Nach den Sommerferien endetet die Vorbereitungsphase einer der komplexesten Oberschulreformen, die Berlin in der Nachkriegsgeschichte erlebt hat und gleichzeitig nimmt eine Reform ihren Anfang, von der sich die meisten Bildungsfachleute viel erhoffen und eine Chance darin sehen, dass sie den Kindern und Jugendlichen die dringend erforderliche Bildungsgerechtigkeit ermöglichen wird.
Ein wichtiger Teil unserer vernetzten Arbeit ist es, Bildungswege gezielt und durch ineinander greifende pädagogische Konzepte zu begleiten und damit allen Kindern eines Kiezes die Möglichkeit zu bieten, in den besten Bildungseinrichtungen gemeinsam zu lernen. Dies ist uns für den Übergang von der Kita zur Grundschule in einigen Kiezen (z.B. Wrangelkiez und am Mariannenplatz) schon ein gutes Stück gelungen.
Senat stoppt Schulreform im Wrangelkiez
Im Bezirk haben wir trotzdem auch die Möglichkeiten ergriff en, in einigen Schulregionen eine vor Jahrzehnten falsche Entwicklung zu korrigieren. In ganz Kreuzberg SO 36 gab es bisher nur eine Haupt- und Realschule und ein Oberstufenzentrum. Von Beginn der Bildungsinitiative (2005) an wurde von den Grundschulen, Kitas und Eltern eingefordert, dass im Gebiet ein Gymnasium eingerichtet werden sollte, da das Oberschulangebot (OSZHandel und Eberhard-Klein-Oberschule) nicht als ausreichend angesehen worden ist und viele Eltern veranlasst hat, den Stadtteil zu verlassen. Da es nicht möglich war, ein eigenständiges Gymnasium einzurichten und von uns fachpolitisch auch die größere Bildungsgerechtigkeit in einem ganzheitlichen Angebot gesehen wird, wurde die aktuelle Schulreform als große Chance gesehen, das Bildungsangebot im Kiez deutlich zu verbessern! Hier stellt die geplante Sekundarstufe II (gymnasiale Oberstufe) an der integrierten Sekundarschule Skalitzer Straße einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg der Bildung dar: gemeinsam haben Eltern und PädagogInnen das Konzept für die Schule erörtert, geplant und auf den Weg gebracht.
Bis heute hat die zuständige Senatsverwaltung nicht die Genehmigung erteilt. Sie will die Eltern dazu bringen, ihre Kinder zum Abitur ins OSZ anzumelden und argumentiert mit Prognosen der Schülerzahlenentwicklung 2018/2019. Dass der Senat einen direkten Weg zum Abitur bisher verhindert, ist ein Skandal.
Neue Schule für den Graefekiez
Ob die Genehmigung noch erteilt wird, ist für uns auch ein Messpunkt, ob die SPD wieder nur bildungspolitische Chimären in die Welt pustet oder tatsächlich auch mal tut, was sie sonst immer nur großartig verkündigt. Im Graefekiez entsteht gerade eine Sekundarschule mit einem besonderen pädagogischen Ansatz. Hier sollen sich die Konzepte der Stadt-als-Schule, des Dualen Lernens, der Werkpädagogik und der speziellen Förderung von hochbegabten SchülerInnen zu einem gemeinsamen neuen Konzept verbinden. Es fließen die jahrelangen und vielfältigen Erfahrungen verschiedener Richtungen innovativ zusammen, die Kenntnisse der Jugendberufshilfe, das Wissen um werkpädagogische Frühförderung, die Kompetenz für individuelle Förderung der unterschiedlichsten Stär- ken von SchülerInnen, die Ergebnisse vom Lernen außerhalb des Ortes Schule etc. Wir wissen aus der Erfahrung der Jugendhilfe, aus Umfragen der Schulaufsicht an den Kreuzberger Grundschulen oder Fachtagungen, dass wir Schule anders denken müssen, wenn wir es erreichen wollen, dass die Kinder eines Jahrganges alle einen erfolgreichen Schulabschluss schaff en können. Die Kompetenz, die das Kollegium der ehemaligen Stadt-als-Schule sich in den letzten 20 Jahren im Bereich des individuellen Lehrens und Lernens erworben hat, wird an dieser Sekundarschule in der Kombination mit Werkpädagogik und dem Ansatz des Produktiven Lernens eine einmalige Ergänzung des bezirklichen Schulnetzes darstellen.
Es ist daher mehr als ärgerlich, dass sich die Baumaßnahmen der Sanierung des Schulgebäudes weit über den vereinbarten (sehr engen) Zeitplan hinaus verschoben haben und der Start gerade dieser Schule sehr schlecht anlief. Zwar wurde ein Ausweichquartier gefunden, doch sind dies suboptimale Zustände für das Kollegium und für die SchülerInnen gleichermaßen. Ob bis Ende Oktober der Zeitplan aufgeholt werden kann, bleibt kritisch zu beobachten. Und muss eng begleitet werden! Der große Wurf ist mit der Schulreform des Senats nicht gelungen und ich behaupte wider besseres Wissen, aus wahltaktischem Kalkül heraus. Die SPD wird sich 2011 als DIE Partei der Berliner Bildungsreform darzustellen versuchen – viel mehr hat sie allerdings auch nicht zu bieten!
So besteht die Gefahr, dass wieder eine dringend erforderliche Reform in Berlin am Dilettantismus des Senats letztendlich scheitern wird, vor Ort weiterhin die unbefriedigenden Zustände herrschen, die Ausstattung nicht ausreichend sein wird, die erforderlichen Fortbildungen und Konzepte für die pädagogische Arbeit minimalisiert sind und wir weiterhin viele verzweifelte Eltern und SchülerInnen in dieser Stadt haben werden.
Doch es ist nicht nur eine Frage von Nichtkönnen, es ist auch eine Frage der Haltung! Ich kann nicht erkennen, dass dieser Senat in aller Konsequenz begriff en hat, dass wir in Berlin zwingend umdenken müssen! Wir brauchen eine andere Schwerpunktsetzung, wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel bei der politischen Umsetzung und damit auch bei der Finanzierung.
Monika Herrmann, Schulstadträtin in Friedrichshain-Kreuzberg