DS/2096/III

Mündliche Anfrage

Ich frage das Bezirksamt:

1. Wie viele Anfragen von Betroffenen hat das Bezirksamt in der Sache Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen in Kreuzberger Milieuschutzgebieten aktuell zu bearbeiten und in welchen Gebieten liegen diese Häuser bzw. Blöcke?

2. Welche Erfahrung hat das Bezirksamt mit den EigentümerInnen der Gebäude gemacht, wenn es zu Vermittlungsgesprächen kam und welche Schlussfolgerung lässt sich daraus für die weitere Entwicklung ziehen?

3. Welche Möglichkeiten hat der Bezirk von Eigenbedarfskündigungen , betroffenen MieterInnen zu helfen, die dadurch aus ihren Wohnungen gedrängt werden?

Zusatzfrage:

4. Welchen Stellenwert hat dabei das Instrument des Milieuschutzes in der heutigen Zeit noch?

Herr Dr. Schulz

Zu Ihrer Frage 1: Es gibt vielleicht ein Dutzend bis zwei Dutzend von Mieterinnen und Mieter, die sich direkt mit diesem Sachverhalt an das Bezirksamt gewendet haben. Ich glaube, das ist so ein Stück weit die Spitze des Eisbergs, weil viele Mieter und Mieterinnen indirekt darauf reagieren, was in ihren Häusern passiert und dann beispielsweise die Wohnungsaufsicht ansprechen, um aufmerksam zu machen, dass dort Wohnungsmängel sind, der neue Eigentümer darauf nicht reagiert, möglicherweise bewusst das verschleppt die Mängelbeseitigung und ähnliches. All das, was dann den Alltag der Mieter dort schwer macht in der Auseinandersetzung mit den dortigen Neuvermietern.

Die Verteilung ist eigentlich über alle Milieuschutzgebiete relativ gut verteilt. Wir haben eine gewisse Konzentration bei Bergmannstraße Nord und Chamissoplatz. Das mag daran hängen, der Blick in den Monitoring soziale Stadt 2010 gibt ja auch einen klaren Hinweis darauf, gelten als attraktive Gebiete und wenn ein Immobilienfonds Wohnungsbestände kaufen will, dann interessiert ihn weniger jetzt, in schlechter Wohnlage Immobilien zu kaufen, sondern Immobilien in Wohnlagen, wo sie wissen, wenn sie die Mieter rausgekantet haben, dann können sie neue Mieter finden, die dann auch 7, 8 EUR + X netto kalt pro Quadratmeter bezahlen.

Das tut man vielleicht nicht unbedingt irgendwo in der Ecke, irgendwo in SO36, aber natürlich am Chamissoplatz, das besonders attraktive Gebiet, das auch schon seit langem viel Besitz- und Bildungsbürgertum anzieht. Also letztendlich so ein Stück Verteilung auf alle Milieuschutzgebiete, aber mit einer gewissen Konzentration in den Milieuschutzgebieten, wo eine attraktive Wohnlage von den Bewohnern und von den Fonds vor allem gesehen wird.

Zu Ihrer Frage 2:

Wir haben noch nicht so viele Erfahrungen gemacht mit Eigentümern, weil die naturgemäß jetzt nicht unbedingt den Kontakt oder den Dialog mit dem Bezirksamt suchen, zumal sie ja auch sich in einem Rechtskreis bewegen, wo weder etwas anzeigepflichtig noch genehmigungspflichtig ist und wir deshalb ja auch auf die Information der Mieterinnen und Mieter angewiesen sind, dass dort, wenn Veränderungen, bauliche Veränderungen oder ähnliches gemacht wird, eine milieuschutzrechtliche Sondergenehmigung erforderlich ist und deswegen diese Information, dass in diesem Haus etwas erfolgt, dann auch an die Milieuschutzgruppe hier im Bezirksamt ankommt.

Wenn der Eigentümer das nicht tut und die Mieter das nicht tun, erfahren wir das schlicht nicht. All diese Maßnahmen sind ja, ich wiederhole das immer wieder. Damals, 2005 mit der sogenannten Modernisierung und Beschleunigung der Bauordnung Berlin, ja, als genehmigungspflichtige Tatbestände aus der Bauordnung Berlin herausgeflogen.

Wenn ich so die letzten vielen Jahren vorbeiziehen lasse und diese Sachverhalte mir anschaue, dann kann ich mich an keine einzige Situation erinnern, wo es dann im Rahmen von Gesprächen zu einem Konsens gekommen ist. Es sind nur dort erfolgreiche Ergebnisse erzielt worden, wo am Ende erzwungen werden konnte oder überzeugt werden konnte die Eigentümer, dass sie in Verkaufsüberlegung eintraten, nämlich in Verkauf des Gebäudes gegenüber den Mietern. Da gibt es einige Erfolgsmeldungen aus SO36 und einigen anderen Bereichen und auch aktuell gibt es einen größeren Wohnungskomplex hier in der Nähe, wo wir in diese Richtung mit Eigentümern und den Mietern und Mieterinnen diskutieren und die sich so ein bisschen angelehnt an Möckernkiez eine Genossenschaft bilden wollen und dann den Gebäudekomplex, es ist nicht nur ein Gebäude, erwerben möchte.

Ist natürlich dann ein viel komplizierterer Prozess, der viel tiefgehender, dann Gespräche, Verhandlung, Vertiefung erforderlich macht, als nur eine Auseinandersetzung, dass der Vermieter und zu den Mietern im vernünftigen Dialog tritt und denen auch eine Perspektive als Mieter in dem Haus gibt.

Zu Ihrer Frage 3:

Zu der Frage mit den Eigenbedarfskündigungen habe ich glaube ich sehr deutlich gemacht. Dazu müsste eine Rechtsverordnung gemacht werden Berlins, um die Umwandlung auszuschließen. Fünf Jahre wäre das möglich, das wäre ein Weg. Der wäre sehr konsequent und radikal, fände ich angemessen der gegenwärtigen wohnungs- und sozialpolitischen Situation.

Die zweite Möglichkeit wäre, das, was bei der Senatorin für Stadtentwicklung schon vorliegt, nämlich das Anliegen dieser siebenjährigen Frist der Aussetzung oder Sperrfrist gegenüber Eigenbedarfskündigung zu verlängern und sie dabei noch von sieben Jahre auf zehn Jahre zu strecken, was zumindest ein wichtiges Instrument wäre, auch wenn es jetzt nicht sozusagen fundamental das Problem lösen würde. Und dann müsste aus meiner Sicht und das ist dann, geht nur über eine Bundesratsinitiative Berlins, Berlin sich darum kümmert, wie man dieses Schlupfloch des Bürgerlichen Gesetzbuches ohne Aufteilung eines Gebäudes in Eigentumswohnung man einfach die normale Eigenbedarfskündigung zieht und damit die Mieter auch rauskanten kann.

Also das ist noch ein Schlupfloch glaube ich. Das sollte in den vergangenen Jahren eigentlich keine Rolle gespielt hat, aber zunehmend jetzt doch eine Rolle zu spielen beginnt, nachdem für viele Erwerber erkennbar ist, das ist der einfachste Weg, den man überhaupt nur wählen kann und zeigt natürlich die gleichen Erfolge.

Zu Frage 4:

I nsoweit, und damit komme ich auch auf Ihre Zusatzfrage, ist es absolut wichtig, dass sich die Mieter zusammentun, zusammenschließen auch mit Mieterverein oder Mietergemeinschaft, den Kontakt auch zu mir aufnehmen. Ich habe auch in der Vergangenheit mich immer wieder auch dafür eingesetzt, auch bei den Eigentümern mit dem Versuch, dort auch Eindruck zu machen, dass die Eigentümer in Kooperation, in Gesprächen mit den Mietern geraten, aber wie erwähnt, man kann nicht vorabsehen, ob dem ein Erfolg beschieden ist.

Sie fragen letztendlich mit der Zusatzfrage auch, welchen Stellenwert das Instrument der Milieuschutzsatzung hat? Ich sagte das auch schon auf der Einwohnerfrage, wir verschließen damit die Strategie eines Spekulanten über Luxusmodernisierung ebenfalls die Mieter rauszukanten und gleichzeitig eine Aufwertung des Gebiets zu machen. Mehr nicht. Aber das ist immerhin auch ein wichtiger Weg, den viele Investoren nehmen würden wenn sie könnten, zumindest in den Gebieten, die als attraktive Wohngegend angesehen werden.

Frau Kätzel

Ja, da wir ja auch Betroffene hier haben, noch mal ganz konkret nachgefragt: In welcher Weise kann das Bezirksamt Mieterinnen und Mieter unterstützen? Also wir haben verstanden, dass sie sich zusammenschließen sollen. Gibt es da ganz konkret auch Hinweise, die wir jetzt hier weitergeben können?

Herr Dr. Schulz

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Vorsteher, Frau Kätzel, ich habe schon mit einem Vertreter hier gesprochen. Es ist ja heute noch mal ein Schreiben darüber gekommen mit der Anregung, sich zusammenzusetzen. Das finde ich einen guten Vorschlag. Das sollten wir auch nicht einzeln machen, also jedes Haus einzeln, das würde auch so ein bisschen meine Kapazitäten und Ressourcen überfordern. Wäre auch in der Sache falsch, weil ich glaube, wir über ein sehr generelles Problem sprechen, das bis auf so bestimmte Detailunterschiede in den einzelnen Häusern eine Strukturproblematik, das ist ja alles Strukturproblematik unseres Bezirksspiegels. Aus dem Grunde ist mein Vorschlag gewesen, dass sie einen Termin bekommen werden und wir werden uns zusammensetzen und versuchen, dann noch einmal aktiv zu werden gegenüber den Vermietern, also Gesprächskontakt herzustellen.

Dabei versuchen, das, was sozusagen das Alltagsleben dort ausmacht, erträglicher zu machen. Auch versuchen, über deren Zielsetzung zu reden, ob man nicht hier dann auch wieder langfristige Verbleibperspektiven für die Mieter erzielen kann und natürlich auch versuchen, darüber ein Stück Druck zu machen. Und je mehr Leute sich dafür stark machen, je mehr auch die Presse positiv darüber berichtet, umso mehr Chancen gibt es dann natürlich auch mit diesem Druck bei den Eigentümern, dann entsprechende Zugeständnisse oder Kompromisse zu erreichen.

Herr Dr. Römer

Sehr verehrter Herr Vorsteher, meine Damen und Herren, Herr Dr. Schulz, Sie haben ja über dieses Thema Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnung schon mehrfach debattiert. In der Beantwortung der hier vorliegenden mündlichen Anfrage kam mir ein Aspekt ein bisschen zu kurz und deswegen möchte ich gerne nachfragen, weil aus der Sicht auch des Verwaltungshandels natürlich die Tatsache, dass Abgeschlossenheitsbescheinigungen für … Bitte?

Ja, dass Abgeschlossenheitsbescheinigung für die Umnutzung von Miet- in Eigentumswohnung beantragt werden müssen beim Bezirksamt, natürlich auch ein Indiz für diese beabsichtigte Umwandlung sind. Stimmen Sie mir da zu und gibt es dazu Zahlen, zum Beispiel über die Entwicklung in den letzten Jahren?

Herr Dr. Schulz

Wollen wir bei dem wichtigen Thema ja nachsehen. Meine Damen und Herren, Herr Vorsteher. Zuerst einmal ist das richtig. Die Abgeschlossenheitsbescheinigung ist sozusagen Phase 1. Danach weiß man nicht, ob es tatsächlich zu einer Umwandlung kommt. Dazu muss dann die Grundbucheintragung mit der Realteilung erfolgen. Unser Eindruck ist, dass viele Abgeschlossenheitsbescheinigungen, insbesondere in der Vergangenheit auf Halde beantragt worden sind, auch mit Blick dann auf spekulative Weiterverkäufe.

Wir können mit einer Auswertung zwar jetzt nicht Umwandlungen feststellen, aber wir können erheben die Anzahl der beantragten Abgeschlossenheitsbescheinigungen. Vielleicht aber noch mal eine Bemerkung, weil das ja auch immer wieder diskutiert wird. Man hat ja auch erst mal einen faszinierenden Ansatz, ob man nicht über sagen wir mal etwas restriktivere Genehmigung von Abgeschlossenheitsbescheinigungen da etwas machen kann. Da muss ich allerdings einen Wermutstropfen geben.

Also das Bundesrecht hat die Anforderung, die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung so tief gesenkt, dass im Grunde nur die Wohnungen keine Bescheinigung bekommen können und dürfen, die im Grunde eine abgehängte Wohnung mit irgendeinem Hühnerausgang und brandschutztechnisch nicht wirklich abgeschlossen zum Treppenhaus existiert. Also eigentlich eher, was ein atypischer Ausnahmefall. Alle anderen Fälle, die den Normalfall darstellen, ist es praktisch eine routinemäßige Erteilung, die wir machen müssen aufgrund der bautechnischen Voraussetzungen.

Friedrichshain-Kreuzberg, den 26,01.11

Bündnis 90/Die Grünen

Fragestellerin: Ute Kätzel