Von Antje Kapek
Die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A100 ist seit Jahrzehnten umstritten, da sie laut Kritiker*innen das Verkehrschaos in angrenzenden Wohnvierteln verschärft und die Lebensqualität massiv beeinträchtigt. Trotz überholter Prognosen und fehlendem Schutzkonzept hält der Senat am Projekt fest, während die anstehende Eröffnung des neuen Abschnitts und die noch unfertige Elsenbrücke die Situation weiter eskalieren lassen.
Kein Autobahnprojekt in Deutschland ist so umstritten wie die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn A100. Seit einem halben Jahrhundert streitet Berlin über Sinn und Unsinn – und vor allem über die Folgen dieses milliardenschweren Mammutprojekts. Der vorerst letzte Abschnitt – 2011, noch kurz vor der Wahl, gemeinsam von SPD und Linken beschlossen – wird in diesem Sommer fertiggestellt und eröffnet. Der sogenannte 16. Bauabschnitt der A100 wird seit Jahren von Neukölln bis zum Treptower Park gebaut.
Doch solange geplant und gebaut wird, bleibt auch die Kritik laut. Schon vor 15 Jahren äußerte der damalige Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz (Grüne), deutliche Kritik an dem Vorhaben. Er stellte nicht nur die Entscheidung selbst infrage, sondern präsentierte auch ein eigenes Verkehrsgutachten über die katastrophalen Auswirkungen des Autobahnbaus auf die umliegenden Wohngebiete. Dieses kam zu dem Schluss, dass die Planungen des Senats auf unrealistischen Prognosen zur Verkehrsentwicklung basierten. So gehen die Gutachten des Bezirks von einer deutlich höheren Verkehrsbelastung aus als der Senat – mit der Folge, dass weite Teile der drei betroffenen Bezirke drohen, in ein Verkehrschaos gestürzt zu werden.
Dementsprechend bleibt die Forderung nach einer Neubewertung bis heute aktuell – gehört wurde sie jedoch nicht. Weder wurden neue Prognosezahlen noch ein überarbeitetes Verkehrskonzept erstellt (auch wenn dies unter grüner Regierungsbeteiligung geplant war – allerdings hat die Wiederholungswahl die Neubewertung wieder zunichte gemacht).
Was damals nur Prognosen waren, erscheint heute als sehr naheliegende Realität. Denn schon jetzt ist das Verkehrsaufkommen deutlich höher, als es die damaligen Pläne des Senats angenommen hatten. Die Ankündigung der Bundesregierung, den neuen Autobahnabschnitt am Treptower Park – nach zahlreichen Verzögerungen – im Juli 2025 zu eröffnen, wird das tägliche Verkehrsaufkommen zusätzlich massiv steigern. Zum bereits bestehenden Verkehrschaos kommen dann die von der Autobahn abfahrenden Autos noch obendrauf.
Die Autobahneröffnung wird den Verkehr in sämtlichen umliegenden Wohnvierteln massiv erhöhen. Das gefährdet nicht nur die Lebensqualität, sondern vor allem die Sicherheit von Kindern, Senior*innen und allen anderen Anwohner*innen.
Nun kommt ein weiteres, jedoch nicht unvorhersehbares Problem hinzu: Die Elsenbrücke, die seit Sommer 2018 wegen Baufälligkeit ersetzt werden muss, wird zum Zeitpunkt der geplanten Eröffnung nicht fertiggestellt sein. Schon jetzt sorgt der Neubau der Elsenbrücke für ein vollständiges Verkehrschaos auf beiden Seiten der Spree. Besonders auf der Treptower Seite kommt es zu Rückstaus in alle Richtungen, verstopften Kreuzungen und erheblichen Verzögerungen im Busverkehr. Fußgänger*innen und Radfahrer*innen müssen über von Autos verstopfte Kreuzungen, nicht selten kommt es dabei zu gefährlichen Situationen.
Wird der neue Autobahnabschnitt wie geplant im Juli eröffnet, droht eine massive Verschärfung der ohnehin angespannten Verkehrssituation: Täglich würden zehntausende zusätzliche Fahrzeuge auf das bereits überlastete Straßennetz treffen. Anwohnende, die jetzt schon unter der Situation leiden, würden vollends in Lärm und Abgasen versinken. Ein Verkehrskonzept zum Schutz der Anwohnenden? Fehlanzeige! Dabei braucht es dringend ein Leitsystem, das den Autoverkehr klar lenkt und ein noch größeres Chaos verhindert.
Denn eines ist klar: Anders als in den Autobahnplänen der 1990er Jahre angenommen, bleiben die Menschen heute nicht mehr im Stau stehen. Google Maps & Co. lotsen Autos um jeden Stau herum. Bei drohendem Stillstand fahren viele von der Autobahn ab – und landen auf Schleichrouten durch Wohnstraßen. Zum Leidwesen der Anwohner*innen, aber auch der Kitas, Schulen und Senior*inneneinrichtungen. Die Folge: Es wird lauter, dreckiger und vor allem gefährlicher.
Dies zu verhindern wäre Aufgabe des Berliner Senats. Doch dieser ist bereits mit dem Verkehrschaos durch den Neubau der A100-Brücken im Westen Berlins überfordert – und sitzt nun auch das vorhersehbare Verkehrschaos der A100 im Osten aus.
All das bestätigt, was wir schon immer sagen: Autobahnen entlasten nicht, sondern schaffen mehr Verkehr – und sorgen damit für noch größere Probleme.
Deshalb fordern wir:
• Der Bund muss die Eröffnung der A100 bis zur Fertigstellung der Elsenbrücke verschieben.
• Jede weitere Verlängerung der A100 ist einzustellen.
• Der Berliner Senat muss endlich ein echtes Verkehrskonzept für das Gebiet vorlegen – eines, das den Schutz der Anwohnenden, sicheren Fuß- und Radverkehr sowie einen funktionierenden Busverkehr priorisiert.
Autorin: Antje Kapek, MdA, Verkehrspolitische Sprecherin