In der Spree, in unserem Xhain, unweit des Ufers der Halbinsel Stralau, liegen der Kratzbruch und die Liebesinsel. Beide Inseln dürfen nicht betreten werden. Hier darf Natur noch Natur sein.
Jeweils nur 3000 Quadratmeter groß, stehen die Inseln mit den sie umgebenden zehn Meter breiten Wasserstreifen seit 1999 unter Naturschutz und sind ein ganz besonderes Stück unberührte Landschaft im dichtbesiedelsten Bezirk Berlins.
Einmal im Jahr, vor der Brutsaison, macht sich das Umwelt- und Naturschutzamt des Bezirkes, gemeinsam mit ehrenamtlichen NABU Helfer*innen, ein Bild von der Flora und Fauna. Es wird Müll gesammelt, die Naturschutzschilder neu angebracht und die vorhandenen gereinigt.
Auch dieses Jahr setzen wir mit der Wasserschutzpolizei an einem kühlen, aber sonnigen Tag über. Bereits während der eisige Fahrtwind uns um die Nase weht ist zu spüren, hören, riechen: Auf den Inseln ist was los, auch ganz ohne Menschen. Zuerst steuern wir den Kratzbruch an. Während des Anlegens fliegen einige Kormorane leicht gelangweilt davon. Schon über 300 der großen Vögel wurden in den Bäumen gezählt. Der Geruch und die unzähligen weißen Flecken sind eindeutige Zeugen, dass die Wasservögel hier heimisch sind. Aber nicht nur die Kormorane hinterlassen Spuren. Mit an Bord ist der Biberexperte der Stadt. Gemeinsam müssen wir nicht lange suchen, und schon finden wir abgenagte Äste, gefällt Bäume, spitze Baumstümpfe. Es ist augenscheinlich: Der Biber ist mächtig aktiv auf der Insel.
Neue Bewohner*innen in Xhain
Auf der Liebesinsel bietet sich ein ähnliches Bild. Spuren der Nager finden sich auch an anderen Stellen im Bezirk, aber nicht so gehäuft. Ganz besonders Pappeln mag der Biber und nagt sie fein-säuberlich ab, schließlich ernährt er sich von der Rinde. Doch die Folgen kann er nicht immer gut einschätzen. So bleiben einige der gefällten Bäume in den umstehenden hängen. Der Biberexperte berichtet von Tieren, die von den eigenen gefällten Bäumen erschlagen worden sind. Das ist dem Friedrichshain-Kreuzberger Biber zum Glück nicht passiert. Auch Biberbaue finden wir auf den Inseln, einer davon wird genutzt. Dort sollen vier Tiere gezählt worden sein, weiß der NABU. Die Biberfamilie fühlt sich sichtbar wohl auf den Inseln. Damit das so bleibt, ist Bedingung, dass der Mensch Rückzugsräume der Tiere und der Natur respektiert, gerade auch in der Großstadt.
Leider hinterlassen immer wieder illegale Besucher*innen Flaschen, Tüten und anderen Müll auf den Inseln und stören die natürlichen Bewohner*innen bei Futtersuche und Aufzucht ihres Nachwuchses.
Pflege- und Entwicklungskonzept
Jahrzehntelang gab es keine Biber in Berlin, seit Mitte der 1990er Jahre steigt die Anzahl der Tiere. Eine Schätzung aus 2016 geht von einem Biberbestand mit rund 80 Tieren aus. Baue gibt es auch im Tegeler See, im Schlosspark Charlottenburg oder im Treptower Park. Die Tiere sind aus Brandenburg nach Berlin eingewandert. Durch die Schleusen der Innenstadt können sie nicht durchschwimmen. Dementsprechend gibt es Biber in der Havel und in der Spree bis nach Mitte und andere in der Spree östlich von Berlin-Mitte einschließlich des Müggelsees, zu denen auch die Xhain-Biber gehören. Die Tiere sind Schwimmer, brauchen aber naturnahe Ufer, um Nahrung zu finden und sich ausruhen zu können. Kilometerlange steile, befestigte Uferwände bedeuten für den Biber den Tod. An der Schillingbrücke ist daher bereits im Jahr 2009 ein Biberausstieg angelegt worden. Auch hier wurden Biberspuren gefunden.
Das Umwelt- und Naturschutzamt Friedrichshain-Kreuzberg hat ein Pflege- und Entwicklungskonzept für die unter Naturschutz stehenden Inseln entwickelt. So sollen zum Schutz der Inseln Uferpalisaden erneuert, Schilfufer angelegt, Bäume angepflanzt oder ins Wasser gelegt werden. Ohne diese Maßnahmen würden die Inseln langsam aber sicher einfach wegspülen. Das Konzept wird jetzt an die neuen Insel-Bewohner*innen angepasst.
Kratzbruch und Liebesinsel sind letzte Refugien unberührter, „wilder“ Natur, mitten in der Großstadt. Daher sind sie mitten im urbanen Umfeld zu einem Zufluchtsort für Vögel und Biber geworden. Sie sind Hotspots der Biodiversität zwischen Häusern und Beton. Damit verdienen sie besonderen Schutz.