Was hat der Bürgerentscheid gebracht? Aus der Arbeit des Spree-Sonderausschusses
„Mediaspree versenken!“ bzw. „Spreeufer für alle!“ ist längst zum Thema wissenschaftlicher Seminare und Abschlussarbeiten geworden, einzelne Protagonisten finden sich im Programm internationaler Tagungen und Exkursionen von Architekten, Stadtsoziologen und Städteplanern wieder, die Zahl der Artikel und Publikationen steigt, und doch ist der Prozess noch nicht zum Abschluss gekommen. Was ist also der Stand, wie kann eine Zwischenbilanz aus grüner Sicht aussehen?
Was steht?
Werfen wir zunächst einmal einen Blick auf die realen Veränderungen, die sich ergeben haben, seit Anfang September 2007 das Bürgerbegehren seinen Anfang hatte und dem letztlich der erfolgreiche Bürgerentscheid am 13.7.2008 folgte. Wir erinnern uns: keine Neubauten näher als 50 Meter ans Ufer, keine Hochhäuser und keine Straßenbrücke über die Spree waren die Forderungen.
Mittlerweile im Betrieb und fest im Berliner Veranstaltungskalender etabliert ist die O2-Arena. Hier geht es um konkrete Fragen der Verkehrslenkung und -optimierung, um Staus, Lärm und Luftverschmutzung zu reduzieren. Rund um die scherzhaft auch schon einmal Wasserstoff-Arena genannte Halle befinden sich unschöne Parkplätze, eine Bebauung oder gar Hochhäuser sind jedoch nicht in Sicht, auch wenn das planungsrechtlich nicht verhindert werden konnte. Für das sicherlich meist gehasste Objekt, die O2Werbetafel direkt an der Spree, wird über mit der Anschutz-Entertainment-Group über reduzierte Betriebszeiten verhandelt. Weg bekommt man diesen Störfall wohl nicht.
Gebaut und erfolgreich in Betrieb ist die sog. Fernsehwerft im ehem. Osthafen. Neben dem Getreidespeicher entsteht zur Zeit das Nippon-Hotel, architektonisch abzuwarten, eine Uferpromenade freilassend, sehr städtisch und keine 50 Meter, aber öffentlich. Im Bau und schon auf Entwurfszeichnungen als ausgenommen scheußlich zu erkennen ist das sog. Labels II mit Showrooms für die Modebranche. Hier war leider nicht einmal mehr möglich, das Gebäude um zusätzliche 10 Meter vom Ufer abzurücken, weil schon Bauaufträge vergeben waren.
Fast fertig und vor der Einweihung steht der East-Side-Park auf der Sonnenseite der Spree, den Investoren in Form von Ausgleichszahlungen mühsam abgerungen, grüne Bezirkspolitik ohne Senatsunterstützung. Die wird im übrigen verwehrt bei der Finanzierung des beschlossenen Brommystegs aus Mitteln des Stadtumbaus, obwohl hier ein bisschen Konjunkturprogramm echte Verbesserungen brächte. Saniert wird die East-Side-Gallery, 20 Jahre, nachdem die Mauer fiel, nur nicht überall…
Kompromiss für das Maria-Grundstück
Auf Kreuzberger Seite entsteht gerade die Anlegestelle am Gröbenufer neu, denkmalgerecht und ohne Konfliktpotential. Dieses entzündete sich dann umso heftiger an dem Grundstück zwischen Energieforum und Schillingbrücke, wo die „Maria am Ostbahnhof“ steht und das dem Liegenschaftsfonds des Landes Berlins (LiFo) gehört. Hier durfte erwartet werden, dass seitens des Senats auf die Forderungen der knapp 30.000 Bürger eingegangen wird, die für weitreichende Änderungen gestimmt hatten. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) beschloss, einen Bebauungsplan mit Grünfläche aufzustellen, der LiFo machte Kompromissvorschläge, und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zog die Keule aus der Tasche und drohte dem Bezirk mit Verfahrensentzug, wenn nicht die – letztlich veralteten – Pläne 1:1 umgesetzt würden. Solchermaßen die Pistole auf die Brust gesetzt, wehrten sich unser Bezirksbürgermeister Franz Schulz und die grüne Fraktion tapfer und erreichten, dass die zuständige Senatorin Junge-Reyer letztlich doch zuließ, dass eine Grünfläche entstehen kann, die knapp die Hälfte des Grundstücks ausmacht. Der erstmalige Kompromissvorschlag der Initiative „Spreeufer für alle!“ mit einer unbebauten Breite „von nur“ 27 bis 35 Metern ließ sich leider nicht durchsetzen, da dies einen Grundstückstausch mit einem Privateigentümer erfordert hätte, der diesem aber nicht aufgezwungen werden kann. Alles in allem ist hier aus grüner Sicht aber ein Erfolg zu verbuchen, der hoffen lässt.
Stück für Stück nähert sich der Sonderausschuss Spreeraum seinem Ende, und bis zum Sommer sollten für alle halbwegs verhandelbaren Grundstücke wie z.B. die der Berliner Hafen- und Lagergesellschaft (Behala) an Köpenicker Straße und Osthafen Entscheidungen und Beschlüsse herbeigeführt werden, die den Anliegen des Bürgerentscheids entgegenkommen. Dabei wäre es nicht nur hilfreich, sondern dem demokratischen Anstand nur angemessen, wenn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Beteiligung des Bezirks und seiner Bevölkerung an der Überarbeitung des Planwerks Innenstadt für den Spreeraum ablegen würde. Vielleicht kann hier die eingangs erwähnte Wissenschaft doch noch zu einem Erkenntnisschub beitragen. Die Grünen werden jedenfalls nicht nachlassen, Beteiligung auch dann zu fordern, wenn die Sonntagsreden gehalten sind.
Hans Panhoff Grünes Mitglied im Ausschuss Spreeraum