Immer mehr ältere Menschen sind arm – auch in Berlin. Dem will r2g mit einem ressortübergreifenden Programm entgegenwirken.
Wenn wir zum 1. Mai über die Situation auf dem Arbeitsmarkt sprechen, sollten wir auch an die denken, die nicht mehr arbeiten. In der Generation 65 plus leben laut Statistischem Bundesamt über eine halbe Million Menschen in Deutschland unter der Armutsgrenze. Sie beziehen Grundsicherung, obwohl sie mitunter jahrzehntelang in die Rentenkasse eingezahlt haben. Über 40.000 sind es allein in Berlin, Tendenz steigend. In X-Hain sind die Mieten in den vergangenen Jahren so stark gestiegen, dass viele Rentner*innen sie sich schlicht nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Der Verlust der gewohnten Infrastruktur ist für Senior*innen eine besonders große Herausforderung. Ich will mit der rot-rot-grünen Koalition dafür sorgen, dass Menschen in ihren Wohnungen bleiben können und zusätzliche bezahlbare Wohnungen entstehen. Die Kooperationsvereinbarung, die der Senat kürzlich mit den sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften geschlossen hat, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Altersarmut ist weiblich – und of Color
Insbesondere Frauen sind bekanntlich von Altersarmut betroffen. Noch immer sind es überwiegend sie, die beruflich kürzer treten, sobald Kinder da sind. Das ist nur einer von mehreren Faktoren, wirkt sich aber massiv auf ihr Einkommen und damit auf die Rente aus. Die Rentenlücke zwischen Männern und Frauen liegt in Ostdeutschland bei 23, in Westdeutschland sogar bei 42 Prozent. Bei Alleinerziehenden ist das Problem noch größer. Neben diesem Gender-Pension-Gap gibt es auch einen Racial-Pension-Gap, eine rassistische Rentenlücke. Ältere Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund haben im Bundesdurchschnitt monatlich 420 Euro weniger zur Verfügung als gleichaltrige Personen ohne Migrationshintergrund. Die Möglichkeiten, diesem Problem auf Landesebene entgegenzuwirken, sind begrenzt. In Berlin sorgen wir aber zumindest dafür, dass die Vielfalt der Bevölkerung sich in der Verwaltung abbildet und Menschen mit Migrationshintergrund und Diskriminierungserfahrung bestmöglich beruflich beraten und gefördert werden.
Ein Stundenlohn von 1,50 Euro ist unmoralisch
Wenn wir über Lohngerechtigkeit sprechen, müssen wir auch die Situation von Menschen mit Behinderung in den Blick nehmen. Angestellte in den Werkstätten bekommen teilweise nur einen Stundenlohn von 1,50 Euro. Ein entsprechender Fall aus Schleswig-Holstein wurde jüngst bekannt, weil der Betroffene geklagt hatte – erfolglos. Weil er in der Werkstatt auch betreut wird und besonderen Schutz genießt, verdient er trotz 39-Stunden-Woche nur 216 Euro im Monat. Ich finde das unmoralisch. Auch die Neuregelung im Bundesteilhabegesetz, mit der der Einkommensfreibetrag für Menschen mit Pflegebedarf auf 25.000 Euro jährlich erhöht wurde, ist eine nur marginale Verbesserung. Alles, was sie darüber hinaus einnehmen, fällt unter die Zuzahlungspflicht für die Assistenz, die diese Menschen im Alltag eben benötigen. Wie soll jemand mit so geringem Einkommen für das Alter vorsorgen? Berlin konnte im Bundesrat leider nicht verhindern, dass dieses Gesetz so beschlossen wird. Es birgt sogar die Gefahr, dass Menschen mit Behinderung schlechter gestellt werden als vorher. Ich werde mit der rot-rot-grünen Koalition alles daran setzen, dass dies in Berlin nicht passiert.
Fatoş Topaç, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Sprecherin für Sozialpolitik und Pflegepolitik