Laut Senat hat es in Spandau im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2007 insgesamt 64 Fälle von "politisch motivierter Kriminalität rechts" gegeben, 40 rechtsextremistische Personen leben im Bezirk und drei Lokale sind als regelmäßige Treffpunkte von Rechtsextremisten in Spandau bekannt.
Rechtsextremismus ist keineswegs ein Phänomen das sich auf Ost oder West, noch auf jung oder alt, geschweige denn auf NPD-Mitgliedschaft/WählerIn oder nicht einschränken lässt. Rechtsextremes Gedankengut hat nicht erst seit gestern die Mitte unserer Gesellschaft erreicht. Mit neuen Musikstilen und moderner Kleidung kann man Nazis oft nicht auf den ersten Blick identifizieren. Sie verabschieden sich von ausgedienten Parolen, propagieren den Anti-Kapitalismus und fördern die moderne Frau, die in pädagogischen Berufen ihren Beitrag zu einer braunen Gesellschaft leisten soll.
Laut Senat hat es in Spandau im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. September 2007 insgesamt 64 Fälle von „politisch motivierter Kriminalität rechts“ gegeben, 40 rechtsextremistische Personen leben im Bezirk und drei Lokale sind als regelmäßige Treffpunkte von Rechtsextremisten in Spandau bekannt. Nachfolgend sind einige rechtsextreme Vorfälle des letzten Jahres aus der Chronik der Opferberatungsstelle ReachOut zu finden. Am 20. Oktober 2007 werden gegen 1 Uhr in der Seegefelder Straße ein 34-jähriger, dunkelhäutiger US-Amerikaner und seine Freundin von vier Männern zwischen 16 und 19 Jahren attackiert. Als die Beiden versuchen zu fliehen, werfen die Täter mit einer Flasche, die das Paar aber verfehlt. Anschließend wird der 34-Jährige von einem 17-Jährigen mit „Nigger“ beleidigt, zu Boden geschlagen und die Täter treten auf ihn ein, wodurch er leichte Verletzungen erleidet. Die Polizei kann die Täter festnehmen. Am 12. Dezember 2007 werden kurz vor 7 Uhr in Spandau zwei Männer im Alter von 36 und 55 Jahren in einem Bus der Linie 236, der in Richtung U-Bahnhof Haselhorst fährt, von zwei 20- und 21-jährigen Männern antisemitisch und rassistisch beleidigt. Der 20-Jährige bespuckt und stößt den 55-jährigen Mann. Beide Angreifer heben ihre rechten Arme und rufen rechtsradikale Parolen. Am U-Bahnhof Haselhorst flüchten die Täter, werden aber noch auf dem Bahnsteig von der Polizei festgenommen. Am 5. Januar 2008 wird um 3 Uhr 50 in der Pichelsdorfer Straße ein Zeitungsbote von einem Mann rassistisch beleidigt und geschlagen. Der 36-Jährige erleidet leichte Prellungen. Der Täter kann unerkannt entkommen. Nachdem sich ein 37-jähriger Mann am 16.Juni 2008 gegen 16 Uhr 40 in einem Bus durch das Gebrabbel des Kindes eines Deutsch-Afghanen gestört fühlt, beleidigt er den 56-Jährigen Vater rassistisch und schlägt ihn ins Gesicht. Fahrgäste, die eingreifen, werden auch beleidigt. Die Polizei nimmt den Mann fest.
Immer wieder tauchen auch in Spandau rechtsextreme und fremdenfeindliche Plakate auf, zum Beispiel an der Liegewiese am Kiesteich im Spektezug. Dieser Platz ist im Sommer auch bei Aussiedlern und türkischen Familien beliebt. Der Text auf den Plakaten lautet hier: „Wir fordern deutsche Sauberkeit” und ist somit ein deutlicher Affront gegen migrantische Mitbürger im Kiez. Auch in der „Jugendarbeit“ versuchen Rechte sich in Spandau zu profilieren und junge Menschen an zu werben. Sie verteilen ihre Zeitungen an Schulhöfen oder bieten an Badeseen Freibier an, um mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Die Schülerzeitung „Platzverweis“ ist ein Beispiel einer direkten Reaktion auf die von der NPD im Oktober verteilte und mittlerweile verbotenen Zeitung „Der Stachel“. Der „Platzverweis“ wird nicht nur ein Spandau, sondern berlinweit verteilt und von den linken Parteijugendorganisationen und anitfaschistischen Gruppen mitgestaltet. Sie alle wollen für eine antifaschistische Kultur in Spandau kämpfen. Wichtig ist, dass rechtsextreme Vorfälle nicht tabuisiert werden. Ob in der Schule, in der Jugendarbeit oder beim Einkauf müssen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus thematisiert werden, damit niemand unbewusst rechtsextremer Kleidung oder Parolen anhängt und sich Opfergruppen einer toleranten und menschenfreundlichen Gesellschaft sicher sein können. Das Engagement jedes Einzelnen ist für eine demokratische und menschliche Kultur vor Ort unabdingbar. Daher gilt es Gesicht zu zeigen und sich einzumischen, sei es wenn Nazis Mitmenschen bedrohen oder wenn sie mit stupiden Mitteln, wie Freibier verteilen versuchen, Menschen für sich zu vereinnahmen.
Der „Platzverweis“ ist nur ein Beispiel von vielen, wie erfolgreich sich zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus auswirken kann. Am 14. Oktober hat das Landgericht Berlin, der Räumungsklage des Vermieters des „Thor Steinar“-Ladens in der Rosa-Luxemburg-Straße in Berlin-Mitte stattgegeben. Die Thematisierung in der Öffentlichkeit und das Einreichen der Räumungsklage durch den Vermieter sind ein Erfolg der Initiative „Mitte gegen Rechts“ die sich aus Anwohnern und Gewerbetreibenden gebildet hatte und mit breiter parlamentarischer Unterstützung gegen den Laden im Scheunenviertel gekämpft hat. Solch Engagement zeigt, dass die Zivilgesellschaft im Kampf gegen die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts erfolgreich ist.
In Spandau und auch sonst nirgendwo darf die Zivilgesellschaft dem Rechtsextremismus Platz einräumen. Daher gilt es mit demokratischen Kräften gemeinsam für einen offenen und toleranten Bezirk zu kämpfen. Mischen sie mit!
von Clara Herrmann, MdA Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus und Sofia Sandmann