No-Go-Areas • rechte Bildungszentren • Nazi-Gedenkmärsche • rechtsextremistische Überfälle • NPD Bundes- und Landesparteitage …
Rechtsextremismus tritt in vielen unterschiedlichen Facetten auf. Es ist weder ein Phänomen, welches sich auf Ost oder West, noch auf jung oder alt, geschweige denn auf NPD-Mitgliedschaft/WählerIn oder nicht einschränken lässt. Auch in Berlin ist ein Zuwachs der Szene zu verspüren, mittels neuer Kleidungs-, Musikstile, Symbole und einem Wandel weg von Anti-Kommunismus hin zu Anti-Kapitalismus werden neue Zielgruppen erreicht – so findet sich beispielsweise in der Mitte der Stadt am Alexanderplatz ein „Thor-Steiner“ Laden, eine sehr beliebte Marke in rechtsextremen Kreisen.
Über eine enge Vernetzung der rechten Parteien untereinander (zur Berlinwahl eine Kooperation zwischen DVU-NPD und eine Wahlabsprache mit den Republikanern), aber gerade auch der NPD mit der freien Kameradschaftsszene kommt es zu einem koordinierteren und geschlossenerem Auftreten der rechten Szene insgesamt.
In Berlin entschieden sich am 17. September 2006 gut eine Million von insgesamt 2,425 Millionen Wahlberechtigten gegen die Abgabe ihrer Stimme, vier von zehn WählerInnen blieben also zu Hause. In den Bezirken Marzahn und Lichtenberg ging nicht einmal mehr jedeR Zweite in die Wahlkabine. Eine Million Wegbleibende! – das sind mehr als doppelt so viele WahlverweigererInnen wie SPD-WählerInnen (424 000), mehr als dreimal so viele wie CDU-WählerInnen (294 000) und mehr als fünfmal so viele wie die WählerInnen der Linkspartei (185 000) oder der Stimmen, die wir für uns gewinnen konnten (181 000). Die Sämtliche fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien haben mit insgesamt 1,18 Millionen WählerInnen nur wenig mehr Unterstützung als die imaginäre Partei der „Nicht-Wählenden“.
Das bedeutet einen Legitimationsschwund für das Regierungsbündnis und für die Fraktionen im Abgeordnetenhaus wie auch in den Bezirksverordnetenversammlungen. Etablierte Parteien scheinen die Menschen nicht mehr anzusprechen. Modernisierungs- und Individualisierungsprozesse schlagen eben auch auf das Wahlverhalten durch. Das gibt Kleinstparteien einen Schub, denn so unterschiedlich die Interessen der BürgerInnen sind, so vielfältig sind auch die Programme der vielen kleinen Gruppierungen.
Nicht zuletzt spielte die niedrige Wahlbeteiligung insbesondere auch der NPD in die Hände, deren zentrale Argumentation immer schon auf die angeblich mangelnde Legitimation des Parteienstaates abzielte.
Insgesamt entschieden sich 25.557 (1,8%) BerlinerInnen bei den Bezirksverordnetenversammlungs (BVV)-Wahlen 2006 für die NPD. Das sind 12.780 Menschen mehr als zu den Wahlen 2001. Anders ausgedrückt bedeutet dies eine Steigerung von über 100%.
Als Mitglied in fünf BVVen haben dir Rechten nun auch Zugang zu mehr Ressourcen und Informationen. Erste Absprachen, die die Bezirksverordneten der demokratischen Parteien untereinander getroffen haben, gilt es in der alltägliche Bezirkspolitik umzusetzen. In anderen kommunalen Vertretungen z.B. in Mecklenburg Vorpommern hat sich herausgestellt, dass sich die VertreterInnen rechtsextremer Parteien mittels guter Kenntnisse der Geschäftsordnung und Formalitäten auf sich aufmerksam machen. Vereinzelt sind sie auch durch inhaltlich Anträge aufgefallen, mit deren Hilfe versucht wurde/es gelang andere Parteien zu einer Zustimmung zu bewegen. Abzuwarten bleibt wie stark inhaltlich sich die Verordneten der NPD und der Verordnete der Republikaner in die Bezirkspolitik einmischen werden. Ein besonderer Fokus sollten wir auf ihre Aktivitäten im Jugendhilfeausschuss legen. Hier gilt es, deutlich ein Auge auf das weitere Vorgehen zu haben und eventuellen Gefahren entgegen zu wirken. Hauptaufgabe aller DemokratInnen muss es sein, das Vertrauen der BerlinerInnen wieder zu gewinnen. Dazu gehört es als PolitikerIn nicht nur bei Wahlkämpfen Präsenz zu zeigen, sondern sich stets mit offenen Ohren und Augen durch die Stadt zu bewegen.
Das neue Bundesprogramm „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“ ist auf längere Dauer angelegt und in drei Säulen untergliedert.
Die erste Säule fördert die Entwicklung integrierter lokaler Aktionspläne unter Einbeziehung der zivilgesellschaftlichen lokalen Akteure. Insgesamt sollen 80 – 90 Projekte bundesweit mit jeweils max. 10.000€ gefördert werden. Laut Senat können ca. 10 Projekte in Berlin gefördert werden. Die Interessensbekundung erfolgte durch die Bezirke, bis Mitte Dezember hatten drei Bezirke ihr Interesse eingereicht. Die zweite Säule soll Modelprojekte in den Bereichen Jugend, Bildung und Arbeit fördern, ein Drittel der Kosten wird durch Bundesmittel abgedeckt, die restlichen Kosten müssen kofinanziert werden. In Berlin sollen bis zu zwei Modellvorhaben gefördert werden.
Die dritte Säule besteht aus Evaluation und Öffentlichkeitsarbeit und wird über die zusätzlich bereitgestellten 5 Mio. (für das gesamte Bundesgebiet) finanziert. Hiervon sollen insbesondere die mobilen Beratungsteams unterstützt werden. Abzuwarten bleibt wie viele Bezirke ihre Interessensbekundung eingereicht haben, welche lokalen Aktionspläne letztlich gefördert werden und wo mit welcher konkreten Ausgestaltung und Anzahl Modelprojekte in der Stadt initiiert werden.
Wir werden nicht nachlassen gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteuren Akzente gegen Menschenverachtung, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rechtsextremismus zu setzen – auf der Straße und in den Parlamenten. Spätestens am 1.Mai gilt es für Demokratinnen und Demokraten erneut Zeichen für die demokratischen Grundwerte zu setzen.