In unserer Gesprächsreihe zur psychosozialen Versorgung von Geflüchteten stellen wir Kinder und Familien in den Vordergrund mit dem Ziel, Handlungsempfehlungen für unsere politische Arbeit zu entwickeln. Schnell zeichnete sich als besonders dringliches Thema die „Arbeit mit Vätern“ ab. Wir haben uns mit Akteur*innen von Trägern, Ehrenamtlichen, Sprach- und Integrationsmittler*innen in der Ausbildung, und Theoretiker*innen und Praktiker*innen der Männerarbeit über Erfahrungen, Defizite und Herausforderungen ausgetauscht.

Die Väter sind oft durch traumatische Erfahrungen destabilisiert, gleichzeitig aber entscheidend für die ganze Familie und ihr Leben in der neuen Gesellschaft. Am Anfang steht deshalb die menschliche Begegnung, am besten mit männlichen Muttersprachlern. Denn bevor sich ein gegebenenfalls traumatisierter Mensch im psychologischen Beratungsgespräch verletzlich zeigen kann, braucht er die Erfahrung, einfach mal reden und einen Kaffee trinken zu können, mal weinen und Papa sein zu können. Um in der Aufnahmegesellschaft anzukommen, helfen gemeinsame Erlebnisse, wie z.B. gemeinsame Ausflüge von geflüchteten und Berliner Vätern. Denn Vertrauensbildung findet über Gemeinsamkeiten wie Kinder, Essen, Sport statt.

Ein Punkt war, dass häufig Wohnungssuche, schleppende Anerkennung von Berufsabschlüssen/ Ausbildungszeiten, Arbeitssuche und Schwierigkeiten bei der Vaterschaftsanerkennung sehr belastend sind. Grundlegende Themen wie Sprachbarriere, das Verantwortungsgefühl für die ganze Familie und schließlich die Kulturunterschiede – Beratungsstrukturen sind oft aus dem Heimatland nicht bekannt -, und die Erfahrung, dass Männer sich schwerer tun, Hilfe zu suchen, ergänzen sich. Um schneller aus dem Gefühl der Hilf- und Nutzlosigkeit herauszukommen, müsste v.a. der Weg zur eigenen Wohnung und in den Arbeitsmarkt geebneter sein. Für den Austausch sind Männercafés ein guter Ansatz in der Integrationsarbeit. Sie bieten einen geschützten Raum, und laden ein, in der Muttersprache auch über schwierige Themen, wie etwa Ängste in Bezug auf den Aufenthaltsstatus, zu sprechen. Erst danach ergeben sich Themen wie gewaltfreie Erziehung, Kochen, Heimweh etc.

Brücken bauen

Es wurde berichtet, dass es insgesamt mehr Angebote für geflüchtete Frauen gibt – sie erleben eher eine Stärkung ihrer Rechte, wohingegen Männer durch Flucht eine Schwächung erfahren. Das Rollenmodell vom Vater als Ernährer und von der Mutter, die für die Erziehung zuständig ist, wird durch den Bruch der Fluchterfahrung und den sozialen Abstieg in die Arbeitslosigkeit stark irritiert. Aber eine Stärkung der Frauen kann nur durch gleichzeitige Unterstützung der Männer gelingen. Oder wie es in einem arabischen Sprichwort heißt: „Mit einer Hand kann man nicht klatschen.“ Um diese Chance zu nutzen, muss die Politik offen und ressourcenorientiert das Gespräch suchen.

Ehrenamtliche sind für die Integrationsarbeit eine wichtige Stütze. Problematisch wird es, wenn sie nicht gut begleitet oder geschult werden und die Zusammenarbeit  mit der Leitung der Unterkünfte nicht funktioniert, wenn Ehrenamtliche z.B. Missstände ansprechen – wie z.B. Kinderschutz in Gemeinschaftsunterkünften. Grundsätzliche Erfolgsfaktoren für eine gelungene Integrationsarbeit sind: kurze Fahrtwege zu Beratungsangeboten und keine oder wenig personelle Wechsel, Begegnung auf Augenhöhe, finanzielle und personelle Verstetigung der Angebote, Supervision für Ehrenamtliche, muttersprachliche Kontakte. So wächst das Vertrauen, indem zwischenmenschliche Beziehungen entstehen.

Wir Grüne im Abgeordnetenhaus fordern einen Ausbau der psychologischen und psychosozialen Versorgung in Berlin und ein Landesprogramm Videodolmetschern für die Sprachmittlung, wie in Thüringen. Außerdem werden wir die Anforderungen einer Migrationsgesellschaft bei der aktuellen Entwicklung des Familienfördergesetzes immer mit im Blick haben.

Marianne Burkert-Eulitz, MdA, Sprecherin für Familie und Bildung

Bettina Jarasch, MdA, Sprecherin für Flucht und Integration, Sprecherin für Religionspolitik

für den Stachel 04/2020