DS/1208/III
Mündliche Anfrage
Ich frage das Bezirksamt:
1. Welche Auswirkung hat nach Einschätzung des Bezirksamtes die Verlängerung der A100 im 16. und 17. Bauabschnitt für den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, insbesondere für die an die Trasse grenzenden Wohngebiete, im Bezug auf die:
- Lärm- und Luftentwicklung
- Verkehrsentwicklung
- Unfallgefährdung
2. Welche Auswirkungen wird die Verlängerung der A100 auf die Stadtstruktur der betroffenen Wohngebiete haben, insbesondere
- die Gefährdung von Schulwegen
- die Entwicklung der Mieterstrukturen
- die soziale Zusammensetzung der Bevölkerung
3. Zu welcher Position wird das Bezirksamt in seiner Stellungnahme im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens kommen?
Nachfragen:
4. Erwägt das Bezirksamt eigenständige rechtliche Schritte gegen das Bauprojekt zu unternehmen?
5. Wurde der Weiterbau der A100, insbesondere im Bauabschnitt 17 hinreichend in der Bereichsentwicklungsplanung berücksichtigt?
Dr. Schulz:
Zu1:
Im gegenwärtigen Planfeststellungsverfahren befindet sich der 16. Bauabschnitt , muss man vielleicht 2 Vorbemerkungen machen auch für die weitere Beantwortung .
Die erste ist, es gibt natürlich unterschiedliche Ausführungen von der geplanten Autobahn. Z.t. wird sie in Hochlage geführt und z.t. oberirdisch und z.t. in Tunnellage. Für den 17. Bauabschnitt haben wir teilweise oberirdisch im Bereich der Elsenbrücke dann nur noch ein Stück in Hochlage und dann im Tunnellage und kurz vor Frankfurter Allee dann wieder oberirdisch, während der 16. Bauabschnitt im wesentlichen in Hochlage gebaut wird.
2. Vorbemerkung, wie ich glaube auch wichtig ist für das weitere Verständnis, aber auch für die politische Diskussion.
Aus meiner Sicht und Sicht vieler Fachleute und des BA haben wir eine weitgehend unvollständige Verkehrsmatrix vorliegen. Die Aktualisierung des Stadtentwicklungsplanes Verkehrs – auf den warten wir schon seit 2 Jahren. Sie erinnern sich noch, Ende letzte Wahlperiode und nach Aussage der Staatssekretärin Frau…, das soll bald kommen. Das legt heute noch nicht vor.
Insoweit gibt es weitgehend ungesicherte Aussagen, wie die Verkehrsmatrix aussieht, insb. weil jede Autobahn einschl. ihrer Auf- und Abfahrten natürlich weitflächig und weiträumige Verkehre anzieht.
Weiterer Punkt, der Unsicherheit rein bringt und dem ausgelegten Material, das offenkundig und wichtigen Verkehrsanteil und den LKW Verkehr zwischen 2 und 6 t unberücksichtigt geblieben ist. Das vielleicht vorweg.
Was wir sicherlich sagen können ist, dass die wesentlichste Beeinträchtigung, die von dem 16. und 17. Bauabschnitt ausgehen wird, die verkehrliche sein wird. Wir können davon ausgehen, dass im 16. Bauabschnitt insb. 2 Verkehrsknoten Auswirkungen haben werden, auch auf den OT Kreuzberg, wie auf den OT Friedrichshain.
Das ist einmal die Anschlussstelle, die an die Puschkinallee geplant ist und dann ihre verkehrliche Auswirkung bis in die schlesische Strasse mit dem großen Verkehrsknoten Oberbaumbrücke. Schlesisches Tor haben wir und die 2. Anschlussstelle, die damit zusammen hängt, ist dass über die Elsenbrücke ein weiterer betroffener Knoten mit Elsenbrücke, Stralauer Allee, Markgrafendamm und Alt Stralau haben. Für den 17. Bauabschnitt würde darüber hinaus ein weiterer Verkehrsknoten mit der Frankfurter Allee betroffen sein.
Alle, diese von mir genannten Verkehrsknoten sind gegenwärtig von ihrer Belastung her, von der gegenwärtigen Belastung her über ihrer Kapazität. Das ist ein ganz eindeutiger Sachverhalt, dass kann man sich aus dem Alltag des motorisierten Individualverkehrs an diesem Knoten selbst als Wahrnehmung verschaffen.
Wir haben auch selbst im letzten Jahr für den Knoten Elsenbrücke, Stralauer Allee, Markgrafendamm eine Verkehrsstudie gemacht, die eindeutig sagt, dass dort zusätzliche verkehre nicht abzuwickeln sind aufgrund der gegenwärtig schon hohen Belastung des Knoten.
Wir können insgesamt davon ausgehen, dass die Verkehrsentwicklung, die damit zusammen hängt weiträumig nicht nur Verkehrsknoten über ihre schon vorhandene Überlastung noch weiter verstaut wird, sondern es wird sich dann auch in den ganzen Strassen, die damit zusammen hängen eine wesentlich höherer Verkehrsbelastung ergeben und damit natürlich auch eine Verschlechterung der dortigen, anliegenden Wohnungen.
Wir können 2. hinsichtlich der Lärm- und Luftentwicklung sehen, dass von der zugrunde gelegten 16. Verordnung Bundesemissionsschutzgesetzes, dass die Lärmgrenzwerte an vielen Stellen auch gerade im Bereich der Elsenbrücke, auch da haben wir angrenzenden Wohnungsbau, deutlich überschritten wird. Das gilt auch oder mit dem Aspekt der Luftreinhaltung – auch dort ist relativ eindeutig und in den Planfeststellungsunterlagen auch durchaus benannt, dass wir in vielen Bereichen NO2 Grenzwertüberschreitungen haben werden, aber auch Feinstaubüberschreitungen haben werden.
Zu 2:
Natürlich ist das so, dass eine Autobahn wie eine tiefgehende , dauerhaft werdende stadträumliche Zäsur wird . Das ist die erste große Auswirkung. Sie trennt Stadtteile in rechts und links und auch dort, wo sie in Hochlage geführt wird, kommt sie dann immer nur von der einen Seite zur anderen, dort wo eine Brücke ist und das sind dann eben wenige.
Man zerstört damit wachsende, funktionale Gefüge von Stadtquartieren. Das ist schon etwas seltsam vor dem Hintergrund, dass Berlin mit den beteiligten Bezirken sich in den letzten Jahren unter dem Dach sozialer Stadt gerade dem Thema gewidmet hat, den Zusammenhalt von Quartieren und dem Gefüge, dem Nutzungsgefüge der Quartiere Verbesserung zu bekommen. Das würde im erheblichen Umfang kontakariert werden und natürlich tritt auch etwas ein, was man an vielen Stellen der Stadt beobachten kann, dort wo gewachsene Stadtstrukturen mit einer solchen Autobahnzäsur zergliedert werden, wo es dann dauerhafte Lärmpegel gibt, dass dann auch eine Abwertung von Wohngebieten stattfindet und meistens geht dann auch einher, was neudeutsch die Stadtsoziologen dann …nennen, also der gewerbliche Handel auf der wir dann in diese Abwärtsspirale mit einbezogen werden .
Zu 3:
Vor dem Hintergrund der kurz skizzierten Haltung und Beeinträchtigung, die wir an das BA für die Interessen der Bevölkerung in unserem Bezirk sehen, werden wir eine negative Stellungnahme abgeben. Das tun wir im Moment sehr intensiv, auch sehr detailliert. Wir werden das auch bis zum 26.4. machen, damit wir die Möglichkeit haben, mit der rechtzeitigen Abgabe auch dann möglicherweise im Anschluss dann klagen zu können. Dazu ist der Abgabetermin am 26.4. notwendig.
Zu den Nachfragen 4 und 5:
Dr. Schulz:
Zu 4:
Wir fassen die Stellungnahme und auch die rechtzeitige Abgabe der Stellungnahme nicht ab, um eine negative Stellungnahme abzugeben. Wir sind überzeugt, dass die Autobahnverlängerung erhebliche Nachteile für die Bevölkerung von Friedrichshain-Kreuzberg mit sich zieht und aus dem Grunde werden wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, die sich uns bieten werden, auch rechtlich dagegen vor zu gehen.
Zu 5:
Nach meiner Kenntnis vor dem Hintergrund der mehreren Beschlussfassungen der BVV zur Autobahn ist eine Bereichsentwicklungsplanung (BEP) auch eine enstpr. ablehnende Haltung eingenommen. Die hatte ja auch einen Überarbeitungsprozess durch laufen, der dann ja auch hier in der BVV und dann auch so zur Kenntnis genommen worden ist, aber ich glaube, dass die BEP in der Situation der Auseinandersetzung, in der wir uns befinden, nämlich auf der Ebene des Planfeststellungsverfahrens nur eine sehr geringe Rolle spielt, weil im Planfeststellungsverfahren die BEP überlagert.
Herr Assatzk:
Ich habe 2 Nachfragen. Die erste ist, gibt es eine Koordinierung der Position des BA mit anderen betroffenen Bezirken, die ebenfalls von diesem Bau betroffen sind und zweitens, wird das BA in seiner Stellungnahme auch auf die Problematik „Grundwasserspiegel“ Stichwort Boxhagener Viertel im Zusammenhang mit dem geplanten, sie erwähnten es zweistöckigen Tunnel, der ja an der Gürtelstrasse entlang geführt werden soll, (in der Bahnhofs- und Gürtelstrasse) die Problematik aufwerfen, wie wir sie in der Kölner Altstadt vor drei Wochen erleben durften, aufwerfen?
Dr. Schulz:
Es ist eine entspr. Kontaktaufnahme gemacht worden mit Neukölln. Nach meiner Kenntnis befürwortet Neukölln den Autobahnbau, also den 16 Bauabschnitt und tendenziell wohl auch Treptow- Köpenick.
Also, von daher erwarten wir uns jetzt nicht unbedingt größere Unterstützung. Das ist, glaube ich aber auch nicht entscheidend für die Stellungnahme, die wir abgeben müssen für die Auslegung auf unseren Bezirk darstellen und das wird auch erheblich sein für den Fall, das wir eine Klagebefugnis haben, weil wir nur das, was sich sozusagen städtebaulich dann und verkehrlich usw. auf unseren Bezirk auswirkt, dann auch im Klageverfahren dann einführen können.
Zum zweiten Punkt kann ihnen versichern, dass wir alle Aspekte, auch wenn die im Moment auch nicht ingenieurmäßig oder technisch schon durchdacht sind, alle Aspekte, die möglicherweise Beeinträchtigung oder Gefährdung darstellen können sammeln. Das hat natürlich auch einen Hintergrund.
Wenn wir wirklich zu einer Klage kommen, können wir nur sozusagen die Gründe dann vortragen und dann auch in das Verfahren einbringen, die wir in der Stellungnahme genannt haben, also in einem späteren Klageverfahren können nicht neue Argumente eingebracht werden.
Friedrichshain-Kreuzberg, den 26.03.09
B’90/Die Grünen
Fragestellerin: Frau Antje Kapek