SA/132/IV

 

Schriftliche Anfrage

 

Ihre schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

1) Wie viele Obdachlose wurden in den letzten 4 Jahren auf Grund von Platzmangel in Pensionen/Hostels oder anderen touristischen Etablissements untergebracht? Bitte für die einzelnen Jahre getrennt angeben.

Da der Bezirk über keine bezirkseigenen Obdachlosenheime verfügt, müssen alle Wohnungslosen stadtweit in gewerblichen Pensionen/Hotels/Wohnheimen – zentral verwaltet in der BUL (Berliner Unterbringungsleitstelle) – untergebracht werden. Exakte statistische Zahlen existieren seit Einführung SGB II nicht. Unterbringungszahlen könnten ggf. quantitativ über die BULDatenbank abgefragt werden.

Das Bezirksamt hat zuletzt mehrmals u.a. in der Beantwortung einer mündlichen Anfrage darauf hingewiesen, dass aufgrund fehlender bzw. knapper Unterbringungsangebote über die BUL Wohnungslose einen Gutschein, einzulösen in Hostels oder Pensionen, erhalten haben. Diese „Lösung“ wird erst seit 2012 gewählt. Dies geschah in ca. 20 Fällen.

2)Welche (Mehr-)Kosten entstehen dem Bezirk durch eine solche Unterbringung?

Die Tagessätze für eine Unterbringung liegen zwischen ca. 11,- und 67,-€ pro Person/Tag je nach Problemlage (letzteres ist z.B. eine behindertengerechte Unterkunft). In der Regel liegt ein Tagessatz bei 16-17€. Gutscheine werden für bis zu 25€/Tag ausgegeben.

3)Zeichnet sich hierbei eine bestimmte Entwicklung ab und wie bewertet das Bezirksamt diese?

Es ist erkennbar, das immer mehr Menschen von drohender Wohnungslosigkeit betroffen sind, weil
– Wohnungen im Angemessenheitsbereich der WAV insbesondere in der Innenstadt fehlen

– bei der Absenkung der übernommenen KdU das Mietschuldenrisiko zunimmt

– Vermieter weniger verhandlungsbereit bei entstandenen Mietschulden sind, da jede Neuvermietung die Chance birgt, die Mieteinnahmen zu erhöhen
Die Aufenthalte in Unterbringungsformen steigen auch, weil adäquate Versorgungs- /Anschlusshilfen für psychisch und/oder suchtkranke Menschen fehlen und preiswerter Wohnraum auf dem angespannten Wohnungsmarkt knapp ist.

4)Hat sich generell die Klientel der Wohnungssuchenden in den letzten Jahren geändert und wenn ja, inwiefern und welche Schritte sieht das Bezirksamt als notwendig an, um darauf zu reagieren?

Ja, unter den von Wohnungslosigkeit Betroffenen oder Bedrohten sind heute deutlich mehr psychisch und/oder suchtkranke Menschen, mehr Familien, mehr Menschen mit Migrationhintergrund und mehr Menschen, die einen Langzeitunterstützungsbedarf für niedrig schwellige Angebote haben.

5)Wie viele Wohnungen bzw. andere Unterbringungsmöglichkeiten befinden sich momentan im geschützten Marktsegment und wo befinden sich diese? Bitte tabellarisch angeben. Das geschützte Marktsegment ist ein Angebot der Wohnungsvermittlung für Menschen mit einem besonders dringlichen Wohnbedarf, für Menschen, die kurz vor der Räumung stehen bzw. wohnungslos sind.

Berechtigt sind Personen,

– die sich auf dem Wohnungsmarkt (bei drohender Wohnungslosigkeit) nicht ohne fremde Hilfe mit Wohnraum versorgen können;

– denen eine Wohnung mit sozialhilferechtlichen Möglichkeiten nicht erhalten bleiben konnte;

– die aus ambulanten, stationären oder betreuten Einrichtungen oder aus der Haft entlassen werden und denen deshalb Wohnungslosigkeit droht
oder

– die durch das Land Berlin in Notunterkünfte eingewiesen wurden, beziehungsweise einen Unterbringungsanspruch haben und länger als ein Jahr in Berlin leben Die Wohnungen des geschützten Marktsegments sind kein besonderer Wohnungsbestand an sich sondern Wohnungen aus dem normalen Bestand der WBG, also in ganz Berlin, allerdings selten in Friedrichshain-Kreuzberg.

Ein Vertrag von 2003 regelt, dass die Wohnungsunternehmen sich verpflichten, jährlich

– 1.350 Wohnungen, davon

– 1.100 Wohnungen an Einpersonenhaushalte,

– 250 Wohnungen an Zwei- und Mehrpersonenhaushalte gemäß eigener Entscheidung an die ZeKo beim Landesamt für Gesundheit und Soziales als
frei, d.h. vermietbar entsprechend den Regeln des geschützten Marktsegments zu melden. Diese Quote wird nicht eingehalten.

6)Wie viele Anträge auf eine Wohnung im geschützten Marktsegment sind in den letzten vier Jahren eingegangen? Wie viele davon sind positiv bzw. negativ beschieden worden? Bitte für die einzelnen Jahre getrennt angeben.

Von 2009 bis 2012 wurden 581 Anträge auf Aufnahme ins geschützte Marktsegment bearbeitet. Bescheide werden nicht erteilt, da es keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme ins Marktsegment gibt. Ablehnungen werden von der zuständigen Gruppenleiterin entschieden und kommuniziert. Entscheidend ist, dass die Zugangsvoraussetzungen zutreffen und die sozialpädagogische
Prognose zum zukünftigen nachhaltigen Wohnungserhalt positiv gesehen wird.

In den meistens Fällen führen gestellte Anträge auch zu einer Aufnahme ins Marktsegment, da bereits im Vorfeld hinsichtlich der Zugehörigkeit zum Personenkreis bzw. der Zugangsbedingungen in der Sozialen Wohnhilfe beraten wird.

7)Welche Gründe führten im Allgemeinen zu einem negativen Bescheid?

Es führt zu einer Ablehnung der Aufnahme ins geschützte Marktsegment, wenn Zugangsvoraussetzungen nicht gegeben sind. Zugangsberechtigt sind Menschen, die:

unmittelbar und unabwendbar von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen (A-Berechtigte) oder bereits längere Zeit wohnungslos und über die Soziale Wohnhilfe in Unterkünften der Wohnungslosenhilfe (ASOG) untergebracht sind (B-Berechtigte) und

– diese Menschen mindestens seit 1 Jahr ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin haben

– die eigene Wohnungssuche nachweislich bislang erfolglos geblieben ist (z.B. wegen Verschuldung)

– die sozialpädagogische Prognose zum zukünftigen nachhaltigen Wohnungserhalt muss positiv ist

– ein Einverständnis der Direktanweisung der Miete, Kaution, etc. des zuständigen Leistungsträgers an den Vermieter vorliegt.

8)Inwieweit beurteilt das Bezirksamt die verfügbaren Wohnungen im geschützten Marktsegment als ausreichend bzw. welche Auslastung gab es in den letzten Jahren? Gibt es hierbei eine bestimmte Entwicklung?

Die Quote der von den WBG im Kooperationsvertrag mit der ZeKo ausgehandelten Wohnungen ist zu niedrig und bedarf dringend einer Anpassung an die derzeitige Wohnungsnotlage im Land Berlin. Zugleich wird die Quote regelmäßig nicht eingehalten.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 30.07.2013
Bündnis 90/Die Grünen
Fragesteller*in: Jonas Schemmel