Warum es gut für Berlin ist, wenn das politische Bezirksamt endlich kommt.
Berlins Bezirke sind mit ihren durchschnittlich 300.000 EinwohnerInnen Großstädte. Und: Bezirke haben mit ihrem Lokalkolorit, ihren einmaligen Kiezen, ihren schönen Seiten und Fratzen ein Gepräge, das eine ganz eigene Identifikation und Heimat für uns EinwohnerInnen stiftet. Vor diesem Hintergrund ist es mehr als überfällig, auch die Verwaltungsspitze politisch zu bilden. Sie soll politisch handeln und vor allem politisch zur Verantwortung gezogen werden.
Seit 1971 in Westberlin und 1992 in der ganzen Stadt galt bei der Besetzung des Bezirksamts das Proporzprinzip. Das verschafft bis heute jeder Bezirksfraktion eine Beteiligung am Bezirksamt nach ihrer Stärke. Außerdem wurde in der Berliner Verfassung verankert, dass die Mehrheit im „Parlament“ (also der Bezirksverordnetenversammlung/BVV) über die Bildung ihrer „Regierung“ (also das Bezirksamt) entscheiden soll. Zum Beispiel könnte dann eine rot-grüne Mehrheit im Bezirk ohne Stadträte von CDU auskommen. Zunächst sollte das Politische Bezirksamt mit der Zusammenlegung der Bezirke zum Jahr 2001 kommen. CDU und SPD haben das Vorhaben dann auf 2010 verschoben.
Längst hätte sich die Kommunalpolitik aller Parteien auf diese Umstellung vorbereiten können. So sollten Schwerpunkte für eine Amtsperiode gesetzt werden oder Fraktionen mit Zählvereinbarungen zusammenarbeiten. Die Fachressorts würden im Zuge des Politischen Bezirksamts mehr aufeinander abgestimmt werden; der Bezirk hätte mehr Raum für eine ganz eigene politische Linie. Noch viel wichtiger: Die politische Mehrheit im Bezirksparlament hätte mehr Einfluss auf die Bezirksamtspolitik. So wird Politik wieder vom Kopf auf die Füße gestellt und letztendlich mehr Nähe zu den BewohnerInnen gewonnen.
Solange aber Teile der Landesverwaltung und die Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände die Eigenständigkeit von Bezirken als Konkurrenz, Investitionshemmnis oder gar Bürokratiemonster geißeln, ist die Politik sich ihrer eigenen Vorhaben – immerhin mit einer „Soll“-Vorschrift in der Landesverfassung verankert – nicht mehr so sicher. Die SPD probte vor kurzem die Rolle rückwärts. Vom Fraktionsvorsitzenden Müller und aus den Bezirken kommen urplötzlich massive Bedenken, als wäre das Politische Bezirksamt eine Erfindung, die gerade vom Himmel gefallen ist. Ein Schelm, der dabei denkt, die SPD könne sich naturgegebener Konstellationen und Mehrheiten nicht mehr gewiss sein. Denn gerade in den Bezirken wird Politik weniger von der Parteienideologie dominiert als von der Fähigkeit, verlässlich und auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. So schreibt Ulrich Zawatka-Gerlach im Tagesspiegel zu recht, im Streit um das Politische Bezirksamt spiele „Groß gegen Bunt“.
Das Zaudern der Berliner SPD, den Bezirken mehr Selbstverantwortung zu übertragen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass politische Schwerpunkte in der Bezirkspolitik sinnvoll sind. Ob für mehr Klima- und Umweltschutz im Bezirk, einer besseren Jugend- und Bildungspolitik, mehr Freiräume für Kultur und Subkultur oder einer Verkehrspolitik, die nicht vom Auto her denkt. Das Politische Bezirksamt wäre gut für Berlin, weil es von sich aus an einem politischen Konzept für den Bezirk arbeitet, das dann auch bei der nächsten Wahl bewertet werden kann.
Benedikt Lux , MdA