Die Klageflut beim Berliner Sozialgericht wegen Hartz IV nimmt weiter zu. In den nächsten Jahren soll das Gericht auf 117 Richter anwachsen. Vor wenigen Jahren waren es noch weniger als 50. Wie können die Betroffenen schneller zu ihrem Recht kommen?

Die Anzahl der neuen Verfahren vor dem Berliner Sozialgericht, dem größten der Republik, stieg von 6.000 in 2005 über 18.000 in 2007 auf 21.000 in 2008. Damit ist in Berlin im Gegensatz zum Bundestrend weiterhin ein starker Anstieg zu verzeichnen.

Sehr hohe Erfolgsquote – rechtsstaatlicher Skandal

Bemerkenswert ist die überaus hohe Erfolgsquote, die bei ca. 50 % liegt. Im Vergleich dazu sind beim Verwaltungsgericht Berlin zwischen 3 und 4 % der Klagen erfolgreich, in Ausländersachen nur jede Zehnte. Mit anderen Worten verweigern die Jobcenter den Antragstellern in rund der Hälfte der Fälle, die beim Sozialgericht eingehen, unrechtmäßig Leistungen. Und diese hohe Erfolgsquote besteht seit Jahren! Ein solcher Zustand ist nicht zuletzt deshalb rechtsstaatlich bedrückend, weil es sich bei den Antragstellern zum großen Teil um Menschen handelt, die sich häufig in einer schwierigen Lebenslage befinden und dringend auf die Leistungen angewiesen sind. Vermutlich würde in keinem anderen Rechtsgebiet ein derartiger Missstand jahrelang hingenommen. Eine Verbesserung der Situation bei den Sozialgerichten im Interesse der Antragsteller setzt deshalb eine grundlegende Änderung der weitgehend rechtswidrigen Praxis der Jobcenter voraus. Denn eigentlich sollen die Antragsteller durch die Jobcenter und nicht erst vor Gericht ihre ihnen gesetzlich zustehenden Leistungen erhalten.

Staatssekretär mahnte Abhilfe an – nichts geschah

Bereits 2006 wies der damalige Justizstaatssekretär Flügge gegenüber der Arbeits- und Sozialverwaltung auf erhebliche Defizite bei den Jobcentern hin und mahnte dringend Abhilfe an. Schließlich darf die schlechte Verwaltung nicht zu einer dauernden Überlastung der Gerichte führen. So sind die Richter gehalten, um dem Ansturm Herr zu werden und Eilfälle noch zeitnah zu entscheiden, andere, für die Kläger ebenfalls wichtige Verfahren aus anderen Bereichen länger liegen zu lassen. Die Mahnung hatte allerdings – wie nicht zuletzt an der weiterhin steigenden Zahl anhängiger Verfahren abzulesen ist – wenig Erfolg.

Linkspartei scheut Verantwortung

Auf Seiten der in Berlin verantwortlichen Linkspartei verweist man dagegen gern auf das angeblich schlechte Gesetz, welches eine bessere Verwaltung unmöglich machen würde. Allerdings hindert kein Gesetz die Jobcenter daran, die Akten nachvollziehbar zu führen, die Bescheide verständlich zu formulieren und diese den Antragstellern zu erläutern. Nun hat sich die eigentlich nicht zuständige Justizministerkonferenz mit der Thematik beschäftigt und möchte im kommenden halben Jahr Empfehlungen erarbeiten. Bleibt zu hoffen, dass die Betroffenen nicht noch weitere Jahre warten müssen, bis sie leichter und schneller zu ihrem guten Recht kommen.

Dirk Behrendt, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Rechtspolitischer Sprecher