DS/2357/IV Mündliche Anfrage
I
Ich frage das Bezirksamt:
1. Seit wann und warum fordert die Bürgermeisterin welche Polizeistrategie im Bezirk?
2. Wie war die Reaktion von Innensenator und Polizei auf die unter 1) genannten Forderungen?
3. Welche Angleichung gibt es mittlerweile zwischen den Polizeistrategien des Landes und
den langjährigen Forderungen des Bezirks?
Nachfragen:
1. Gibt es auch Forderungen zu mehr Personal an den U-Bahnhöfen und S-Bahnsteigen?
2. Was/Welche neue Qualität der Situation macht den Einsatz von Polizei aus der Sicht des Bezirksamts gegenüber früheren Situationen in einigen Bereichen des Bezirks mittlerweile notwendig?
Beantwortung: Frau Herrmann
zu Frage 1:
Eigentlich müsste ich sagen, es steht uns nicht zu, uns einzumischen, weil der Bezirk
keinerlei Kompetenzen bei Polizeifragen hat. Allerdings ist die Situation in den letzten Jahren in Friedrichshain-Kreuzberg doch so deutlich, dass sich das Bezirksamt sehr wohl in Polizeistrategien einmischen muss insoweit, dass wir seit ich in meiner Person, seit Übernahme des Amtes, eine Einsatz- und Kräfteplanung der Polizei, die der Sicherheits- und Kriminalitätsentwicklung in den jeweiligen Teilräumen des Bezirks angemessen ist, einfordere.
Das hört sich irgendwie ganz normal an, dass die Polizei das tut, allerdings in unserem Bezirk müssen wir die Erfahrungen machen, tun sie es nicht.
Wir wollen an dieser Stelle jetzt nicht jedes einzelne Gespräch aufführen, was wir in den letzten drei Jahren, wir heißt besonders intensiv ich als Bezirksbürgermeisterin, der stellvertretende Bezirksbürgermeister im Rahmen der Verantwortung für das Ordnungsamt, aber auch der Stadtrat, der zuständig ist für die gesamten Grünanlagen und ebenfalls der Sozialstadtrat, gerade, was beim Kotti, was das Kotti betrifft, ebenfalls involviert ist. Also Sie sehen, das Bezirksamt hat viele, viele, viele Gespräche geführt, ich fasse es aber zusammen.
Wir haben immer wieder unsere Erwartung formuliert, dass die Aspekte der Sicherheit oberste Priorität haben, weil wir feststellen sowohl in Friedrichshain als auch in Kreuzberg, dass wir bestimmte Hotspots haben, ich nenne die Revaler Straße, ich nenne das Kottbusser Tor, ich nenne den Görlitzer Park, aber auch vor allen Dingen den Görlitzer Bahnhof, Warschauer Brücke gehört zur Revaler Straße, RAW-Gelände dazu, dass wir dort Hotspots haben, wo es nicht mehr darum geht, dass ein paar Jugendliche mal eine Tasche klauen, sondern wir haben hier eine sehr durchorganisierte Kriminalität.
Ich bin damit jetzt auch schon mehrfach zitiert worden. Komischerweise hat das Überraschungen ausgelöst, wenn ich sage, wir haben da eine organisierte Kriminalität. Mir
ist nicht ganz klar, warum das eine Überraschung ist, dass ich das sage, weil wenn wir am Kotti soweit sind, dass es hier u.a. angeblich das Rockermilieu sein soll, was sich darum streitet, wer jetzt welche Drogen da verkauft, wer welche Gebiete hat, dann kann man das eben schon als mafiöse Kriminalität beschreiben.
Es gibt ebenfalls einen Film, der vor ein paar Wochen auch im RBB gelaufen ist. Da geht es um die organisierten Taschendiebstähle, dieses berühmte Antanzen, das haben Sie auch schon mitbekommen, auch diese sind nicht ein paar verstrahlte Kids, die ein bisschen Blödsinn machen, sondern auch dieses sind hochorganisierte Strukturen, die da zuschlagen oder die Gruppen, die da zuschlagen, wo Touristinnen und Touristen sind. Das heißt also, es beschränkt sich auch nicht auf den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, sondern wir haben auch andere Orte in Berlin, die vergleichbar belastet sind, aber wir reden jetzt hier von unserem Bezirk. Auch dieses ist organisiert und auch hier muss man es auch so deutlich sagen.
Denn nur, wenn dieses auch akzeptiert wird, dass es das ist, dann glaube ich muss man mit unserem Bezirksamt nicht mehr darüber diskutieren, ob wir mal einen Sozialarbeiter vorbeischicken. Und das ist etwas, was mich schon sehr irritiert in den letzten Wochen und Monaten. Das Ordnungsamt soll doch mal, das Ordnungsamt ist nicht für Kriminalitätsbekämpfung zuständig, und dann soll doch mal ein Sozialarbeiter kommen, der am Kotti mit den Dealern und den anderen Kriminellen auf dem Platz mal spricht, um mal zu gucken, ob man das Ganze nicht vielleicht verändern kann. Und ich glaube, wer so spricht und wer das von uns als die Maßnahme verlangt, hat keine Ahnung letztendlich, was da tatsächlich passiert.
Man muss also tatsächlich respektieren oder akzeptieren, welche Strukturen wir da haben. Und man muss angemessen reagieren und ich sage noch mal, es ist kein Wahlkampfschlager, liebe Kollegen und Kolleginnen, sondern das hören Sie und das können Sie auch nachlesen, mehrfach von mir seit drei Jahren, dass ich erwarte, dass der Innensenator und der Polizeipräsident in Friedrichshain-Kreuzberg genau diese Strukturen ernstnehmen. Und allein mir fehlt der Glaube, wenn ich mir die Strategie der Polizei in den letzten Jahren tatsächlich anschaue.
Die Razzien, die wir hier mehrfach besprochen haben, mit Razzien zu reagieren heißt nicht, dass wir sagen nö, das sollen die mal nicht machen, sondern das, was wir sagen, ist, sie sollen angemessen reagieren. Das heißt, wenn wir jetzt seit drei Jahren an den verschiedenen Punkten und Hotspots zur Kenntnis nehmen müssen, dass reine Razzien nicht ausreichen, dann kann es doch …, also es ist mir völlig unverständlich, wieso man da nicht sagt, okay, es funktioniert nicht, wir müssen uns was anderes ausdenken. Wir müssen anders handeln. Anstatt immer und immer und immer wieder das Gleiche zu wiederholen, wo wir tagtäglich wissen, es funktioniert nicht.
Die Folge von dieser Ignoranz ist, dass es sich verschlimmert hat. Und dann kann ich nur sagen: Danke für nichts.
Die berühmte mobile Wache, Sie erinnern sich, das habe ich hier auch schon mehrfach gesagt, wird uns abgelehnt an den verschiedenen Punkten mit der Begründung, dass die sogenannte mobile Wache, ich erzähle Ihnen gleich, wie die am Alexanderplatz aussieht, dass diese mobile Wache auf dem Alexanderplatz vor allem die Erfahrung macht, dass die Beamtinnen und Beamten, die dort drin im Auto sitzen, in erster Linie nach dem Weg zu irgendeiner Sehenswürdigkeit gefragt werden oder wie sie von A nach B mit der S-Bahn kommen.
Wenn das so wäre, das ist der Grund, warum sie sagen, das wollen sie bei uns nicht machen, weil es bringt nichts. Wenn es so wäre, glaube ich nicht, dass jetzt die Bundespolizei am Alexanderplatz eingesetzt wird, um dort für Sicherheit zu sorgen, weil die Berliner Polizei es einfach nicht mehr schafft.
Die mobile Wache stelle ich mir anders vor als es steht da mal eine Wanne und da sitzen Beamtinnen und Beamte drin, sondern das, was wir sowohl vom Kotti, aber auch von der Revaler Straße immer wieder gehört haben von den Bürgerinnen und Bürgern ist: Es ist ja niemand zu sehen, wo ist denn die Polizei, wen kann ich denn mal ansprechen, wenn was ist? Hier ist keiner, der guckt. Und das verstehe ich unter mobilem Einsatz. Das heißt also ansprechbare Polizei vor Ort, die nicht im Auto sitzt, wenn sie denn überhaupt da ist, sondern die draußen ist. Nennen wir das mal …, früher haben wir das den ontaktbereichsbeamten genannt.
Ich glaube, wir sind jetzt in einer Phase, wo wir das ehrlicherweise eher als Streifen bezeichnen müssen und beim Kotti habe ich das letztens auch noch mal wiederholt, dass ich gesagt habe, ich möchte da gerne 24 Stunden zwei Teams haben in Uniform.
Nach dem furchtbaren Mord, der am Kotti passiert ist, war ich zwei Nächte unterwegs am Kotti und habe geschaut, wo ist die Polizei und ich frage Sie, was muss eigentlich noch passieren, dass die da sind? Es war niemand zu sehen.
Der mobile Einsatz der Polizei am Kotti reduziert sich auf zwei bis drei Wannen, die unter der Hochbahn stehen.
Herr Honnens:
Oder auf dem Radweg.
zu Frage 1:
Na gut, das weiß Peter dann entsprechend zu ahnden. Die stehen unter der Hochbahn.
Wer sich am Kotti auskennt, weiß, wenn auf dem gegenüberliegenden Platz, das passiert,
was da passiert, kriegen die so gut wie gar nicht mit und eh die drüben sind, ist es vorbei. Also was ist das für ein Sinn?
Die Abschnittsleiterin, mit der wir auch verschiedene Runden gemacht haben, auch hier extra noch mal ein Workshop zum Kotti, aber auch viele Begehungen im Rahmen unserer Aufgaben, die sieht das auch und sagt, jawohl, wir müssen vor Ort präsent sein. Und nach dem Workshop war sie glaube ich, ich glaube keine Woche, war sie tatsächlich direkt auf dem Platz. Danach ist das wieder von der Polizeispitze und von der Innenverwaltung reduziert worden und sie haben sich unter die Hochbahn gestellt.
Der Bezirk selber ist jetzt nicht nur im Forderungskatalog, sondern hat verschiedene Veränderungen sowohl auf dem RAW-Gelände gemeinsam mit dem neuen Besitzer und der Polizei, wir haben da verschiedene Begehungen gemacht, das hat vor allem Herr Panhoff gemacht. Es gab verschiedene Begehungen, was Lichtverhältnisse etc. betrifft, es gab verschiedene Treffen auch mit der Clubkommission zusammen, was Sicherheitsdienste betrifft und es gab verschiedene Treffen, was das Thema Polizeieinsatz auf dem RAW-Gelände betrifft.
Es gab ebenso mit der Deutschen Bahn ein Sicherheitstreffen, was die Warschauer Straße betrifft. Warum Deutsche Bahn? Weil die Brücke Warschauer …, also da sozusagen im Besitz der Deutschen Bahn ist, wo u.a. eben auch da sozusagen Absprachen getroffen worden sind oder werden sollten, auch was einen verstärkten Polizeieinsatz betrifft.
Wir haben im Görlitzer Park, das hat ja ganz viel Unruhe gegeben, da hat Herr Panhoff eine Begehung gemacht mit …, ich sage immer die Polizeiarchitektin, das ist eine Fachfrau bei der Polizei, die berät darin, wie man Angst, sogenannte Angsträume, so nennt sich das heutzutage, beseitigen kann, wie man Sichtachsen herstellt und vor allen Dingen auch das Licht verbessert. Das Bezirksamt hat darauf reagiert, wie gesagt, das haben wir hier ja auch diskutiert, ob da jetzt noch eine Mauer zugemacht wird und ob da jetzt ein Baum beschnitten wird oder ein Strauch, war ja auch heißes Thema da unten im Kiez. Das war ein Ergebnis einer gemeinsamen Begehung mit der Polizei und besagter Architektin.
Es gab einen Sondertermin zum Thema Görlitzer Bahnhof. Da hat Herr Beckers auch öfter die Polizei angemahnt, dort tätig zu werden, weil, wenn sie die Treppe runterkommen, laufen sie sozusagen Spalier rein, was den Verkauf von Drogen betrifft. Auch dort hat es verschiedene Diskussionen und Gespräche gegeben. Und jetzt komme ich zur BVG, unter Einbeziehung der BVG mit dem Hinweis, dass sowohl die BVG stärker das Sicherheitspersonal einsetzen sollte, das ist ja auch gekürzt worden in der letzten Wahlperiode und eben auch, was kann man eigentlich tun, um diese Enge am Görlitzer Bahnhof letztendlich aufzubrechen, weil man sonst auch überhaupt keinen anderen Weg finden kann.
Auch dort gab es verschiedene Gespräche und auch Veränderungen. Wir haben andererseits ein Gebiet, das ist die Rigaer Straße, und ich erwähne sie an dieser Stelle,
weil das Hauptargument der Senatsinnenverwaltung und der Polizeispitze und ich möchte an der Stelle noch mal sehr deutlich sagen, es geht mir nicht darum, den einzelnen Beamten oder die einzelne Beamtin für das verantwortlich zu machen, was hier bei uns im Bezirk letztendlich von der Spitze des Hauses verbockt wird, weil die bekommen die Order und setzen es denn um.
Also wenn ich meine Kritik äußere, dann richtet sie sich einzig und allein an die Leitung des Hauses, d.h. die Direktionsleitung, den Polizeipräsidenten und den Innensenator.
In der Rigaer Straße haben wir über Monate, es ist ja ein bisschen verkürzt worden auf drei Wochen, das ist aber gar nicht wahr, es ging über Monate, einen wahnsinnig intensiven Polizeieinsatz gehabt. Und an der Stelle ging es nicht um Razzien. Razzien übrigens kosten Mann-Stunden, so nennen die das, haben wir ja hier auch schon diskutiert, in Größenordnungen.
In der Rigaer Straße wurden, das macht übrigens Herr Kandt ganz gerne, das ist nämlich das dritte Gebiet, was abgeriegelt worden ist, ich erinnere an die Reichenberger Straße 9 Tage komplett abgeriegelt. Ich erinnere an die Gürtelstraße, die auch ich glaube mindestens eine Woche abgeriegelt war, in der Rigaer Straße über Monate anlasslose Personalkontrollen, Taschenkontrollen. Das hat …, da war es kein Thema was Personaleinsatz betrifft.
Das, was dort letztendlich an Personal eingesetzt worden ist und nicht im Rahmen einer Razzia, hätten wir gut und gerne in der Revaler Straße und am Kotti gebrauchen können.
Und deswegen muss sich natürlich der Innensenator gefallen lassen, dass wir diesen Einsatz in der Rigaer Straße politisch motiviert bezeichnen. Das habe ich hier schon gesagt, es geht nicht darum, zu ignorieren oder kleinzureden, da, wo Kriminalität stattfindet.
Das haben Sie von Grünen bisher auch nicht anders gehört. Da, wo Kriminalität stattfindet, ist Kriminalität zu bekämpfen. Diejenigen, die für die Kriminalitätsbekämpfung zuständig sind, ist die Polizei. Und das ist angemessen
und anlassbezogen, was ich damit meine. Und ich hoffe, dass sich das unter einem eventuellen neuen Innensenator oder einer eventuellen neuen Innensenatorin deutlich verändern wird und dass die Senatsinnenverwaltung mit der entsprechenden politischen Leitung Sicherheit in Friedrichshain-Kreuzberg genauso ernst nimmt, wie in allen anderen Bezirken auch und uns nicht unterstellt sozusagen, wir wollen das nicht, weil das sagen ganz gerne die Kolleginnen und Kollegen im Einsatz vor Ort.
Das Bezirksamt und die Bezirksbürgermeisterin wollen diese Zustände und deswegen dürfen wir die Einsätze nicht machen wie es sinnvoll ist, weil die Kollegen wissen nämlich, wie es sinnvoll ist, sondern das ist politisch gewollt im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, dass die Einsätze so gefahren werden, dass sie auch gar nichts nützen. Und an der Stelle will ich das hier noch mal sehr deutlich sagen.
Das sind Lügen. Das ist Hetze. Das gilt für das gesamte Kollegium, Bezirksamt und ich weiß, es gilt auch für die Mehrheit der BVV. Da, wo Sicherheit sein muss, muss Sicherheit sein und da erwarten wir auch die Polizei. Dankeschön.
Herr Hehmke:
Unabhängig davon, dass Sie recht haben mit all den Ausführungen, die Sie gerade
gemacht haben, werden Sie sich dann zumindest in der nächsten Wahlperiode dafür einsetzen, dass aus Ihrer Fraktion und Partei Polizistinnen und Polizisten als solche bezeichnet werden und nicht wieder als Bullen?
zu Nachfrage 1:
Ich spreche jetzt mal privat und persönlich für mich, aber für Kollegen werden ich
hier nicht sprechen, dass müssen die schon selber entscheiden.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 14.09.2016
Bündnis 90/Die Grünen
Fragesteller: Andreas Weeger