DS/1123/IV Mündliche Anfrage

 

Anbei übersende ich die schriftliche Beantwortung der mündlichen Anfrage durch das Jobcenter Friedrichshain-Kreuzberg:

1. Warum wird die Veröffentlichung der Telefonnummernlisten der Mitarbeiter*innen mit
Kundenkontakt im Jobcenter Friedrichshain- Kreuzberg seitens der Geschäftsführung verwehrt?

§ 5 Abs. 1 IFG gewährt einen allgemeinen Informationszugang, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung das Interesse des Auskunftsersuchenden gegenüber den Interessen des von der Veröffentlichung der Daten Betroffenen und dessen Recht auf Informationelle Selbstbestimmtheit überwiegt. Nach § 5 Abs. 4 IFG geht das Interesse des Auskunftsersuchenden in den Fällen, in denen die begehrten Informationen Ausdruck und Folge einer konkreten amtlichen Tätigkeit sind, dem Interesse der von der Datenübermittlung betroffenen Mitarbeiter und deren Recht auf Informationelle
Selbstbestimmtheit vor. Insoweit nehmen § 5 Abs. 1 und Abs. 4 IFG eine Einschränkung
des Grundrechts auf Informationelle Selbstbestimmtheit vor.

2. Wie werden der Informationsbedarf der Bürger*innen und der Schutz der Mitarbeiter*
innen im Jobcenter mit einander abgewogen?

und

3. Nach welchen Grundsätzen wird hier der Datenschutz angewandt?

Gem. § 5 Abs. 4 IFG ist unter anderem die Bürotelekommunikationsnummer von Bearbeitern dann vom herauszugeben, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit ist. Dies erfolgt im Einzelfall durch Angabe der Telekommunikationsnummer durch Angabe auf den entsprechenden amtlichen Schreiben.

Unter amtlicher Tätigkeit im Sinne der genannten Vorschrift wird ein konkreter, auf den Einzelfall bezogener Bearbeitungsvorgang verstanden. Durch die Angabe des Namens und der Bürotelekommunikationsnummer wird dem Informationsinteresse des Betroffenen ausreichend Rechnung getragen.

Der Anspruch auf Herausgabe sämtlicher Telekommunikationsnummern außerhalb eines konkreten Bearbeitungsvorganges ist jedoch nicht von § 5 Abs. 4 IFG umfasst, es sei denn, es liegen Ausnahmegründe gemäß §§ 3 bis 6 IFG vor (vgl. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit – Info 2, 2. Auflage 2009, § 9 IFG, Nr. 1). Gemäß § 5 Abs. 1 IFG genießt der Schutz personenbezogener Daten grundsätzlich Vorrang vor dem Informationsinteresses des Antragstellers, es sei denn, dessen Informationsinteresse überwiegt im Einzelfall.

Personenbezogene Daten sind nach § 3 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (betroffene Person). Als persönliche Verhältnisse werden Angaben über den Betroffenen selbst, seine Identifizierung und Charakterisierung anzusehen sein (z.B. Name, Anschrift, Familienstand, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit, Konfession, Beruf, berufliche Telefonnummer (Urteil VG Leipzig vom 10.01.2013, AZ: 5 K 981/11) etc.). Sachliche Verhältnisse werden beschrieben durch Angaben über einen auf den Betroffenen beziehbaren Sachverhalt (z.B. Grundbesitz, vertraglich oder sonstige Beziehungen zu einem Dritten etc.).

Um einfache Mitarbeiterdaten handelt es sich lediglich um Daten, die Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit im Sinne von § 5 Abs. 4 IFG sind. Die Zulässigkeit der Herausgabe solcher Daten unterliegt den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 IFG.
Dem Schutz der personenbezogenen Daten ist gemäß § 5 Abs. 1 IFG der Vorrang vor dem Informationsinteresses eines Antragstellers einzuräumen.

Denn dem allgemeinen Informationsinteresse eines Antragsstellers auf Herausgabe sämtlicher
Telefonnummern aller Mitarbeiter/Innen ist bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass den im Rahmen der Erbringung von Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) etwaig erstellten amtlichen Schreiben stets der Name des jeweils verantwortlichen Mitarbeiters sowie dessen Kontaktdaten, wie die Telefonnummer, zu entnehmen ist.

Dem allgemeinen Informationsinteresse ist vor dem Hintergrund des Ausdrucks und der Folge der amtlichen Tätigkeit bereits durch § 5 Abs. 4 IFG ausreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus ist ein über den Einzelfall hinausgehendes allgemeines Informationsinteresse an den Telekommunikationsnummern nicht anzuerkennen. Dem Interesse der Mitarbeiter an einem fürsorglichen Umgang mit deren personenbezogenen Daten und der damit einhergehenden Schutzbedürftigkeit sowie der Arbeitsfähigkeit und dem Interesse Jobcenters an einer ordnungsgemäßen und störungsfreien
Aufgabenwahrnehmung ist im Ergebnis Vorrang gegenüber dem allgemeinen Informationsinteresse einzuräumen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10.09.2007, 2 A 10413/07, Rn. 23).

Bei einer pauschalierten Herausgabe der personenbezogenen Mitarbeiterdaten ist deren Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmtheit gem. Art 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dem allgemeinen Informationsinteresse des Antragsstellers nach dem IFG gegenüber zu stellen. Insoweit müssen im Einzelfall die Rechte eines Antragsstellers nach dem IFG ihre Grenzen dann finden, wenn dem Grundrecht der betroffenen Mitarbeiter Vorrang zu gewähren ist.

Zwar vermag das IFG das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmtheit grundsätzlich einzuschränken, ist jedoch selbst im Lichte dieses Grundrechts auszulegen. Insoweit findet das IFG seine Schranke im Grundrecht selbst.

Entgegen der Auffassung des VG Leipzig mit Urteil vom 10.01.2013 (AZ: 5 K 981/11) ergibt sich dies bereits aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 4 IFG, wenn und soweit es dort heißt: „…- Telekommunikationsnummer von Bearbeitern sind vom Informationszugang nicht ausgeschlossen, soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit sind…“. Nach der hier vertretenen Auffassung lässt sich aus der Verbindung der Herausgabe der Telekommunikationsnummer soweit sie Ausdruck und Folge der amtlichen Tätigkeit ist, ableiten, dass diese immer nur dann herauszugeben ist, wenn sie sich auf einen konkreten Vorgang bezieht (anders z. B. § 9 Abs. 3 InfFrG NRW v. 27,11,2001 und § 6 Abs. 2 Nr. 2 IFG Berlin v. 15.10.1999, jeweils in der bereits zum Zeitpunkt der Verkündung gültige Fassung und damit älter als das erst am 1.1.2006 in Kraft getretene IFG). Anderenfalls
würde die Inbezugnahme einer konkreten amtlichen Tätigkeit mit dem personenbezogenen
Datum (Durchwahlnummer) ins Leere laufen.

Dem trägt das Informationsfreiheitsgesetz und die danach vorzunehmenden Veröffentlichungspflichten insoweit Rechnung, als eine pauschale Veröffentlichungspflicht sich lediglich aus den §§ 1 und 11 IFG ergibt und lediglich unter den engen Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 IFG weitere personenbezogene Daten zu veröffentlichen sind, wodurch dem Recht auf Informationelle Selbstbestimmtheit wiederum Rechnung getragen wird.

Da die ohne Bezug zu einem einzelnen Bearbeitungsvorgang vorgehaltene Bürotelekommunikationsnummer keine amtliche Information im Sinne des § 2 Abs. 1 IFG ist und Organisations- und Aktenpläne gem. § 11 Abs. 2 IFG ausdrücklich ohne personenbezogene Daten allgemein zugänglich zu machen sind, orientiert sich die pauschale Herausgabe der Bürotelekommunikationsnummern der Mitarbeiter an § 5 Abs. 1 und 4 IFG.

Aus der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 4 IFG ergibt sich, dass die aufgeführten personenbezogenen Daten von Amtsträgern, die mit ihrer dienstlichen Tätigkeit zusammenhängen, grundsätzlich nur dann nicht nach § 5 Abs. 1 IFG geschützt sind, wenn die weiteren Voraussetzungen für eine Bekanntmachung aus § 5 Abs. 4 IFG vorliegen, nämlich dass diese Ausdruck und Folge einer konkreten amtlichen Tätigkeit sind.

Die weitere Voraussetzung, das Fehlen von Ausschlusstatbeständen, bringt lediglich zum Ausdruck, dass auch im Falle dessen die begehrte Durchwahlnummer Ausdruck und Folge einer amtlichen Tätigkeit ist, Umstände vorliegen können, die einer Herausgabe entgegen stehen, was dem Recht auf Informationelle Selbstbestimmtheit zusätzlich zur Geltung verhilft und nicht, wie das VG Leipzig annimmt, lediglich ausnahmsweise Bestandteil der Persönlichkeitsrechte des Bearbeiters sind (VG Leipzig vom 10.01.2013 a.a.O.).

Insoweit gewährt § 5 Abs. 1 IFG einen allgemeinen Informationszugang, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung das Interesse des Auskunftsersuchenden gegenüber den Interessen des von der Veröffentlichung der Daten Betroffenen und dessen Recht auf Informationelle Selbstbestimmtheit überwiegt.

Dem Vorrang des Interesses der von der Datenübermittlung betroffenen Mitarbeiter und deren Recht auf Informationelle Selbstbestimmtheit bestätigt auch der weitere Ausnahmetatbestand des § 5 Abs. 3 IFG, wonach lediglich im Rahmen einer konkreten Stellungnahme anlässlich eines konkreten Verfahrens unter anderem die  Bürotelekommunikationsnummer herauszugeben ist. Hieraus wird deutlich, dass immer dann, wenn ein konkreter Bearbeitungsvorgang vorliegt, Anspruch auf Herausgabe der Bürotelekommunikationsnummer besteht, nicht aber, wenn kein konkreter Bearbeitungsvorgang vorliegt.

Insoweit nehmen § 5 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 IFG eine Einschränkung des Grundrechts auf Informationelle Selbstbestimmtheit vor, die ihre Rechtfertigung aus dem Vorliegen eines konkreten Informationsinteresses im Rahmen eines konkreten Bearbeitungsvorganges findet.

Anmerkung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg:

In der Beantwortung einer Kleinen Anfrage ,,Telefonische Erreichbarkeit von Jobcenter-
Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern“, BT-Drs. I 8/637 vom 6.März 2014 hat die Bundesregierung schon in der Vorbemerkung die Erwartung formuliert, dass jedes Jobcenter seine telefonische Erreichbarkeit gewährleistet, um Bürgeranliegen klären oder Termine vereinbaren zu können. Nach Ansicht der Bundesregierung falle es in die lokale Verantwortung jedes einzelnen Jobcenters auf welche Weise die telefonische Erreichbarkeit gewährleistet wird. Die Bundesregierung führt weiterhin aus, dass der Gesetzgeber den Jobcentern dazu keine Vorgaben gemacht hat und es deshalb ein von allen Jobcentern umzusetzendes Konzept für die Telefonie aus diesem Grund nicht gibt.

Das Antwortschreiben verweist darauf, dass in den gemeinsamen Einrichtungen – den in Zusammenarbeit von Arbeitsagentur die Geschäftsführung, ggf. nach Maßgabe der Trägerversammlung, über die konkrete Ausgestaltung der telefonischen Erreichbarkeit entscheidet.

Da das Bezirksamt sowohl den Wunsch von Kundinnen und Kunden des Jobcenters nach einer „niedrigschwelligeren“ Erreichbarkeit des Jobcenters als über das Servicecenter versteht, als auch die Überlegungen im Bereich der Arbeitsagentur Berlin teilt, über die Inanspruchnahme des Servicecenters um eine Fokussierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter auf die Leistungsbearbeitung und die Betreuung der Antragstellerinnen und Antragsteller sicher zu stellen, wird das Bezirksamt ggf. gemeinsam mit der Senatsverwaltung für Arbeit als kommunaler Träger auch weiterhin über die Trägerversammlung versuchen, eine gemeinsame Entscheidung mit dem
Träger Arbeitsagentur zu erreichen, die eine Veröffentlichung der Telefonnummernliste ermöglicht.

Mit freundlichen Grüßen
Knut Mildner- Spindler

 

Friedrichshain-Kreuzberg, den 26.03.2014
Bündnis 90/Die Grünen
Fragesteller: Norbert Kliesch

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