Die Berliner Patienten- und Ärzteverbände beurteilen die geplante Bundesratsinitiative für Patientenrechte skeptisch. Die FDP fordert stattdessen, die Zustände in den Kliniken zu verbessern. Ein Artikel aus dem Tagesspiegel von SOPHIE COCROLL und FATINA KEILANI.

Die Bundesratsinitiative Berlins für ein Patientenrechtegesetz wird von Oppositionsparteien, Patienten- und Ärzteverbänden zum Teil scharf kritisiert. Der Präsident der Berliner Ärztekammer nannte die Gesetzesinitiative „scheinheilig“. Der Senat lenke damit von den Problemen in den Kliniken ab, in denen die Politik ihrer Verantwortung gegenüber dem Patienten nicht gerecht werde (siehe Interview). Die FDP sprach von Aktionismus. „Dieser Vorstoß muss sich daran messen lassen, ob solche Fälle wie der von 2007, als 47 Knie- und Hüftgelenke falsch eingesetzt wurden, dadurch vermieden werden können“, sagte die grüne Gesundheitspolitikerin Heidi Kosche. Im Jahr 2007 war bekannt geworden, dass im Hedwigs-Krankenhaus in Mitte von Mai 2006 bis März 2007 Dutzende Kniegelenke falsch eingesetzt wurden. Zudem hatten die Geschädigten Schwierigkeiten, ihre Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend zu machen.

Genau hier will auch die Bundesregierung ansetzen, die ebenfalls ein Patientenrechtegesetz plant. „Wir brauchen eine neue Fehlerkultur“, sagt der Patientenbeauftragte des Bundes, Wolfgang Zöller – um Fehlerketten wie in dem Fall mit den Kniegelenken zu vermeiden. Das neue Gesetz solle außerdem die Durchsetzung von Ansprüchen erleichtern. „Bisher haben wir sehr hohe Hürden“, so Zöller.

„Der Patient muss beweisen: dass es ein Kunstfehler war, und dass dieser ursächlich für den Schaden war.“ Das sei nicht immer einfach. Deswegen solle die Beweislast erleichtert werden. „Um Gerichtsverfahren zu beschleunigen und fachlich zu verbessern, können wir uns Spezialkammern bei den Gerichten vorstellen, die beispielsweise mit je einem Mediziner und einem Patienten als Schöffen besetzt sind“, so Zöller.

Schnellere Verfahren, Informationsrechte für Patienten, mehr Transparenz – diese Ziele verfolgt auch Rot-Rot. Wozu also ein eigener Antrag? „Damit das Thema in den Fokus kommt“, erklärt Katrin Ulmer aus dem Büro der Berliner Patientenbeauftragten Karin Stötzner.

Der FDP-Gesundheitspolitiker Kai Gersch hält das für Aktionismus an der falschen Stelle. „Der Senat will sich als Fürsorger der Patienten aufspielen, doch die brennenden Probleme lässt er liegen. Senatorin Lompscher ist seit Amtsantritt in den Kliniken nicht tätig gewesen: Die Keimverbreitung, die überfällige Sanierung – da ist nichts passiert“, so Gersch.

Auch Patientenverbände sehen die Bundesratsinitiative Berlins kritisch. Zwar sei es grundsätzlich sinnvoll, die bisherige Rechtsprechung in einem Gesetz zusammenzufassen und dem Patienten zugänglich zu machen, sagt Katja Kracke, Referentin für Gesundheit und Pflege des Sozialverbands VdK. „Es bleibt aber die Frage, wer überprüft, dass das Gesetz umgesetzt wird.“ Beachte der Gesetzgeber nicht alle Urteile des Bundesgerichtshofs beispielsweise zu Behandlungsfehlern, könne durch das Gesetz der Patientenschutz sogar unter das heutige Niveau zurückfallen. „Deshalb ist es besser, über einen Dialog statt über starre Gesetze die Ärzte für den Schutz ihrer Patienten zu sensibilisieren“, sagt Kracke. Denn davon profitiere der Patient letztlich am meisten.

Für den Vorsitzenden des Vereins Patientenschutz, Hartwig Meyer, geht die geplante Erleichterung der Beweislast nicht weit genug. „Bei der Zurechnung ist noch alles offen“, kritisiert Meyer. Zudem fordert er, jeden Arzt zu verpflichten, die einzelnen Abschnitte der Diagnose und Behandlung am besten schriftlich zu dokumentieren. Grundsätzlich schätzt er es aber positiv ein, dass sich Berlin und Brandenburg im Bundesrat dafür einsetzen wollen, mehr Klarheit für den Patienten zu schaffen. Die Länder könnten aber auch selbst mehr für den Patientenschutz tun, meint der stellvertretende VdK-Bundesgeschäftsführer Jens Kaffenberger – etwa die Hygiene in Krankenhäusern verbessern.