Erstmals seit 20 Jahren wird die Zahl der Krankenhausbetten in Berlin wieder erhöht – um 300 auf 20 600. Das sieht der neue Krankenhausplan des Landes Berlin vor, der gestern von Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorgestellt wurde. Ein Artikel aus der Berliner Morgenpost von Tanja Kotlorz.
Vertreter der gesetzlichen Krankenkassen lehnten den Plan als zu teuer für die Beitragszahler ab.
Das 216 Seiten umfassende Planungswerk legt bis zum Jahr 2015 fest, welche Kliniken mit wie vielen Betten für die medizinische Versorgung der Berliner Bevölkerung von der Planungsbehörde vorgesehen sind. Die insgesamt 49 Kliniken, die jetzt in diesem Plan stehen, können Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen abschließen und haben damit die Lizenz, gesetzlich Versicherte medizinisch zu versorgen. Die Bettenzahl wird vor allem in den Fachbereichen Geriatrie und Psychiatrie aufgestockt. Da die Bevölkerung immer älter werde, entstehe auch ein wachsender Bedarf an stationären Versorgungsangeboten, sagte die Senatorin. Das gelte auch für die Neurologie und die Dermatologie.
Drei kleinere Kliniken wurden erstmals in den Krankenhausplan aufgenommen: die Klinik Helle Mitte (Marzahn-Hellersdorf, fünf neurochirurgische Betten), die Median-Klinik (Spandau, 35 neurologische Betten) und die Meoclinic (Mitte, 22 chirurgische und sechs internistische Betten). Die Verweildauer der Kranken sei weiter gesunken und inzwischen auf Bundesniveau angelangt: die Berliner liegen demnach im Durchschnitt nur noch 8,1 Tage im Klinikbett.
Die Krankenhausplanung, gültig ab 2010, wurde unter anderem erst jetzt von der Gesundheitssenatorin vorgelegt, weil sich der rot-rote Senat lange nicht entscheiden konnte, wie die künftige Struktur der beiden landeseigenen Klinikbetriebe Vivantes und der Charité aussehen soll. Im Juni nun hatte die Koalition unter anderem beschlossen, dass die Charité ihre 3200 Klinikbetten um 500 reduzieren soll. Doch wo die Betten abgebaut werden sollen, steht nicht im Klinikplan. Die Senatorin sagte lediglich, die Charité müsse ihrer Verwaltung Planungen vorlegen, wo die Uni-Klinik die ersten 200 Betten bis zum 1. Januar 2012 abbauen wolle. Ihrer Behörde lägen aber bisher noch keine Planungen der Charité vor.
Mehr Tadel als Lob
Insgesamt kassierte die Gesundheitssenatorin viel Kritik für ihr Planungswerk. Die gesetzlichen Krankenkassen hatten bereits vorab die Krankenhausplanung abgelehnt und blieben auch gestern bei ihrer Haltung: „Wir lehnen die Planung als unzureichend ab“, sagte Gabi Rähse, Sprecherin der AOK Berlin-Brandenburg, der größten Regionalkasse. Die zusätzlichen Klinikbetten würden die gesetzlichen Krankenkassen – und damit auch die Beitragszahler – in Berlin im Jahr 250 Millionen Euro kosten. Ein Streitpunkt ist auch die Zahl der Betten. Nach Kalkulation der Krankenkassen hat Lompschers Verwaltung den Bedarf nicht nur 300 sondern um 900 Betten erhöht. Für die Kassen besteht keine Notwendigkeit für diese Ausweitung. Für Ärger sorgt ferner, dass keine konkrete Planung vorliegt, wo die Charité Betten abbauen wird. Auch hätten sich die Krankenkassen mehr Kooperation zwischen Vivantes und der Charité – vor allem im Südwesten Berlins – gewünscht. Die Sprecherin der Ersatzkassenverbände, Landesvertretung Berlin-Brandenburg, Dorothee Pinkepank, kritisierte, dass die Senatsverwaltung es sich zu einfach mache, indem sie neue Kliniken in den Plan aufnehme. Die Behörde wolle nur juristische Auseinandersetzungen mit den Krankenhäusern vermeiden.
Gegenwind bekam Lompscher für ihr Planungswerk gestern auch den Parlamentariern der Opposition. So gaben der haushaltspolitische Sprecher Oliver Schruoffeneger und die gesundheitspolitische Sprecherin Heidi Kosche (beide Bündnis 90/Die Grünen) der Fachsenatorin die Note mangelhaft für den Klinikplan. Die Politiker forderten eine höhere Auslastung der Kliniken und ein stärkere Kooperation aller Krankenhäuser. „Die Kriterien, nach denen den einzelnen Krankenhäusern Betten zugewiesen werden, müssen transparent sein.“ Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Kai Gersch, meinte ebenfalls, dass die „Auslastung der Kliniken zu gering“ sei. Lompscher konterte, die Belegung sei überdurchschnittlich, liege bei mehr als 70 Prozent. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Mario Czaja, monierte, dass der Senat bei der ambulanten kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung gespart hat und dies nun mit teureren Klinikbetten kompensiere.