Mündliche Anfrage
Initiator*in: B’90/Die Grünen, Schmidt-Stanojevic, Jutta
Ich frage das Bezirksamt:
1. Wie viele Beschäftige aus Werkstätten für Menschen mit Behinderungen konnten in
den letzten Jahren in Friedrichshain-Kreuzberg in den ersten Arbeitsmarkt integriert
werden?
2. Welche Maßnahmen wird das Bezirksamt in den nächsten Jahren ergreifen, um mehr
Menschen mit Behinderungen aus den Werkstätten einen Arbeitsplatz auf dem ersten
Arbeitsmarkt anzubieten?
3. Wie bewertet das Bezirksamt die Chancen von Menschen mit Behinderungen in den
ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden?
zu Frage 1:
Eine quantifizierbare und/oder qualifizierbare Beantwortung dieser Frage ist leider auch weder durch das Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg noch durch den zuständigen Rehabilitationsträger, die Agentur für Arbeit Berlin Mitte, möglich.
Durch Inkrafttreten des Angehörigen-Entlastungsgesetzes zum 01.01.2020 sind Personen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) Leistungen nach § 57 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich erhalten, nicht mehr nach dem § 8 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) leistungsberechtigt.
Die betreffenden Personen sind nun mehr leistungsberechtigt nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII), weil sie als voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 Satz 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Satz 1 Nr. 2a Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gelten. Gleiches gilt für den Arbeitsbereich der WfbM § 58 SGB Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX).
Nach der Identifizierung betroffener Personengruppen im Jobcenter Berlin Friedrichshain-Kreuzberg erfolgt die Abgabe der Person aus dem Jobcenter an die Arbeitsvermittlung des für die Person zuständigen Rehabilitationsträgers. Im Regelfall ist dies die Agentur für Arbeit Berlin Mitte. Mit der erfolgreichen Abgabe der Person endet an dieser Stelle die Betreuung und Begleitung durch das Jobcenter.
Menschen mit Behinderungen, die sich gemäß § 57 SGB IX im Eingangsverfahren (die ersten 3 Monate) befinden oder den Berufsbildungsbereich (anschließend bis zu 24 Monate) eine Werkstatt für Menschen mit Behinderung durchlaufen, werden ausschließlich in der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit Berlin Mitte betreut. Die Finanzierung der Werkstattmaßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich obliegt ausschließlich dem Rehabilitationsträger Agentur für Arbeit Berlin Mitte. Für den Fall, dass eine Person im Anschluss an das Eingangsverfahren und des Berufsbildungsbereichs in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen wechselt, endet die Zuständigkeit der Agentur für Arbeit Berlin Mitte. Die erfolgreiche Integration des Menschen in den Arbeitsbereich beendet das berufliche Rehabilitationsverfahren. Die
Agentur für Arbeit verweist die Person im Anschluss an die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII.
Das Bezirksamt ist im Anschluss der weitere Kostenträger und für die Begleitung der Menschen in den Werkstätten (Arbeitsbereich) verantwortlich.
Nach Einmündung einer Person in den Arbeitsbereich einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen wird diese nicht weiter durch das Jobcenter oder die Agentur für Arbeit begleitet. Aus dem Grund ist auch keine statistische Auswertung über IT-Fachverfahren möglich.
Im Amt für Soziales wird keine Statistik über die in den ersten Arbeitsmarkt integrierten Werkstattbeschäftigten geführt. Jedoch gibt es gefühlt so gut wie keine Vermittlungen von Werkstattbeschäftigten in den ersten Arbeitsmarkt. Die Zahl sollte sich bei den Leistungsberechtigten des Amtes für Soziales prozentual im unteren einstelligen Bereich bewegen.
zu Frage 2:
Es ist in erster Linie Aufgabe der Werkstätten, den Beschäftigten zu ermöglichen, ihre Leistungsoder Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu entwickeln, zu erhöhen oder wiederzugewinnen. Sie fördern den Übergang geeigneter Personen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt durch geeignete Maßnahmen (vgl. § 219 Absatz 1 SGB IX). Als Kostenträger der Maßnahmen kann der Teilhabefachdienst bei der Bedarfsermittlung und der Ziel- und Leistungsplanung diesen Prozess unterstützen oder ggf. auch bei geeigneten Personen darauf hinwirken. Hier besteht die Chance, dass durch die neu hinzugekommene umfänglichere Bedarfsermittlung die Geeignetheit der Leistungsberechtigten noch besser festgestellt werden kann.
zu Frage 3:
Die Öffnung der Teilhabe am Arbeitsleben auch für „andere Leistungsanbieter“ (§ 60 SGB IX) kann eine Verbesserung der Übergange auf den ersten Arbeitsmarkt mit sich bringen, da diese etwas flexibler als die Werkstätten agieren könnten.
Darüber hinaus soll mit Schaffung des Budgets für Arbeit (§ 61 SGB IX) genau für den Personenkreis, der „an der Schwelle zum ersten Arbeitsmarkt“ steht, die Möglichkeiten verbessert werden.
Dieses Instrument ist seit seiner Einführung 2018 noch nicht ausreichend im Bewusstsein der potentiellen Arbeitgeber präsent. Entsprechende Werbemaßnahmen der SenIAS sowie Beratungen diesbezüglich in den Werkstätten, in den EUTBS und beim Träger der Eingliederungshilfe sollen die Annahme noch verbessern.
Mit den letzten Änderungen zum SGB IX wurde dann doch noch das Budget für Ausbildung (§ 61a SGB IX) in das Gesetz mit aufgenommen. So können Menschen, die anspruchsberechtigt für eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen sind, eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Ausbildung bekommen. Die Chancen von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt integriert zu werden, sind nach Einschätzung der bezirklichen Eingliederungshilfe im Amt für Soziales deutlich gestiegen. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die neuen Instrumente auch mit Leben erfüllt werden.
Gerade bei den Anspruchsvoraussetzungen zum Budget für Arbeit wird erst die weitere Rechtsprechung zeigen, wie weit das gefasst werden soll und welcher Personenkreis Anspruch auf die Leistung haben soll. Die Chancen von Menschen mit Behinderungen für eine Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt werden auch vom Jobcenter als sehr gut eingeschätzt. Dies ist insbesondere auf die hohe Arbeitskräftenachfrage des Berliner Arbeitsmarktes zurückzuführen. Grundsätzlich wird das Vorliegen einer Behinderung nicht als vorrangiges Vermittlungshemmnis angesehen. Diese Aussage wird auch regelmäßig durch Arbeitgeber in Gesprächen mit dem Jobcenter getätigt. Wichtig für eine erfolgreiche Integration eines behinderten Menschen ist, dass dieser für die zu besetzende Stelle richtig qualifiziert und ausreichend belastbar ist. Zudem sind die Motivation und Mobilität des
behinderten Menschen wichtige Faktoren. Letztendlich lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten, da behinderte Menschen ganz individuelle Unterstützungsbedarfe haben. Konkrete Aussagen zur Integrationschance sind nur bei der Betrachtung des Einzelfalls möglich.
Mit freundlichen Grüßen
Knut Mildner-Spindler
Friedrichshain-Kreuzberg, den 26.02.2020
Bündnis 90/Die Grünen
Fragestellerin: Schmidt-Stanojevic, Jutta