Die Grünen starten eine Kampüagne zur Gleichstellung von Frauen im Erwerbsleben
Obwohl der Grundsatz gleicher Bezahlung für gleichwertige Arbeit Kernbestandteil des EU-Vertrages ist und bereits in den Römischen Verträgen festgeschrieben wurde, herrscht in der Europäischen Union seit Jahrzehnten Lohnungerechtigkeit gegenüber den Frauen. Richtungweisend war die Auslegung des Europäischen Gerichtshofes zu „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ im Sinne von „gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit“. Diese Definition liegt europäischen Rechtsvorschriften seit 1975 zugrunde. Sie untersagt seitdem bei einer als gleichwertig anerkannten Arbeit die Benachteiligung von Frauen im Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile.
Lohnlückenkonservator Nummer eins: Modell Alleinernährer
Dennoch besteht das Lohngefälle am gleichen Arbeitsplatz aufgrund der Klassifizierung und Bewertung von Arbeitsplätzen, den Lohnbildungssystemen und Berufspausen fort. Noch dazu werden Berufe und Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden, häufig geringer geschätzt als solche, die vornehmlich Männer ausüben, ohne dass dies unbedingt aufgrund objektiver Kriterien gerechtfertigt wäre.
Nach der neuen EU-weit vereinheitlichten/harmonisierten Erfassungsmethode der Kommission ist das Lohngefälle zwischen den Mitgliedstaaten direkt vergleichbar. Deutschland gehört demnach mit einem Lohngefälle von 23 Prozent zu den neun Ländern, in denen das Lohngefälle durchschnittlich über 20 Prozent beträgt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 17,4 Prozent. Die Kommission kritisiert die Säumigkeit der Mitgliedstaaten zwar, ergreift aber keine Gegenmaßnahmen. Eine Frauengruppe im Europäischen Parlament, zu der auch ich gehörte, hatte von dieser wiederholten Untätigkeit der Kommission die Nase voll. Daher schlugen wir Eckpunkte für eine europäische Rechtsvorschrift zum Abbau der Lohnungerechtigkeit vor und gewannen dafür die Mehrheit des Parlamentes. Dabei sollen die verschiedenen Arten der Lohndiskriminierung erfasst und die Lohnstrukturen transparent werden. Außerdem schlagen wir vor, Arbeit neu zu bewerten und die berufliche Einstufung nicht allein auf der Basis Dienstjahren vorzunehmen. Gegenüber denjenigen Mitgliedstaaten, die ihre EU-Vertragsverpflichtungen, den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen abzubauen, weiterhin nicht erfüllen, sehen wir wirksame Sanktionen vor.
Eine der Hauptursachen für das Lohngefälle ist in vielen EU Ländern immer noch das dort vorherrschende Familienmodell des Alleinernährers. Frauen gehen dort wesentlich häufiger als Männer einer Teilzeitbeschäftigung nach, in Deutschland sind es bei den Frauen 45,8 Prozent gegenüber 9,4 Prozent der Männer. In der Konsequenz sind Frauen viel häufiger von Altersarmut betroffen. Rechnet man jedoch unbezahlte Arbeitsstunden für Kinderbetreuung, Hausarbeit und Pflege von Familienangehörigen mit ein, kommen Frauen im Schnitt selbst bei einer Teilzeitbeschäftigung auf eine deutlich längere Arbeitswoche als Männer. Aus diesem Grund müssen die Mitgliedstaaten unbedingt in Kinderbetreuungsplätze und Ganztagsschulen investieren. Gleichzeitig dürfen die Lasten für Übergangszeiten nicht zu einem individuellen sozialen Risiko werden, sondern müssen auch Teil der Sicherungssysteme sein. Wenn das Parlament über die Zusammensetzung der neuen Kommission abstimmt, werde ich meine Stimme nur einer Kommission geben, die sich diesen Richtlinienentwurf zu Eigen macht.
Elisabeth Schroedter, Mitglied des Europaparlaments