DS/1289-02/IV Dringlichkeitsantrag

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Das Bezirksamt wird ersucht:

1. Die Bauleitplanung Freudenberg-Areal soll in einer Größenordnung wie 2009 im Wettbewerb ermittelt und 2010 vom Bezirk beschlossen, fortgeführt werden. Es soll eine Obergrenze für die Baumasse von maximal 42.000 m² gelten.

2. Dem Wunsch der Bauwert Investment Group nach einer wesentlich höheren Baumasse soll eine Absage erteilt werden.

3. Die Planung soll in einem offenen bürgerbeteiligten Prozess fortgesetzt werden, so dass die Forderungen nach dringend benötigten öffentlichen Grünflächen, sozialer Infrastruktur sowie preiswerten Wohnraum in das Planungsverfahren einfließen können.

Begründung:

Im Juli 2014 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Genehmigung zur umstrittenen Bebauung des Friedrichshainer Freudenberg-Areals erteilt. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hatte den Bauantrag des Investors zuvor abgelehnt, weil es der Ansicht war, dass dort Baurecht, das den Plänen des Investors entspricht, nur durch einen Bebauungsplan geschaffen werden könne und keines nach § 34 BauGB bestehe.

Daraufhin legte der Investor bei der Senatsverwaltung erfolgreich Widerspruch ein. Seitdem gibt es Baurecht für das Vorhaben. Über die zukünftige Bebauung des Freudenberg-Areals ist in den Gremien der BVV kontrovers und lange debattiert worden. Zusätzlich gab es vor Ort öffentliche Veranstaltungen, an denen auch Bezirksvertreter*innen und der Eigentümer des Grundstücks teilnahmen.

Für die Fraktionen Bündnis90/Die Grünen und SPD war das Ziel dieser Debatten die Aufstellung eines Bebauungsplans und der Abschluss eines städtebaulichen Vertrages. In diesem sollte rechtssicher Folgendes vereinbart werden: Der Entwickler des Areals
– bietet einen gewichtigen Anteil von bezahlbaren Wohnungen an, die für 5,50 EUR/qm nettokalt vermietet werden,
– baut eine Kita mit circa 100 Plätzen,
– schafft eine große Grünfläche und übergibt diese der öffentlichen Hand, so dass die neue Freifläche im Friedrichshainer Südkiez dauerhaft für die Öffentlichkeit gesichert ist.

Außerdem sollte in diesem geordneten Verfahren die Beteiligung der Bürger*innen an den Verhandlungen über die Inhalte des Bebauungsplans und des städtebaulichen Vertrags weiterhin ermöglicht werden. 2014 wurde in der BVV insbesondere über die Situation der ausgelasteten Friedrichshainer Schulen, die Größe der Grünfläche, die auf dem Freudenberg-Areal entstehen sollte, sowie die Anzahl bezahlbarer Wohnungen debattiert. Außerdem herrschte Uneinigkeit zwischen Bezirksamt, BVV und den Initiator*innen des Bürger*innenbegehrens darüber, was davon man in welcher Größenordnung rechtssicher vom Bauherrn verlangen kann, ohne alle erreichten Kompromisse zu gefährden.

Währenddessen verhandelte der Grundstückseigentümer mit einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft über eine Kooperation. Den Kern dieser Vereinbarung bildet der letzte städtebauliche Entwurf. Vereinbart wurde, dass der HOWOGE 122 Wohnungen übergeben werden. 90 Wohnungen davon werden im Schnitt für 6,50 €/m² zur Vermietung angeboten. Ferner soll ein begrünter Stadtplatz in der vorgestellten Kubatur entstehen und gesichert werden. Auch die öffentliche Begehbarkeit der entstehenden Straßen und Plätze wird durch den Vertrag abgesichert. Ferner erhält die HOWOGE ein Vorkaufsrecht für alle Wohnungen für den Fall des Weiterverkaufs.

Bürger*innenbegehren und -entscheide richten sich an die bezirklichen Gremien. Diese verantworten in der Regel auch die Bauleitplanung, also die Aufstellung von Bebauungsplänen. Durch den bestehenden Vorbescheid des Eigentümers gibt es aber auf dem Freudenberg-Areal bereits gültiges Baurecht für sein Vorhaben, auch ohne einen Bebauungsplan.

Deshalb hat das Bürger*innenbegehren auf Bezirksebene zur Bauleitplanung auf dem Freudenberg-Areal lediglich einen rein symbolischen Charakter, faktische Auswirkungen wird es aufgrund der inzwischen geschaffenen Rechtslage nicht mehr haben können. Das Baurecht für das geplante Projekt auf dem Freudenberg-Areal kann auch durch einen neuen Bebauungsplan auf Bezirksebene nicht zurückgenommen werden.

Haben demokratische Abstimmungen und Beschlüsse de facto keinerlei Auswirkungen, beschädigt dies die Demokratie und vertieft die Politikverdrossenheit. Wir halten es für falsch zu suggerieren, es gäbe etwas zu entscheiden, wenn alle Würfel bereits gefallen sind und rechtskräftige Entscheidungen vorliegen.

Ein erfolgreicher Bürger*innenentscheid hätte denselben Status wie ein Beschluss der BVV. Somit ist die rechtliche Situation des vorliegenden Antrags mit der eines erfolgreichen Bürger*innenentscheids „Das Freudenberg-Areal retten!“ identisch.
Deshalb macht die BVV auf diesem Weg den Weg frei, für eine Stellungnahme des Bezirksamtes zur Rechtslage und zu den verbliebenen Einflussmöglichkeiten im Sinne der Forderungen des Bürger*innenbegehrens. Mit einem positiven BVV-Beschluss zum Begehren wird schneller und mit derselben Rechtswirkung Klarheit über die verbliebenen Einflussmöglichkeiten geschaffen, als durch dessen Ablehnung. Eine Abstimmung über ein Bauvorhaben, wenn bereits die Bagger rollen, wäre allerdings absurd und könnte somit den Instrumenten der direkten Demokratie schaden.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 24.03.2015
Bündnis 90/Die Grünen, SPD

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