Meine Rede zur Priorität vom 24.April.2008. Die gesamte Debatte ist in dem Plenarprotokoll zu lesen
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vielen Dank, Frau Abgeordnet Dr. Hiller! – Für die Frak-tion der Grünen hat Frau Abgeordnete Herrmann jetzt das Wort. – Bitte sehr!
Clara Herrmann (Grüne): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bonan tagon: Das ist Esperanto, und diese Sprache kann man wohl an den Berliner Schulen und Kitas nicht lernen. Internationalität, kulturelle Vielfalt in den Grenzen und über die Grenzen Europas hinweg erleben Berliner Kinder und Jugendliche alltäglich, und zwar nicht nur in der Schule, sondern auch auf der Straße und in der U-Bahn. Grundsätzlich kann man feststellen – da sind wir wohl einer Meinung -, dass Europa für den Großteil der Berli-nerinnen und Berliner zu weit weg ist. Deshalb ist die Intention des FDP-Antrags, Kinder und Jugendliche besser auf Europa vorzubereiten, richtig. Aber, lieber Herr Dragowski, wie soll das konkret ausse-hen, und warum betreffen alle Ihre Punkte und das, was in der Debatte bisher aufgetaucht ist, lediglich Vorschläge für die Kita und den Schulbereich? Europa ist für Kinder und Jugendliche nicht nur in der Schule oder in der Kita. Das ist eine gewisse Form von Schaufensterpolitik und Schaumschlägerei, nicht mehr und nicht weniger.
[Beifall bei den Grünen]
Es gibt auch außerschulischen Angebote. Zum Beispiel in der Jugendarbeit gibt es Austauschprogramme oder andere Formen der Auseinandersetzung mit Europa. Es gibt Ged
enkstättenfahrten, europäische Freiwilligendienste, Besuche in Straßburg oder Brüssel, Jugendaustausche, europäische Kulturfeste der Soziokultur, zu denen unsere Jugendprojekte immer wieder eingeladen sind, und vieles mehr. Gerade in den außerschulischen Angeboten wird das Thema viel lebbarer und anschaulicher für Kinder und Jugendliche. Das findet aber leider in diesem Antrag keinen Platz.
[Beifall bei den Grünen]
Ich komme zu den einzelnen Punkten Ihres Antrags. Ers-tens zur Fremdsprachenförderung in der Kita: Entschei-dend ist, dass interkulturelles Lernen im Berliner Bildungsprogramm sowieso verankert ist.
[Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)]
Allein die Ausgestaltung in Form von entsprechend qualifiziertem Personal, das ausreichend Zeit findet, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern, ist das Berliner Problem. Wenn Sie in unseren interkulturellen Kitas im Wedding, in Kreuzberg-Friedrichshain oder in Schöneberg sind, erfahren Sie das hautnah. Hier enden die Grenzen nicht nur innerhalb Europas, sondern sie gehen darüber hinaus. Europäische Austausche bereits in Grundschulen: Ich halte es für sinnvoll, früh anzusetzen, aber ob es der richtige Weg ist, staatlich geförderte Austauschprogramme bereits so früh zu veranstalten, halte ich für fraglich. Dazu gibt es auch noch nicht viele wissenschaftliche Forschungen bzw. Evaluationen. Europäisches Engagement von Schulen zu unterstützen bzw. weiterzuentwickeln, wie soll das aussehen, und warum geht es hier wieder nur um die Schulen und nicht auch um die Träger der Jugendhilfe? Die Erweiterung des freiwilligen Fremdsprachenangebots in Schulen unterstützen wir, auch wenn bereits Polnisch in Berliner Schulen unterrichtet wird. Auch das Angebot bilingualer Abschlüsse auszubauen, halten wir für richtig. Das muss allerdings ausformuliert werden. Zur Lehrerbildung: Ihre Vorschläge sind alle sehr schön. Aber was meinen Sie konkret? Es wäre sinnvoll, Berliner Lehrerinnen und Lehrer zur Fortbildung ins Ausland zu schicken, beispielsweise zum Thema gemeinsames Lernen und individuelle Förderung nach Skandinavien. Hier gibt es in Berlin viel zu tun. Wenn wir aber wollen, dass Kindern und Jugendlichen der europäische Geist nähergebracht und in ihnen Leidenschaft für ein friedliches, solidarisches und nachhaltiges Europa geweckt wird, dann ist die gestrige rot-rote Posse im Ausschuss um die Zustimmung zum EU-Reformver-trag ein Trauerspiel.
[Beifall bei den Grünen]
Es ist genau das Gegenteil dessen, was heute hier alle Fraktionen bekundet und beschworen haben. Ich kann mir das schon vorstellen: Wir beschließen hier, das Engagement an Schulen zur Stärkung des europäischen Gedankens zu unterstützen. Nachher schicken wir Frau Michels und Frau Hiller an die Schule, und die erzählen dann, was für ein absolut neoliberales, militärisches Projekt die EU ist.
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]
Glauben Sie, dass die Vertragsverhandlungen von Lisa-bon ein Zuckerschlecken waren? Glauben Sie wirklich, dass Sie europäisches Zusammenleben letztlich im Kon-sens gestalten, wenn die reine Lehre der Berliner Linkspartei unbedingt beachtet werden muss? Auch wir sehen, dass es durchaus kritikwürdige Punkte im EU-Reformvertrag gibt, aber es handelt sich um einen Kompromiss. Sie blockieren mit Ihrem Nein zum Reformvertrag eine De-mokratisierung und Weiterentwicklung Europas.
[Beifall bei den Grünen und der CDU – Beifall von Christoph Meyer (FDP)]
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Frau Herrmann! Ihre Redezeit ist beendet!
Clara Herrmann (Grüne): Liebe FDP! Ihren Schönwetterantrag in Ehren, aber wol-len Sie nicht erst einmal das europäische Engagement der Linkspartei fördern, bevor wir es bei den Kindern und Jugendlichen tun? – Danke!
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Das Wort für eine Kurzintervention erhält Frau Dr. Hiller. – Bitte!
Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Frau Herrmann! Ich fühle mich persönlich angesprochen, denn ich habe mich für den Europatag am 6. Mai an einer Schule im Wedding angemeldet und gehe dort gerne hin. Ich werde über den europäischen Einigungsprozess sprechen. Ich hätte gerne, dass Sie mitkommen, wenn Sie an diesem Tag noch nicht verplant sind – um mich zu kontrollieren und zu hören, dass ich nicht nur meine kritischen Bemerkungen zu Lissabon machen, sondern vielmehr auch sagen werde, was die europäische Einigung bedeutet. Ich werde meinen Willen äußern, einiges dazu beizutragen, was im Sinn eines gemeinschaftlichen, friedlichen Zusammenlebens der Völker in Europa ist. Es wäre schön, wenn Sie mitkämen. Mir wurde gesagt, die Schüler hätten ein geringes Vorwissen, und ich sollte offen für alle Fragen sein. Sie besuchen die 10. Klasse. Es wäre schön, wenn wir das gemeinsam machen könnten. Dann besteht die Chance für eine ausgeglichene Veranstaltung, und Sie müssen sich nicht um die Berliner Kinder sorgen.
[Beifall bei der Linksfraktion]
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Frau Herrmann möch-te nicht nur mitgehen, sondern auch darauf reagieren. – Bitte!
Clara Herrmann (Grüne): Wenn Sie nicht vorher absagen, können wir gerne ge-meinsam in diese Schule gehen. Wenn Sie darüber hinaus noch den EU-Reformvertrag befürworten, haben wir etwas Gutes erreicht.
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]
Wenn Sie den europäischen Gedanken leben und weiter-tragen wollen, dann, Frau Hiller, sind Sie nicht nur dafür zu haben, EU-Gelder in Höhe von 1,2 Milliarden € abzugreifen, sondern sich wirklich für die Weiterentwicklung und Demokratisierung Europas einzusetzen. Wir hatten vorhin schon die Debatte zum Vergaberecht und EU-Reformvertrag. Daher noch einmal: Wenn Sie diese Weiterentwicklung wollen, die auch in Ihrem Sinn ist, dann stimmen Sie dem Reformvertrag zu und geben Ihren Widerstand dagegen auf
[Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP]
Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vielen Dank, Frau Abgeordnete Herrmann! – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung federführend an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien, Berlin-Brandenburg sowie mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.