Ein Artikel aus dem Tagesspiegel von Ulrich Zawatka-Gerlach.

Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche darf viele, aber nicht nicht alle Akten einsehen, die mit der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe zusammenhängen. Das Berliner Verfassungsgericht stellte am Dienstag klar, dass Dokumente der Regierung – etwa Gesetzentwürfe des Senats oder Unterlagen zur Vorbereitung von Senatsbeschlüssen – auch für Volksvertreter geheim bleiben. Der „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung“, also die interne Willensbildung einer Regierung, entzieht sich der Ausforschung.

Das ist keine Berliner Besonderheit, sondern gilt seit 1984, als das Bundesverfassungsgericht das Beweisrecht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse auslotete.

Regierungsakten sind auch für Abgeordnete weitgehend tabu. Für Verwaltungsakten gilt dies aber nur dann, wenn die zuständige Behörde darlegt, dass der Akteneinsicht überwiegende öffentliche oder private Interessen entgegenstehen. Dazu gehört die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Die Grünen-Politikerin Kosche bemüht sich seit 2007 darum, sämtliche Unterlagen der Senatsbehörden einzusehen, die mit der Teilprivatisierung der Wasserbetriebe vor zwölf Jahren zu tun haben. Sie beruft sich dabei auf das in der Berliner Verfassung verankerte Einsichtsrecht für Abgeordnete. Der Streit geht um 180 Aktenordner mit insgesamt 90 000 Seiten. Die federführende Finanzverwaltung rückte das Material nur teilweise heraus, und seitdem macht Kosche mit Organklagen vor dem Landesverfassungsgericht erfolgreich Druck. Schon im Juli 2010 kritisierten die Richter die Verwaltung, weil diese die Einsichtsverweigerung nicht ausreichend begründet habe.

Dieses erste Urteil führte aber nicht dazu, dass alle Akten offengelegt wurden. Drei Berichte für eine Aufsichtsratssitzung der BWB sollten nur in einem „vertraulichen Datenraum“ einsehbar sein. Vier Dokumente zur Vorbereitung einer Senatsvorlage aus dem Jahr 1998 wollte die Finanzverwaltung gar nicht freigeben. In diesem Fall gab das Verfassungsgericht dem Senat auch im neuen Urteil recht. Es sei „nachvollziehbar und überprüfbar“ dargelegt worden, dass es sich um Regierungsakten handele. Die Papiere für den Aufsichtsrat ordnete das Gericht jedoch als Verwaltungsakten ein und tadelte den Senat, der nicht konkret und präzise begründet habe, warum die Einsicht verweigert werde. Der „vage und abstrakte Verweis“ auf geheimhaltungsbedürftige Technik- und Personaldaten sei keine ausreichende Begründung. Die Richter stellten außerdem klar, dass auch die besonders geschützten Regierungsakten des Senats zu leichter einsehbaren Verwaltungsdokumenten werden können – nämlich sobald das Abgeordnetenhaus sich mit dem Senatsentwurf befasst.

Beendet ist der Streit zwischen Kosche und Senat damit nicht. Denn für die Einsicht in alle 180 Aktenbände liegen insgesamt 13 Teilanträge der Abgeordneten auf Einsicht vor, bestätigte die Grüne. Sie hofft jetzt auf eine friedliche Einigung mit der Finanzverwaltung – geht sonst aber wieder vor Gericht. Für den parlamentarischen Sonderausschuss zu den Wasserverträgen, der am 6. Januar erstmals tagt, will Kosche jedenfalls gut präpariert sein.