Initiator*in: B’90/Die Grünen, Dr. Thomas Weigelt

Mündliche Anfrage

Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg von Berlin
Abt. Arbeit, Bürgerdienste, Gesundheit und Soziale

Ihre Anfrage beantworte ich wie folgt:

Vorbemerkung: Auf die im Titel genannte Frage möchte ich wie folgt antworten:
Beginnend mit der 17. Wahlperiode des Abgeordnetenhauses von Berlin traten die Regelungen des Achten Gesetz zur Änderung des Bezirksverwaltungsgesetzes vom 16.10.2008 betreffend die Gliederung des Bezirksamts unterhalb der Abteilungsstruktur – einheitliche Ämterstruktur – in Kraft.

Danach wurden die Wohnungsämter aufgelöst und allein (!) die Aufgabe Wohngeld in das Amt für Bürgerdienste integriert. Siehe Anlage zu § 37 Abs. 1 Satz 1 Bezirksverwaltungsgesetz:

„Das Bezirksamt gliedert sich unterhalb der Ebene der Geschäftsbereiche (Abteilungen) in die nachfolgend genannten Organisationseinheiten.
I. Fachämter:
1. „Amt für Bürgerdienste“ mit den Aufgabenstellungen:
– Bürgerämter
– Standesamt
– Staatsangehörigkeitsangelegenheiten
– Wohngeld
– Wahlen.

Da der soziale Wohnungsbau jedoch fortbestand wurden in der Praxis die Arbeitsgruppen Wohngeld und WBS als Fachbereich Wohnen in das Amt für Bürgerdienste integriert. Um den Bürgerinnen und Bürgern den Weg zu den Leistungen des von ihnen so gewohnten Wohnungsamtes zu erleichtern, wurde der Name Wohnungsamt nach außen beibehalten.

Derzeit nimmt der FB Wohnen folgende Aufgaben wahr:
– Bearbeitung von Anträgen auf Wohngeld
– Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen
– Kontrolle des Wohnungsleerstandes und der Zweckentfremdung von Wohnraum
– Kontrolle und Durchsetzung der Wohnungsbindung
– Erteilung von RLvF-Bescheinigungen (2. Förderweg), Bescheinigungen für Eigentumsmaßnahmen
– Bearbeitung von Anträgen auf Leistungen zur Bildung und Teilhabe für Empfänger von Wohngeld oder Kinderzuschlag

Im Koalitionsvertrag 2016-2021 haben sich die Regierungsparteien unter der Überschrift Mieter*innen- und Wohnraumschutz ausbauen darauf verständigt, dass es in jedem Bezirk ein Wohnungsamt geben soll und die einheitliche Ämterstruktur im Bezirksverwaltungsgesetz aktualisiert wird und für den Vollzug den Bezirken ausreichend Stellen zur Verfügung gestellt werden.

Mit Wohngeld, Wohnberechtigung und nach der Wiedereinführung des Zweckentfremdungsverbots seit 2014 hat der FB Wohnen bereits jetzt wieder die „klassischen“ Aufgaben eines Wohnungsamts inne, ob die Wohnungsämter zukünftig weitere Aufgaben übernehmen sollen, dazu liegen dem Bezirksamt aktuell keine Kenntnisse vor.

Nach Willen des Koalitionsvertrags soll z.B. der Schutz der Mieterinnen und Mieter vor überhöhten Mietforderungen im Wirtschaftsstrafrecht verbessert werden.

1. In Anbetracht der zuletzt vermehrten Medienberichte zu stark überhöhten Mieten für möblierte Zimmer und Wohnungen zur Umgehung der Mietpreisbremse – zuletzt z.B. 63 Euro pro Quadratmeter Miete im Monat für ein Zimmer am Boxhagener Platz für oder 60 Euro pro Quadratmeter Kaltmiete im Monat für ein Mini-„Apartment“ im Bergmannkiez, welche Unterstützungsleistungen und Hilfestellungen erbringen welche Ämter des Bezirksamts für Mieter*innen, die aus Not auf solche Angebote eingehen?

Mit den beschriebenen Vorkommnissen zu stark überhöhten Mieten für möblierte Zimmer und Wohnungen wurde die Frage verbunden, welche Unterstützungsleistungen und Hilfestellungen welche Ämter des Bezirksamts für Mieterinnen und Mieter erbringen, die aus Not auf solche Angebote eingehen. Zunächst sei folgendes vorangestellt:

Die beiden genannten Beispiele zeigen die Auswüchse des sich zuspitzenden Wohnungsmarktes im Bezirk. Um dem entgegenzuwirken setzt sich das Bezirksamt dafür ein, die ihm zur Verfügung stehenden Unterstützungs- und Hilfeleistungen im Rahmen der vorhandenen Rechtslage und Zuständigkeiten den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung zu stellen. Folgendes kann das Bezirksamt leisten:

– Das Zweckentfremdungsverbot soll vorhandenen Wohnraum schützen und eine zweckfremde Nutzung verhindern. Ein Eingriff auf Grund überhöhter Mieten ist auf dieser gesetzlichen Grundlage nicht möglich.

– Bei Mietpreisverstößen greift die Mietpreisbremse (Mietrechtsnovellierungsgesetz), die seit dem 1.6.2015 in Berlin gilt. Grundsätzlich gilt die Mietpreisbremse auch für möblierte Wohnungen. Doch es gibt Ausnahmen: Sie gelten, wenn die Wohnung zum vorübergehenden Gebrauch vermietet wird. Auch hier gilt zunächst – ortsübliche Vergleichsmiete plus zehn Prozent, darüber hinaus kann der Vermieter für eine vollständig möblierte Wohnung zusätzlich einen Möblierungszuschlag fordern. Dessen Höhe hängt vom aktuellen Zeit- oder Nutzungswert ab. Der Möblierungszuschlag berechnet sich bei Einrichtungsgegenständen auf zwei Prozent des Zeitwerts.

Ein behördliches Eingreifen ist nicht möglich und vom Gesetz nicht vorgesehen. Allerdings besteht für Mieterinnen und Mieter bei überzogenen Mietforderungen die Möglichkeit, ihren Vermieter zu rügen und Klage zu erheben. Das Bezirksamt prüft deshalb derzeit, wie über die Bürgerämter bei jeder Ummeldung künftig Infoblätter verteilt werden können, die Mieterinnen und Mieter darüber aufklären, welche Rechte sie auch nach dem Abschluss eines Mietervertrages haben, um die Rechtmäßigkeit ihrer Miete überprüfen zu lassen und wie sie ihre Rechte aus der Mietpreisbremse durchsetzen können. In den angesprochenen Fällen hat das Bezirksamt eine Interventionsmöglichkeit über das Wohnungsaufsichtsgesetz.

– die Prüfung von Amts wegen, ob die Angebote den Anforderungen an Wohnraum (Definition aus dem WoAufG) genügen. Hier sind die Mindestanforderungen an Wohnraum
definiert. Dazu „§ 4 Beseitigung mangelhafter Wohnverhältnisse (1) Entspricht die bauliche Beschaffenheit von Wohnungen oder Wohnräumen nicht den Mindestanforderungen an erträgliche Wohnverhältnisse, so kann die Wohnungsaufsichtsbehörde anordnen, dass der Verfügungsberechtigte die Mängel beseitigt.

(2) Diesen Mindestanforderungen ist nicht genügt, wenn

1. innerhalb der Wohnung die Koch- und Heizungsmöglichkeit sowie Wasserversorgung und Ausguss fehlen oder ungenügend sind,
2. der Abort fehlt oder ungenügend ist, insbesondere der Abortraum außerhalb des Hauses liegt, schwer zugänglich ist oder nicht ausreichend groß ist oder nicht elektrisch beleuchtet werden kann oder von mehr als einer Mietpartei benutzt wird,
3. ein ausreichender Wärmeschutz oder ein ausreichender Schallschutz fehlen,
4. Aufenthaltsräume eine lichte Höhe von weniger als 2 m haben,
5. nicht wenigstens ein Aufenthaltsraum der Wohnung eine Grundfläche von mindestens 9 qm hat,
6. Fußböden, Decken oder Wände dauernd durchfeuchtet sind oder
7. ausreichende Tageslicht- und Luftzufuhr nicht gewährleistet sind

§ 7 Belegung:

(1) Wohnungen dürfen nur überlassen oder benutzt werden, wenn für jede Person eine Wohnfläche von mindestens 9 qm, für jedes Kind bis zu sechs Jahren eine Wohnfläche von mindestens 6 qm vorhanden ist.

(2) Einzelne Wohnräume dürfen nur überlassen oder benutzt werden, wenn für jede Person eine Wohnfläche von mindestens 6 qm für jedes Kind bis zu sechs Jahren eine Wohnfläche von mindestens 4 qm vorhanden ist und Nebenräume zur Mitbenutzung zur Verfügung stehen. Stehen Nebenräume nicht oder offensichtlich nicht ausreichend zur Verfügung, gilt Absatz 1 entsprechend.

(3) Die zuständige Behörde kann von dem Verfügungsberechtigten oder den Bewohnern die Räumung überbelegter Wohnungen oder Wohnräume verlangen. Dabei sollen der Zeitpunkt des Einzuges sowie die besonderen persönlichen und familiären Verhältnisse berücksichtigt werden. Wohnungen oder Wohnräume sind im Sinne des Satzes 1 überbelegt, wenn ihre Wohnfläche die im Zeitpunkt des Räumungsverlangens nach den Absätzen 1 oder 2 geltenden Maße nicht erreicht werden nicht erfüllt. Die zitierte Rechtsgrundlage kann die im Bezirk zuständige Behörde heranziehen und von Amts wegen, durch Prüfung und Nachmessen ermitteln, ob die Anforderungen an Wohnraum erfüllt werden oder nicht.

2. Welche konkreten Maßnahmen ergreift das (jedenfalls im Internetangebot des Bezirksamts weiterhin so bezeichnete) Wohnungsamt gegen Fälle von extremsten Miet -wucher?

3. Geht das Bezirksamt bei solchen Fällen davon aus, dass solche Mieten „infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen“ verlangt wurden und damit eine Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 5 Wirtschaftsstrafgesetz darstellen?

Nachfrage:

1. Wenn nein, in welchen Fällen läge sonst nach Ansicht des Bezirksamts – und in Anbetracht einer Leerstandsquote von nur noch 1,2 % in der gesamten Stadt – ein ordnungswidriger Mietwucher i.S.d. § 5 Wirtschaftsstrafgesetz vor?

Die Fragen 2, 3 und Nachfrage 1 werden zusammengefasst beantwortet.

Das Land Berlin hat im vergangenen Jahr eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel gestartet hat, den § 5 WiStG wieder anwendbar zu machen. „Zur Verbesserung des Mieterschutzes vor überhöhten Mietforderungen wird in § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (WiStG) das Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ durch das objektive
„Vorliegen“ eines geringen Angebots an vergleichbaren Wohnungen ersetzt.“

Obwohl im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur „Mietpreisbremse“ von den unterschiedlichsten Interessenvertretern angeregt wurde den § 5 WiStG praxistauglich zu machen, wurde dies seitens der Bundesregierung nicht verändert. Eine bei der Verabschiedung des Gesetzes (Mietpreisbremse) vom Bundesjustizministerium in Aussicht gestellte Novellierung ist in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu erwarten. In der kleine Anfrage Drucksache 18/12447 des Bundestagsabgeordneten
Kühn, berichtet das Bundesministerium für Justiz- und Verbraucherschutz:

„Das Gesetzgebungsverfahren kann in dieser Legislaturperiode nicht zum Abschluss gebracht werden“. Seit der Rechtsprechung des BGH von 2004 fehlt eine rechtliche Begrenzung der Wiedervermietungsmieten. Zuvor hatte § 5 Wirtschaftsstrafgesetz auf Marktexzesse eine dämpfende Wirkung. Vermieter, welche die Wohnungsmarktlage mit überhöhten Mieten (mehr als 20% über der ortsüblichen Vergleichsmiete) ausnutzten, drohte die Rückzahlung der überhöhten Miete rückwirkend bis zu 10 Jahre und ein Bußgeld. Diesem § 5 WiStG fehlt es seit dem BGH-Urteil von 2004 an Praxistauglichkeit.

Das BGH Urteil von 2004 war eine Bestätigung der Rechtsprechung der Berliner Amtsgerichte, die eine erfolgreiche Ahndung von Mietwucher praktisch unmöglich machte. Nach geltender Rechtsprechung seit 2004 (BGH) ist der Tatbestand der „Ausnutzung eines geringen Angebots“ (§ 5 Abs. 2 WiStG) nur erfüllt, wenn die Mangellage auf dem Wohnungsmarkt für die Vereinbarung der Miete im Einzelfall ursächlich war. Dazu hat der Mieter darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen,
welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche bisher unternommen hat, weshalb diese erfolglos geblieben sind und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrags angewiesen war (amtlicher Leitsatz). Dies muss über das gesamte Stadtgebiet erfolgt sein. Zwischen der Mangellage und dem Ausnutzen müsse ein Kausalzusammenhang bestehen. Hieran fehle es, wenn der Mieter bereit sei, für eine bestimmte Wohnung unabhängig von der Lage auf dem Wohnungsmarkt, eine verhältnismäßig hohe Miete zu bezahlen.

Der BGH führt beispielsweise an, dass eine solche Situation vorliege, (1) wenn der Mieter in einer von ihm bevorzugten Wohnlage nur eine bestimmte und keine andere Wohnung beziehen will, oder (2) wenn der Mieter den Mietvertrag abschließt, ohne sich zuvor über ähnliche Objekte und die Höhe der ortsüblichen Miete erkundigt zu haben.

In diesen und ähnlichen Fällen sei der Mieter nicht schutzbedürftig. Es ist deshalb nur richtig, wenn das Land Berlin die Beweislast wieder umdrehen will, indem nicht der Mieter den Beweis des Tatbestandsmerkmal des „Ausnutzens“ führen muss, sondern das objektive „Vorliegen“ eines geringen Angebots an vergleichbaren Wohnungen der Anwendung § 5 WiStG zugrunde gelegt werden soll.

Es ist dann nur konsequent, für Verbesserungen beim Schutz der Mieterinnen und Mieter vor überhöhten Mietforderungen mithilfe des Wirtschaftsstrafrechts das Wohnungsamt generell zu stärken und personell besser auszustatten,

Mit freundlichen Grüßen
Knut Mildner- Spindler

Friedrichshain-Kreuzberg, den 14.05.2017
Bündnis 90/Die Grünen
Fragesteller*in: Dr. Thomas Weigelt

 

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