Wowereit hält gegen den eigenen Parteitagsbeschluss an seinem Lieblingsprojekt fest. Im Planfeststellungsverfahren wurden 2.500 Einwendungen von BürgerInnen erörtert

Stundenlang wurden im November zur Anhörung im Rahmen des Planfeststellungsverfahren Argumente gegen den Autobahnausbau von den vielen Einwenderinnen und Einwendern vorgebracht. Ein Anwesender verglich die leicht surreale Atmosphäre mit den letzten Wochen und Tagen der DDR. Eigenartig wenn auch formal korrekt, mutete jedenfalls an, dass Vorhabenträger, also Autobahnbaubehörde, und Anhörungsbehörde identisch waren; beides die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Ebenso konnte nur Verwunderung auslösen, dass sich die Senatsverwaltung für die gesamte Zeit der Anhörung – immerhin sechs Tage über jeweils 9 Stunden – anwaltlichen Beistand einkaufte, obwohl in einer Behörde mit rund 3.000 Mitarbeitern doch genügend Sachverstand vorhanden sein sollte.

Wenig gutes Neues in der Anhörung – Neuauslegung gefordert

Neues ergab sich nur insofern, als die Verkehrsbelastung für die Schlesische Straße kleiner gerechnet wurde als bisher. Die seltsame Begründung dafür war, dass die Schlesische Straße ihre maximale Belastung bereits erreicht habe. Demzufolge sei es ja mathematisch unmöglich, dass dort noch mehr Autos führen.

Erstmals wurde eingestanden, dass das Boxhagener Quartier erheblichem zusätzlichen Verkehr ausgesetzt sein wird. So werden die Revaler Straße und die Boxhagener Straße zukünftig jeweils rund 2.500 Autos mehr pro Tag zu verkraften haben, die umliegenden Straßen zwischen 1.300 bis 500. Dies ergäbe eine Zunahme von bis zu einem Drittel. Weil diese Zunahme bisher verschwiegen worden war und folglich die Anwohnerinnen und Anwohner mangels Kenntnis von ihrer Betroffenheit keine Einwendungen erheben konnten, forderten die Grünen und das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg umgehend eine Neuauslegung der Pläne.

Verkehrsprognose 2025 bereits mit 17. Bauabschnitt

Fast schon skurril mutet die Gesamtverkehrsprognose des Senats für 2025 an. Diese wurde zunächst zurück gehalten. Dann wollte die SPD wollte ihre Entscheidung für oder wider der Autobahn hiervon abhängig machen. Die Verkehrsplaner überraschten im Januar 2010 mit einer Prognose, die bereits den 17. Bauabschnitt der A 100 als gebaut zugrunde legt. Dies würde bedeuten, dass die Autobahn über die Elsenbrücke bis zur Frankfurter Allee reicht. Hierfür gibt es zwar gegenwärtig weder eine konkrete Planung noch eine Finanzierung durch den Bund geschweige denn eine politische Mehrheit in der Stadt, aber die Planer umgingen elegant die Darstellung der Bewältigung der um den Treptower Park ausgelösten Verkehrsprobleme.

Bezirkliches Gutachten sagt Dauerstau voraus – und wird zurückgezogen

Weil den grünen Bezirkspolitikern schon länger der Glaube in die Weisheit der Senatsverkehrsplaner fehlt, gab das Bezirksamt ein eigenes Verkehrsgutachten zur Abwicklung der Verkehrs von Treptower Park über die Kreuzung Markgrafendamm, Alt Stralau, Stralauer Allee, Elsenbrücke in Auftrag. Die Ergebnisse sind dramatisch: Die Gutachterin sagt in den Spitzenzeiten einen Rückstau von der Elsenbrücke bis auf die Autobahn und Wartezeiten bis zu 25 Minuten voraus. Für die Ampel am Treptower Pak werden gar Wartezeiten bis zu 31 Minuten berechnet. Vom Senatsargument, durch die Autobahn würde der Verkehr gebündelt und könne schneller fließen, bleibt also wenig übrig. Wegen des entstehenden Dauer-Staus müssen die AnwohnerInnen mit drastisch steigenden Abgas- und Lärm-Emissionen rechnen. Für Überraschung sorgte, dass das zuständige Ingenieurbüro das aufsehenerregende Gutachten wenig später wieder zurückzog, weil die zu Grunde liegenden Zahlen nicht belastbar seien. Die Daten stammen jedoch vom Senat selbst – und das ebenfalls darauf gründende Planfeststellungsverfahren müsste danach erst recht neu aufgerollt werden. Dirk Behrendt, Mitglied des Abgeordnetenhauses