DS/1040/IV

DS/1040/IV Mündliche Anfrage

Ich frage das Bezirksamt:

1. Weshalb wird die Bona-Peiser-Bibliothek in der Oranienstraße aufgelöst, ihr Personal auf die anderen Friedrichshain-Kreuzberger Bibliotheken verteilt und ihr Bestand in die Mittelpunkt-Bibliothek in der Adalbertstraße verlagert, obwohl auch die Bona-Peiser-Bibliothek schwarze Zahlen schreibt?

2. Welche Möglichkeiten, Wege und Alternativen hat das Bezirksamt geprüft, um den Standort Oranienstraße beizubehalten?

3. Welche Anstrengungen hat das Bezirksamt unternommen, den durch die Berliner Regierungskoalition verabschiedeten massiven Personalabbau in den Bezirken von Friedrichshain-Kreuzberg und dort speziell vom bezirklichen Amt für Weiterbildung und Kultur abzuwenden?

Nachfrage:

1. Wie sind die Bürgerinnen und Bürger vor Ort über die Auflösung der Bona-Peiser-Bibliothek informiert worden?

Beantwortung Herr Frau Borkamp

Ich würde gerne mit einem Zitat beginnen, bevor ich Ihre Fragen im Detail beantworte: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen“. Dieser Satz wird Marie Antoinette zugeschrieben und mit diesem Satz lässt sich die Senatspolitik auf den Punkt bringen. Das Brot, wie Sie sich denken können, sind unsere kieznahen Bibliotheken, der Kuchen – eine Zentral- und Landesbibliothek, die noch nicht gebaut ist. Aber die Frage ist natürlich, wer kriegt das Mehl.

zu Frage 1:
Dies geschieht, weil der Bezirk nach Vorgabe des Senates 138 Vollzeit-äquivalente (VzÄ) einsparen muss, von denen mehr als fünf auf die Bibliotheken entfallen. In einer fachlich orientierten Politik müsste die Stadtbibliothek mit 62,17 Mitarbeitern ausgestattet sein. Das entspricht einer Personalberechnung nach Berliner Standard 25.000 Entleihungen und 10.000 Besuche je Mitarbeiter. Dem steht eine Ausstattung ab November 2014 gegenüber, die 51,25 VzÄ beträgt plus ein Mitarbeiter in der Freizeitphase, sprich… der Mensch ist nicht da, wird aber bezahlt.

Damit und derzeit zusätzlich drei Langzeiterkrankten, also länger als 12 Monate kranken Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, liegt schon jetzt eine personelle Unterausstattung vor. Durch die VzÄ-Einsparung im Fachbereich Bibliotheken wird die Betriebsfähigkeit der Bibliotheken des Bezirks zusehend eingeschränkt. Die Qualität und die Quantität der Angebote kann nicht aufrechterhalten werden. Bereits jetzt ist die Sicherstellung des Produktangebotes, Vermittlung von Medien und Informationskompetenz und Leseförderung stark betroffen, denn dafür brauchen wir Menschen, nicht nur offene Häuser, und die für das Produkt Beratung und Vermittlung von Sachinformationen
können ebenfalls nicht mehr im geforderten Umfang geleistet werden.

Wir arbeiten z.B. mit sogenannten „walking librarians“. Eine Bündelung aller verbleibenden Personal- und Etatressourcen ist dringend notwendig, um den Bibliotheksbetrieb sicher zu stellen. Die KLR und die schwarzen Zahlen aller Bibliotheken im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wenn Sie sich die Ergebnisse von November 2013 anschauen, werden Sie sehen, dass die Bibliotheken in Summe fast 1 Mio. KLRGewinne
gemacht haben und damit Spitzenreiter sind, spielen für den Senat bei seiner Entscheidung, dass die Bezirke Personal abbauen, keine Rolle. Wir warten immer noch auf ein fundiertes, landesweites Personalkonzept, was aufgabenkritisch,  angebotsnachfrageorientiert und auch entsprechend der Gesetzeslage das Personal berücksichtigt.

zu Frage 2:
Wir haben geschaut, ob wir diesen Standort als ein Azubiprojekt weiter betreiben können.
Diese Überlegung wurde etwa ein halbes Jahr lang geprüft, unter anderem mit der bezirklichen Ausbildungsleitung, scheiterte aber daran, dass die notwendige Anzahl der Ausbilder fehlt, denn auch dafür braucht man Personal. Ebenso kann jetzt schon die Ausbildungsqualität für noch mehr Auszubildende unter den derzeit gegebenen personellen Voraussetzungen im Fachbereich nicht sichergestellt werden.

zu Frage 3:
Das Bezirksamt hat sich gemeinsam mit der Beschäftigtenvertretung und dem Personal
gegen die Entscheidung des Abgeordnetenhauses gestellt und sich geweigert, das Bezirkspersonal ohne Aufgabenbetrachtung auf 20.000 festzusetzen. Diese Protestveranstaltung, auch ausgehend von einem Vorschlag der Piraten, hat leider keine weiteren Effekte erzielt. Auch die die Presseresonanz war sehr gering. Der ehemalige Bürgermeister, Dr. Franz Schulz, hat in allen Gremien, in denen er beteiligt war, gegen diese Entscheidung gestimmt, aber… im Endeffekt ist es eine Entscheidung des Abgeordnetenhauses gewesen.

Diverse Aufrufe an das Abgeordnetenhaus, an Fachpolitiker und den Senat erfolgten direkt und über die Presse – leider erfolglos. Es gibt keine Ausnahmen aus dem Personalabbaukonzept, es gibt keine geschützten Bereiche und die Zielzahl ist nicht verhandelbar für Senator Nußbaum. Vielleicht kleiner Schwank: Treptow-Köpenick
hat sich geweigert, ein Konzept vorzulegen und musste nochmal 100.000 Euro draufzahlen.
So viel, was passiert, wenn man nicht mitspielt.

zur Nachfrage:
Es gab bereits Informationen an die Presse, nach Vorlage des Personalabbauentwurfs
durch das Bezirksamt im Sommer 2012, wie gesagt, die Resonanz war gering. Wir haben
diese dicke Schwarte von über 100 Seiten mehrfach versucht zu platzieren. Aufgrund der fehlenden Aktualität damals war das Medien- und Bürgerecho nicht vorhanden. Zeitgleich lag allen BVVVerordneten das Konzept zum Personalabbau vor, dass die Schließung der Bona-Peiser-Bibliothek angekündigt hat. Der KuBi-Ausschuss hat damals der Vorlage zugestimmt. Im Rahmen der Information des KuBi-Ausschusses im Dezember 2012 gab es zudem eine Pressemitteilung in der Berliner Woche vom 16.12.2013.

Im Anschluss an einen Beschluss der BVV, ohne den eine konkrete Zeitplanung auch gar nicht möglich ist, sollen die umliegenden Bürgerinnen und Bürger informiert werden. Im Vorhinein ohne ein konkretes Datum haben wir das für falsch gehalten, zumal
es unter den gegebenen Umständen keine Alternativmöglichkeiten gibt, die man per Bürgerbeteiligung verhandeln kann.

Des Weiteren ist anzumerken, dass die Bibliothekarinnnen und Bibliothekare des Fachbereichs ja nicht die erste Bibliotheksschließung erleben müssen. Gerade in Friedrichshain wurden schon viele Bibliotheken geschlossen und die Erfahrung war, dass ab dem Zeitpunkt, wo der Termin in der Öffentlichkeit war, dieses Haus verbrannt war, das kaum noch Nutzerinnen und Nutzer kamen und dass es deswegen auch eine Frage ist, wie man damit umgeht, um eine sukzessive auch Umsetzung der Schulprojekte, der Mitglieder, die an „Wortstark“ usw. teilnehmen, zu erzielen.

Frau Zinn:
Entsprechend der eingereichten Anfrage… ich frage das Bezirksamt. Welche Pläne hat das Bezirksamt, um die Grundversorgung mit Leihbüchern, trotz erhöhter Fernleihkosten, durch die Verlagerung von Beständen nach Friedrichshain und trotz erhöhter Fahrtkosten durch die gestiegene durchschnittliche Entfernung zur nächsten Bibliothek, gerade für einkommensschwächere Bevölkerungsschichten, sicher zu stellen?

Frau Borkamp
Kleine Korrektur – vielleicht war das in der Vorlage etwas missverständlich ausgedrückt. Der Buchbestand wird in die Adalbertstraße und in die Schulbibliothek Karl-von-Ossietzky-Schule, an die sich langsam eine Grundschule anschließt, die noch nicht komplett aufgefüllt ist, verlagert. Sprich… die Bücher bleiben im unmittelbaren Umfeld. Die Mitarbeiterschaft verlagert sich auf alle Bibliotheken, um dort die fehlenden Kapazitäten abzudecken. Sprich, das komplette Krimikabinett landet in der Mittelpunkt-Bibliothek und der Kinderbuchbestand in der Karl-von-Ossietzky-Schule.

An den Fernleihkosten können wir nichts ändern als Bezirk. Es gibt den zentralen VÖBB, der legt die Regeln fest, der legt die Kosten fest, das ist eine Standardsache. Wenn man sich allerdings die Statistiken anguckt, wie die Nutzung der Adalbertstraße, also der Bezirk Zentral-Bibliothek, der Oranienstraße, also der Bona-Peiser-Bibliothek und generell im Stadtteil ist, lässt sich feststellen, dass aus dem Bereich mit der Postleitzahl 10969, also dem von der Bona-Peiser-Bibliothek, mehr Menschen in die Mittelpunkt-Bibliothek in der Adalbertstraße gehen zur Nutzung als in die Oranienstraße.
Ebenfalls nochmal so viele sind auch im Rest des Stadtteils aktiv. Also… ist es nicht
so, dass der Bereich komplett abgeschlossen ist.

Herr Jösting-Schüßler
Frau Stadträtin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie haben ja in Ihrer Antwort zu Recht dargestellt, dass also die Bürgerinnen und Bürger vorab nicht durch das Bezirksamt informiert worden sind, sondern dankenswerter Weise durch die Presse. Meine Frage ist jetzt, Sie wissen ja, dass also es einen BürgerInnen-Protest gibt, haben Sie dort schon Gespräche geführt mit den Bürgerinnen und Bürgern und gibt es Ergebnisse dieser Gespräche?

Frau Borkamp
Sehr geehrter Herr Schüssler, selbstverständlich habe ich mit der Bürgerinitiative gesprochen. Ich glaube, das gehört zum guten Ton, dass man das macht. Es gibt natürlich keine Ergebnisse, die Bürgerinitiative stellt ihren Antrag. Ich habe ihnen die Sachlage erläutert. Die Bürgerinitiative sammelt gerade Unterschriften, hat uns ihre Strukturen erläutert, ist auch mit einzelnen Abgeordneten intensiv im Kontakt… Wir haben nochmal deutlich gemacht, dass ein zentraler Aspekt zum Erhalt dieser Bibliothek ist, dass der Senat sein VzÄ-Abbaukonzept überdenkt und dass unter anderen Umständen nur eine Verteilung zwischen den einzelnen Ämtern im Bezirk möglich ist.

Ich glaube, diese Debatte wollen Sie nicht führen… (Zwischenrufe). Ich führe die gerne… Weil aus dem Fachbereich Kultur ansonsten keine Stellen mehr zur Verfügung stehen, so. Von daher bin ich Kontakt mit der Bürgerinitiative, ich verfolge, was sie machen, mit Interesse. Ich fände es gut, wenn sie ein Zeichen an den Senat senden, dass hier Handlungsbedarf besteht. Wie gesagt, wir sind für kieznahe Bibliotheken, wir sind für das Brot, was jeder essen kann, wir wollen keinen teuren Kuchen auf dem Tempelhofer Feld, der nicht offen ist, und dafür kämpfen wir, aber… wir diktieren nicht die
Rahmenbedingungen und meine Partei ist leider auch nicht in der Regierung im Abgeordnetenhaus, von daher sind die Wege dort etwas kürzer und eben etwas schneller…

Friedrichshain-Kreuzberg, den 29.01.2014
Bündnis 90/Die Grünen
Fragestellerin: Kristine Jaath

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