Mit dem Zukunftspakt Verwaltung wurde im Mai 2019 eine Sammlung von Verbesserungsvorschlägen für die Berliner Verwaltung unterzeichnet. Noch ist offen, ob die Reformvorschläge für die Demokratie in den zwölf Berliner Bezirken überhaupt eine Verbesserung darstellen. Doch klar ist bereits jetzt: Wer große Erwartungen an den Verwaltungspakt hatte, wird enttäuscht werden.

Denn die dringend notwendige Verwaltungsmodernisierung wurde de facto auf eine oberflächliche Bezirksreform reduziert. Den Gesetzesentwurf dafür hat Innensenator Andreas Geisel Anfang 2021 ins Abgeordnetenhaus eingebracht. Aus Grüner Sicht ist dieser bisher irgendwo zwischen: „Nicht mehr zu retten“ und „dringend überarbeitungsbedürftig“ einzuordnen. Mit über hundert Seiten und vielerlei Änderungen in drei Gesetzen ist der Vorschlag zur Bezirksreform mit kleinteiligen Einzelmaßnahmen vollgepackt. Die längst überfällige, leider nur binäre, geschlechtergerechte Sprache soll ins Bezirksverwaltungsgesetz einziehen. Politische und fachliche Zielvereinbarungen zwischen Senat und Bezirksämtern sollen eine gesetzliche Grundlage im Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz bekommen. Weiterhin soll das Bezirksamt zukünftig aus sechs, statt bisher fünf Stadträt*innen bestehen. Damit hören die unterstützenswerten Vorhaben des Entwurfs leider auch schon auf.

Nachdem der Gesetzentwurf innerhalb von weniger als 48 Stunden nach Senatsbeschluss – notgedrungen wohl weitgehend ungelesen – durch den Rat der Bürgermeister*innen beschlossen wurde, war für unsere Grüne BVV-Fraktion klar, dass wir, vor der parlamentarischen Verabschiedung des Gesetzes, in die inhaltliche Auseinandersetzung damit gehen wollen. Nach mehrstündigen Debatten in der Fraktion einigten wir uns auf ein Positionspapier, das zentrale Überarbeitungsforderungen für die Bezirksreform beinhaltet.

Einschränkung der bezirklichen Gestaltungsmöglichkeiten

Die größte Schwäche des Entwurfs sehen wir in der Reduzierung der bezirklichen Gestaltungsmöglichkeiten. Zuvorderst muss dabei, die berlinweite Vereinheitlichung und gesetzliche Festschreibung der Abteilungen aller zwölf Bezirksämter genannt werden. Schon heute haben alle Bezirke dieselben Ämter wie Jugendamt oder Gesundheitsamt. Der Entwurf sieht aber zusätzlich die einheitliche Zuordnung der Ämter zu Geschäftsbereichen der jeweiligen Stadträt*innen vor. Konkret sollen etwa Ordnungs- und Grünflächenamt gesetzlich zusammengelegt werden. Die Bezirksbürgermeister*innen sollen hingegen kein Fachamt mehr verantworten dürfen, und stattdessen für alle Beauftragten und die bezirkliche Wirtschaftsförderung zuständig sein. Bisher haben die Bezirksämter mit den gewählten Fraktionen eigenständig entschieden, welche Ämter für eine wirkungsvolle Verwaltung zusammenarbeiten. Dies soll zukünftig wegfallen. Damit würde ein großes Stück bezirklicher Eigenständigkeit und Selbstverwaltung verloren gehen.

Weiterhin stiege im Zusammenspiel von Proporzvorschlagsrecht für das Bezirksamt und zusätzlicher Stadträt*innen die Gefahr, dass auch demokratiefeindliche Parteien Anspruch auf sensible Geschäftsbereiche des Bezirksamts bekämen. Niemand mag sich vorstellen, was etwa eine Rechtsextremist*in als Schulstadträt*in oder im neuen Geschäftsbereich Jugend und Gesundheit bedeuten würde. Der Gesetzentwurf erhöht jedenfalls die Wahrscheinlichkeit dafür – dies leider sogar in Friedrichshain-Kreuzberg, selbst wenn es große demokratische Mehrheiten gibt.

Wir kritisieren auch, dass das Bezirksamt die Möglichkeit bekommen soll, ein Ordnungsgeld gegen frei gewählte Bezirksverordnete verhängen zu dürfte. Dafür genügt der Verdacht des Bezirksamts darauf, dass die/der Verordnete Verwaltungsgeheimnisse verraten habe. Dies bedeutet einen Verlust an Transparenz und Kontrollmöglichkeiten der Bezirksverordneten. Außerdem soll die Senatsverwaltung bei Fachaufsichtsverfahren die Kosten für externe Gutachten zukünftig auf die Bezirkshaushalte übertragen können. Faktisch würde damit die demokratische Kontrolle an einer weiteren Stelle erschwert werden.

Noch ist nicht klar, ob und was an dem Gesetzentwurf im parlamentarischen Verfahren geändert wird. Auch in den meisten anderen Berliner Bezirksparlamenten haben Grüne die Risiken des Entwurfs erkannt, und fordern gemeinsam mit uns die demokratieeinschränkenden Bezirksreformteile aus dem Gesetzesentwurf herauszunehmen. In einem Beschluss zum Grünen Landeswahlprogramm haben wir den Verzicht auf die Vereinheitlichung der bezirklichen Geschäftsbereiche als Ziel verankert. Stachelig bleiben heißt hier, dass wir im Zweifel auf die wenigen aufgeführten Vorteile verzichten, um große Nachteile zu vermeiden.

Tobias Wolf, Bezirksverordneter

Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.