Mündliche Anfrage gestellt von Jutta Schmidt-Stanojevic, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur BVV am 29. Mai 2024
Ich frage das Bezirksamt:
- Was unternimmt das Bezirksamt, um allen Menschen mit Geheinschränkungen zu ermöglichen, ein Wahllokal barrierefrei aufzusuchen (Bitte Angabe der Zahlen der barrierefreien Wahllokale zur Wiederholungswahl im Bezirk 2023, und die Anzahl der barrierefreien Wahllokale zur Europawahl 2024)?
- Welche Information haben die Einrichtungen der Behindertenhilfe über ihre Wahlmöglichkeiten bekommen z.B. in leichter Sprache?
- Welche Hilfestellungen bekommen Menschen mit geistiger Behinderung bei der Stimmabgabe?
Es antwortet Oliver Nöll, Stellvertretender Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat, Abt. Arbeit, Bürgerdienste und Soziales
zu Frage 1: Alle wahlberechtigten Personen werden über eine Wahlbenachrichtigung informiert, ob ihr Wahllokal über einen barrierefreien Zugang verfügt oder dies mittels einer Hilfsperson möglich ist. Benachrichtigungen für Wahllokale, die nicht barrierefrei sind, enthalten die Empfehlung einen Wahlschein zur Wahl zu beantragen. Mit dem Wahlschein kann ein anderes geeignetes Wahllokal im gesamten Bezirk genutzt werden. Wer nicht im Wahllokal wählen möchte, kann ohne Benennung von Gründen die Briefwahl beantragen. Trotz aller Bemühungen können aufgrund der Zahl an Wahllokalen nicht alle barrierefrei angeboten werden. Also wir bemühen uns schon, wir haben die Zahl ja auch erhöht.
Ich komme jetzt auch zu den Zahlen. Wiederholungswahl 2023: Wir hatten 110 barrierefreie Wahllokale, 15 barrierefrei mit Hilfspersonen und nicht-barrierefrei 38, in Prozenten 67,5 % der Wahllokale waren barrierefrei, barrierefrei mit Hilfsperson 9,2 % und nicht-barrierefrei 23,3 %.
Zur Europawahl 2024 haben wir 118 barrierefreie Wahllokale, 8 die mit Hilfspersonen aufgesucht werden können und 37 die nicht barrierefrei sind. Das heißt, es sind jetzt 72,4 % komplett barrierefreie, 4,9 % mit Hilfspersonen und 22,7 % (leichte Verringerung), die nicht barrierefrei aufgesucht werden können.
zu Frage 2: Durch den Landeswahlleiter für Berlin wurde eine Broschüre zur Europawahl in leichter Sprache aufgelegt, die über die ITDZ-Hotline bestellt werden kann und auf der Seite des Landeswahlleiters online abrufbar ist. Im Rahmen der Beantwortung wurden zudem zwei Einrichtungen der Behindertenhilfe im Bezirk und drei Werkstätten für Menschen mit Behinderung, die Betriebsstätten in Friedrichshain-Kreuzberg haben, angeschrieben. Es wurde u. a. zurückgemeldet, dass das Personal selbständig Informationsmaterial organisiert hat und die Wahl mit den Klientinnen bzw. Besucher*innen thematisiert wird. Eine Werkstatt hat zurückgemeldet, dass Flyer, Plakate und eine Broschüre „9. Juni 2024, Europawahl in Berlin – Europa braucht Deine Stimme“, in einfacher Sprache, die im Auftrag des Landeswahlleiters von Berlin erstellt wurde, durch Beschäftigte organisiert worden ist. Vor allem die Broschüre wurde sehr lobenswert hervorgehoben. In den arbeitsbegleitenden Angeboten wird über die Europawahl gesprochen und diese erklärt.
Da der Akt des Wählens in den privaten Bereich fällt, werden sicher auch Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung mehr Auskunft über die Hilfestellung bei der Stimmabgabe rückmelden können. Im Rahmen dieser Anfrage kann hier eine Abfrage jedoch leider nicht geleistet werden.
zu Frage 3: Wählerinnen und Wähler, die für die Stimmabgabe eine Hilfsperson benötigen, können diese mit ins Wahllokal bringen oder erhalten auf Wunsch Hilfestellung durch einen Wahlhelfenden aus dem Wahlvorstand.
Frau Schmidt-Stanojevic: Vielen Dank Herr Nöll für die Antwort. Das ist ja sehr erbaulich die Beantwortung. Aber ich habe trotzdem noch mal die Frage, was passiert denn, wenn auf dem Wahlschein draufsteht, dass es barrierefrei ist und zum Beispiel mit dem Fahrstuhl nur erreichbar ist, wenn der dann in dem Moment kaputt ist. Also welche Möglichkeiten haben dann Menschen mit Behinderung, trotzdem ihre Stimme abzugeben… also sind da Ansprechpartner vor Ort?
zu Nachfrage 1: Also, liebe Frau Schmidt-Stanojevic, das ist natürlich eine Eventualität, die ich nicht ausschließen kann. Wenn wir es jetzt tatsächlich geplant haben, es barrierefrei und was weiß ich… eine Rampe ist gebrochen oder ein Fahrstuhl ist kaputt, dann würden wir uns aber in jedem Fall bemühen, dass da doch entsprechende Informationen… dass jemand vorne steht und die Leute aufklärt und dass die nicht da stehen oder nicht wissen wohin.
Frau Hochstätter: Ich habe noch eine Frage: Barrierefreiheit bedeutet ja nicht nur im wortwörtlichen Sinne Zugänglichkeit, also keine Treppen, Fahrstühle… Ähnliches, sondern es geht ja auch um ganz andere Sachen dabei, und deshalb würde ich anregen, nein, ich frage natürlich… ob wir Wahlschablonen für Blinde und Sehbehinderte Menschen haben. Dafür werben im Moment die entsprechenden Verbände sehr und die kann man glaube ich relativ problemlos besorgen. Das wäre ja eigentlich eine schöne Sache, wenn wir die hätten.
zu Nachfrage 2: Liebe Frau Hochstätter, das weiß ich jetzt nicht…muss ich ganz ehrlich zugeben. Wenn wir aber in bezirklicher Verantwortung solche Schablonen besorgen können, würde ich diese Anregung gerne aufgreifen.
Herr Heise: Mich würde noch interessieren… einfach mal rein statistisch, ob Sie aus den letztvergangenen Wahlen bzw. der Wiederholungswahl zum Beispiel anhand der Auswertung der Niederschriften aus den Wahllokalen wissen, ob es Fälle gegeben hat und – wenn ja – in welcher Größenordnung, dass Menschen tatsächlich im Wahllokal wegen mangelnder Barrierefreiheit ihre Stimme tatsächlich nicht abgeben konnten.
zu Nachfrage 3: Also solche Zahlen kenne ich nicht. Ich wüsste auch nicht, wie die erhoben werden sollen… Wahlgeheimnis usw. Mir ist ein Fall bekannt, der hier aus dem Haus an mich herangetragen wurde, wo es tatsächlich etwas schwieriger war, diesen Menschen dann auch zu seinem Wahlrecht zu verhelfen. Das haben wir am Ende des Tages dann aber auch gelöst.