weltkrieg baute Walter Gropius eine Schule einer Verheißung folgend auf: „Kunst und Volk müssen eine Einheit bilden. Kunst soll nicht mehr der Genuss weniger, sondern Glück und Leben der Masse sein“. Das Ergebnis: Bauhaus! Es ging um nichts weniger, als den großen Entwurf einer neuen Gesellschaft. Der Mensch sollte zum Mittelpunkt der ihn umgebenden Dinge werden. Selbstbestimmtheit, ein Zauberwort, das bis heute seinen Reiz nicht verloren hat, war erklärtes Ziel. Alma Siedhoff-Buscher beschrieb es 1923 so: „Kinder brauchen einen Raum, in dem sie sein können was sie wollen, jedes Ding darin gehöre ihnen und ihre Fantasie gestalte es.“ Die richtige Frage war also gestellt: Wie können Architektur und Kunst dazu beitragen, den Menschen aus seinen Zwängen zu lösen? Aber auch schon damals hatte das Wesentliche in seiner Umsetzung nicht immer Konjunktur. So notierte Marianne Brandt 1931 für einen Lampenentwurf: „Den Leuten war Aluminium etwas fatales, wir haben die Schirme dann einfach farbgespritzt.“
Senat: Mehr Bauhaus – Nein Danke!
Wesentliches scheint auch heute der repräsentionsverliebten Elite Sorgen zu bereiten: Dem Wunsch des Regierenden Bürgermeisters und Kultursenators Klaus Wowereit, eine Kunsthalle am Humboldthafen errichten zu wollen, muss Vieles weichen. Die Opfer: Das Bauhaus-Archiv und der ehemalige Blumengroßmarkt an der Friedrichstrasse. Ein Erweiterungsbau am Landwehrkanal und die Einrichtung einer Kunsthalle im Süden Kreuzbergs passen halt nicht in die Pläne einer 30 Millionen Euro Kunsthalle. Das Bauhaus-Archiv mit der weltgrößten Sammlung zum Bauhaus wollte das größtes Exponat, sein Gebäude, erweitern. Annemarie Jaeggi, die Direktorin des Bauhaus-Archivs, umschrieb das Ziel hoffnungsvoll: „Dieser Ort wird frei nach der Vision von Walter Gropius wieder zum Laboratorium für Architektur und Design.“ Die Möglichkeit, mehr als 35% des Bestandes in einer ständigen Ausstellung zu präsentieren und die Ausweitung des Bildungs- und Veranstaltungsprogramms hätten Berlin zum kulturellen Zentrum einer Bewegung machen können.
Grüne: Mehr Bauhaus und Kunsthalle – Ja Bitte!
Statt des kostenträchtigen Neubaus für 30 Millionen Euro am Humboldthafen favorisieren wir den Umbau des Blumengroßmarktes in der Friedrichstraße zu einer neuen Kunsthalle. Die Aktion „Kunstinvasion” hat gezeigt, dass der Standort sehr gut angenommen wird. Eine Mitnutzung durch das Jüdische Museum hat das Potential, einen neuen Kulturstandort in der Stadt zu kreieren. Ebenso wie die Erweiterung des Bauhaus-Archivs am Landwehrkanal. Die Finanzierung beider Projekte mit den vorhandenen Mitteln ist durchaus realistisch. Aber vielleicht hat Adorno doch recht, wenn er dem Bauhaus-Ideal der Suche nach dem Wesentlichen äußerst skeptisch entgegenstehend, feststellt: „Die Menschen haben ein Recht auf die Erfüllung ihrer sei´ s auch falschen Bedürfnisse.“
Oliver Münchhoff
Mehr zum Wesentlichen: www.bauhaus.de; www.kunstinvasion.de |