Mündliche Anfrage gestellt von Maria Haberer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur BVV am 11. Dezember 2024

Ich frage das Bezirksamt: 

  1. Wie ist der aktuelle Stand der Prüfung für die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Schönleinstraße 19 durch ein landeseigenes Wohnungsunternehmen, Genossenschaft oder eines anderen geeigneten Käufers?
  2. Inwiefern unterstützt der Senat den Ankauf in Hinblick auf die Bereitstellung von Fördermittel für den Erwerb und die Instandsetzung des Gebäudes?
  3. Welche Maßnahmen sind darüber hinaus geplant, um bis zur Frist am 7. Januar die Schritte für die Ausübung des VKR einzuleiten und die Mieter*innen vor Verdrängung zu schützen?

Es antwortet Florian Schmidt, Bezirksstadträtin, Abt. für Bauen, Planen, Kooperative Stadtentwicklung

zu 1. bis 3.

zu Frage 1 bis 3: Zunächst einmal gab es ja am Montag einen Ausschuss, Ausschuss für Stadtentwicklung im Abgeordnetenhaus, da hat Herr Gaebler sich auch geäußert und wurde befragt. Deshalb, falls hier auch die Presse zuhört, die das mitbekommen hat, würde ich gerne auf ein paar Aspekte, die dort genannt wurden, auch noch mal eingehen, obwohl hier nicht direkt danach gefragt wurde, aber es gehört ja im Weitesten auch zum Vorkaufsverfahren.

Also auf der einen Seite möchte ich noch mal klarstellen, dass weder die Bau- und Wohnungsaufsicht noch die Zweckentfremdung hatten vor dem Prüfverfahren Kenntnis von den gravierenden Mängeln und Missständen in diesem Gebäude.

Gleichzeitig liegt die rechtliche Stellungnahme, dass dieses Vorkaufsrecht auch rechtssicher ausgeübt werden kann, mittlerweile dem Senat vor, also parallel zur Ausschusssitzung am Montag ist die dort eingetroffen und wurde auch umgehend bestätigt, dass also hier das Vorkaufsrecht in der abgespeckten Form nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November ’21 ausgeübt werden kann.

Ein weiterer Punkt: Es gibt bisher keinerlei Regungen der Käufer, hier eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Nun gab es natürlich die wichtigste Aufgabe, wie das immer ist bei Vorkaufsrechtsverfahren, dass wir versuchen jemanden zu finden, ein landeseigenes Unternehmen, Genossenschaften, die hier in das Vorkaufsrecht eintreten würden und da gab es verschiedene Gespräche zu.

Ich möchte aber gleich hier mit den zwei Ergebnissen erst mal landen bei der Erklärung. Es gibt also aus meiner Sicht, aus Sicht des Bezirksamtes zwei Wege, wie das Vorkaufsrecht jetzt ausgeübt werden kann.

Der erste Weg ist quasi der Klassiker, eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft tritt in das Vorkaufsrecht ein und erhält einen Zuschuss zur Sicherung der Wirtschaftlichkeit. Hat Herr Gaebler ja am Montag auch noch mal öffentlich gesagt, dass die ja nicht besteht.

Hinsichtlich der Sanierungskosten hat eine Wohnungsbaugesellschaft erste Berechnungen erstellt, welche zur Ermittlung eines solchen Zuschussbedarfs führen und das müsste jetzt plausibilisiert werden von der Senatsverwaltung. Es sind nur sehr grobe Berechnungen, ich komme noch mal gleich darauf zurück.

Der zweite Weg: Eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft tritt in das Vorkaufsrecht ein und veräußert das Gebäude zeitnah an eine Genossenschaft, entweder als Ganz- oder als Erbbau. Die Genossenschaft erhält bei Ankauf Förderdarlehen der IBB, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern und auch Förderwohnungen dann dort anbieten zu können und die Mieten auch niedrig zu halten natürlich. Die Konditionen dieses gestreckten Erwerbs würden über einen LOE zwischen Senat, Bezirk, landeseigener Wohnungsbaugesellschaft und Genossenschaft noch vor der Ausübung des Vorkaufsrechts verbindlich vereinbart werden. Das müsste im Grunde nächste Woche passieren.

Meine Gespräche mit Genossenschaften haben ergeben, dass aktuell noch verschiedene Abstimmungen mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, aber auch der IBB bezüglich Darlehensförderungen bei anderen Liegenschaften im Gange sind. Daher sieht keine Genossenschaft es als realistisch an, im Rahmen der Frist für das Vorkaufsrecht am 07.01.2025 ein Antragsverfahren über Förderdarlehen abzuschließen und selbst in das Vorkaufsrecht einzutreten. Der Weg, dass eine Genossenschaft direkt in das Vorkaufsrecht eintritt, ist somit versperrt. Also anders gesagt: Die Formalitäten sind derzeit komplex, aber auch nicht durchzuführen in der Kürze der Zeit.

Meine Gespräche mit landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben ergeben, dass die Sanierungs- und Instandhaltungskosten als enorm hoch eingeschätzt werden, allerdings ohne, dass das Haus in Augenschein genommen wurde. Die Durchführung einer sog. Due-Diligence-Prüfung wurde abgelehnt. Im Grunde hat mir heute bei einem Gespräch mit dem zuständigen Staatssekretär im Abgeordnetenhaus, also ich war im Abgeordnetenhaus wegen einer anderen Sache, man auch mitgeteilt, dass hier eine Absage des Senats bezüglich dieses Weges unterwegs ist zu mir. Die hat mich allerdings noch nicht erreicht, also dass eine Wohnungsgesellschaft direkt kauft und eine Förderung bekommt vom Senat.

Meine Gespräche mit den Mietern haben ergeben, dass diese gewillt und in der Lage sind, sowohl selbst bei bestimmten Arbeiten mitzuhelfen, der Sanierung oder Instandsetzung, als auch einen Betrag von mind. 500.000 EUR an Eigenkapital aufzubringen.

Unterdessen hatte ich ein Architekturbüro beauftragt, einen Sanierungsplan mit den geringstmöglichsten Kosten aufzustellen. Das Büro Hütten und Paläste, das auch beim Tuntenhaus die Berechnung übernommen hat, dort kam es ja zum Vorkauf, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kosten niedrigstens sozusagen bei 2.200 EUR netto liegen pro Netto-Nutzfläche, wenn eine Eigenbeteiligung der Mieter erbracht wird. Diese Kostenberechnungen liegen mir also vor.

Hier muss man dazu sagen, das ist sozusagen wirklich das allerniedrigste, es kann durchaus etwas höher werden, weil dann noch konkret abgestimmt werden muss, welche Eigenbeteiligungen das wären und was da wirklich möglich ist. Es kommt auch ein bisschen auf die Fertigkeiten der Mieter an.

Um Kosten zu sparen, erscheint mir daher der Weg, die landeseigene Gesellschaft erwirbt und verkauft an Genossenschaft der beste, auch was die Fristeinhaltung und den finanziellen Aufwand für das Land Berlin angeht.

Nach Auffassung des bezirklichen Hochbauservices können nur mit einer auf Mieterkooperation setzenden Organisation, z.B. einer kleineren Genossenschaft, verhältnismäßig niedrige Kosten erreicht werden bei solchen Altbausanierungen. Größere Gesellschaften tendieren zu standardisierte Sanierungsverfahren, höhere Standards und werden daher zwangsläufig höhere Kosten ansetzen. So hat die Gewobag die Kosten auf 4.500 EUR bis 5.500 EUR pro Quadratmeter geschätzt.

Zugleich kann nur eine Genossenschaft auf Eigenkapital der Mieter zurückgreifen und deren Mitarbeit an der Baumaßnahme koordinieren. Das kann bei einer landeseigenen Gesellschaft einfach nicht funktionieren, weil, das geht auch nicht, vor allem, was das Eigenkapital betrifft, aber auch, dass Mieter an Baumaßnahmen mitarbeiten ist etwas, was man …, was ich ausschließen kann, dass das bei einer landeseigenen Gesellschaft möglich ist.

Eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft könnte allerdings auch die Rolle zusätzlich bekommen, Ersatzwohnungen zur Verfügung zu stellen, da bei der Sanierung die Mieter ihre Wohnungen wohl temporär verlassen werden müssen.

Ich stehe aktuell mit einer Genossenschaft in Kontakt. Morgen soll mir dort ein LOI zugehen und ich sehe also hier eine Kooperationsbereitschaft, die sich auch erst in den letzten Tagen ergeben hat, weil auch seit zwei Tagen erst diese Zahlen vorliegen, die Kostenberechnung.

Jetzt liegt mir hier sogar eine …, seit einer Stunde ungefähr eine Berechnung der Genossenschaft vor. Sie sehen also, das sind ernstzunehmende Bemühungen und ich denke, dass wir hier jetzt am Scheideweg stehen. Der Senat kann diese Idee, diesen Weg, der meiner Meinung nach absolut gangbar ist, nun einschreiten.

Die Mieter haben in den letzten Wochen unglaublich viel rumgerührt, haben eben sich mit der Frage beschäftigt, was für andere Modelle es gibt. Da wurden auch Modelle verworfen und wir haben eben auch geschaut, was können sie selber beitragen. Und dem möchte ich erst mal auch sehr großen Respekt zollen, dass die Mieter hier auch selber Hand mit anlegen.

Ich möchte noch betonen, dass die Gefahr einer Verdrängung der Mieter*innen sehr groß ist und die rechtlichen Instrumente nicht ausreichen werden, diese abzuwenden, wenn dahinter eine gewisse Triebkraft, so nenne ich es jetzt mal, ist.

Die Bauaufsicht ist derzeit aktiv und prüft auch die Schließung von Teilbereichen des Gebäudes.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Umstand, dass die Mieter*innen von unbekannten Personen bedroht wurden, seitdem der Bezirk das Prüfverfahren zum Vorkaufsrecht gestartet hat. Es gab lt. Aussage der Mieter*innen Drohanrufe und bedrohliche Situationen auf der Straße. Die Polizei ist informiert. Ich muss auch noch mal sagen, dass ich so etwas in meiner Zeit als Stadtrat noch nicht erlebt habe, eigentlich noch gar nicht. Das ist schon besonders, obwohl ich natürlich nicht weiß, wer dahintersteckt.

Ja, das ist eigentlich erst mal der Bericht, den ich Ihnen anbieten kann. Ach so, die Frage war ja auch, was passiert jetzt in den nächsten …, was passiert bis zum Fristende. Es soll, wie gesagt, der LOI morgen kommen von der Wohnungsbaugesellschaft, der auch noch mal die konkreten Kooperationsansätze zwischen Wohnungsbaugesellschaft und Genossenschaft dargestellt werden. Ich gehe davon aus, dass die Senatsverwaltung sich dann sehr schnell damit beschäftigen werden.

Heute wurde schon Herr Gaebler informiert und auch die Senatsverwaltung für Finanzen darüber und dann wird es darauf ankommen, dass die Berechnungen der Genossenschaft mit denen einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft abgeglichen werden. Das ist ja klar, ob es jetzt ein Erbbaurecht ist oder ein Direktverkauf, da müssen alle einverstanden sein mit einer Berechnung, dass die plausibel ist.

Wenn dann die politische Entscheidung getroffen wird, dass dieser Weg gegangen wird, dann wird es einen Umlaufbeschluss geben müssen bei einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft. Das ist möglich, ich habe mich da auch schon informiert, selbst, wenn gewisse Leute schon im Urlaub sind, kann man das machen im Umlaufverfahren. Also … Entschuldigung … ein Aufsichtsratsbeschluss im Umlaufverfahren.

Und wir werden natürlich dann eine Verpflichtungserklärung unterschrieben haben müssen und auch noch mal Grundaussagen zur Wirtschaftlichkeit des Unternehmens, zu dessen Gunsten wir ausüben, das ist aber bei landeseigenen Gesellschaften nie ein Problem gewesen, weil wir deren Bonität etc. gut kennen.

Insofern ja, es ist etwas schade, dass eben die Weihnachtszeit noch dazwischen liegt, aber andererseits, ich sage, vor Weihnachten muss es jetzt geklärt werden und das wäre vielleicht auch ein schönes Weihnachtsgeschenk für die Mieter, dass sie … ja, mit einer gewissen Ruhe Weihnachten feiern können und wissen, dass sie aus ihrem Haus nicht verdrängt werden.

Gut, ich schließe damit, dass ich denke, dass es nicht einfach wird. Es wird nicht der Senat sagen okay, machen wir so, sondern dass wir da noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten werden müssen. Ich bitte Sie um Unterstützung dabei, über Ihre Kanäle. Ich freue mich auch sehr, dass viele Parteien, auch die CDU, es zumindest nicht komplett ablehnen, es gab sogar positive Signale. Ich denke, dass diese Möglichkeit, dass dieses Haus sogar abgerissen wird, also, weil eben darauf hingearbeitet wird, dass der Verfall sich fortsetzt und wir wissen ja genau, dass die Instrumente immer wieder umgangen werden und ausgetrickst werden, das ist eine reale Gefahr.

Es ist also ein …, will ich einfach noch mal appellieren, auch an die, die vielleicht bisher nicht so sehr vom Vorkaufsrecht so grundsätzlich überzeugt sind, dass es hier einfach auch wirklich ums nackte Überleben geht sozusagen dieses Hauses. Wenn es denn abgerissen würde und neu gebaut würde, dann würden dort einfach nur noch Luxuseigentumswohnungen entstehen und so hat man hier eine recht einmalige Chance und auch zu Kosten, die insgesamt die Stadt nicht überlasten, den Menschen zu helfen und auch ein Zeichen zu setzen.

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