Am Krankenhaus Friedrichshain im Volkspark liegt der Friedhof der gefallenen Revolutionäre von 1848

„Der Friedhof gehört auf Grund seiner etwas abseitigen Lage zu den ruhigsten Teilen des Volksparks“, lautet bei Wikipedia der letzte Satz einer längeren Eintragung über den Friedhof der Märzgefallenen. So war das bei seiner Initiierung 1848 eigentlich nicht beabsichtigt. In der Tat, der rücksichtslose Zahn der Zeit hat hier 160 Jahre lang in besonderer Art und Weise mehr als nur genagt: Seine unruhige Geschichte, für einen Friedhof doch eher atypisch, ist fast ausschließlich politisch determiniert. Mehrfach umgestaltet, hat sich sein Erscheinungsbild gegenüber der ursprünglichen Intention nahezu ins Gegenteil verkehrt. Die Berliner Stadtverordneten beschlossen am 21. März 1848 die Errichtung eines Friedhofs für die Gefallenen der Barrikadenkämpfe des 18. März. Bereits einen Tag später wurden die 183 zivilen Opfer des Aufstandes auf dem Lindenberg, im Volksmund auch Kanonenberg genannt, beigesetzt. Es war die höchste Erhebung des damals noch im Aufbau befindlichen Volksparks Friedrichshain, weithin sichtbar sollte die Ruhestätte sein – Fanal und Symbol zugleich.

Was war passiert?

Ganz Europa wurde im Jahre 1848 von revolutionären Bewegungen erschüttert, ihre Zentren lagen in Paris, Wien, Berlin, Prag, Budapest und Mailand. So unterschiedlich die Losungen und Forderungen auch waren, als gemeinsamer Nenner wird gemeinhin die Emanzipation des Bürgertums angesehen. Die Initialzündung geschah durch die sogenannte Februarrevolution in Paris, wo der vorübergehend gemeinsame Kampf von Arbeitern und Bürgern zur Abdankung des Königs Louis Philippe und zur Ausrufung der Republik führte. Sogar ein Recht auf Arbeit wurde konstitutionell verankert. In Wien wurde die reaktionäre Galionsfigur Fürst Metternich gestürzt, in Mailand, Prag und Budapest kam es zu Aufständen gegen die reformfeindliche Unterdrückung durch die Habsburger.

Revolution auch in deutschen Landen

In Deutschen Landen nahmen die Ereignisse vom Großherzogtum Baden ausgehend ihren Lauf durch die so genannten Mittelstaaten und überall war man zunächst darum bemüht, die radikalen Forderungen nach Verfassung, Pressefreiheit, nationaler Einheit etc. zum Zwecke der Besänftigung aufzufangen. Regierungen wurden umgebildet (Märzkabinette) und Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung durchgeführt, welche in der Paulskirche in der damals Freien Stadt Frankfurt am Main zusammentrat. Nach schnellen anfänglichen Erfolgen, wie die weitgehende Aufhebung der Pressezensur, geriet die Bewegung nicht nur in den deutschen Gebieten wiederum ebenso schnell in die Defensive und wurde letztlich brutal niedergeschlagen. Es folgte, wie schon zuvor, eine Phase der Reaktion und Restauration, jedoch waren unwiderrufliche Zeichen gesetzt, zum Beispiel für den späteren Siegeszug der bürgerlichen Demokratien – schließlich basiert das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland auf der 1849 gescheiterten Paulskirchenverfassung. Karl Marx war als Zeitzeuge der Geschehnisse Redakteur bei der Neuen Rheinischen Zeitung und hatte sich eigentlich den Anstoß von Deutschland erhofft. Für ihn waren die heimischen Ereignisse eine „halbe Revolution, die eine ganze Konterrevolution zur Folge hatte“. Die Legitimität des Revolutionsbegriffes in diesem historischen Zusammenhang soll hier nur kurz gestreift werden, sagt man doch den Deutschen nach, dass sie aufgrund ihrer autoritären Disposition keine Revolution je zustande bringen könnten, jedoch sind ihre Geschichtsbücher im Hinblick auf 1848 randvoll mit diesem Terminus.

Der König beugte sein Haupt

In Berlin forderten die durchaus erfolgreichen Barrikadenkämpfe des 18. März einen Blutzoll, der in seiner deutlichen Mehrheit von Arbeitern und anderen Angehörigen der unteren Schicht geleistet wurde. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. versprach, alle Forderungen zu erfüllen, verneigte sich sogar vor den toten Märzgefallenen und gewährte schließlich für jene die Errichtung eines Friedhofes. Eine Entscheidung, die man nur zu gern wenig später wieder rückgängig gemacht hätte, denn bereits im ersten Jahr, im Juni 1848, kam es an den Gräbern zu einer ersten Demonstration von Studenten. Zum ersten Jahrestag des 18. März zog massiv Militär auf – vergeblich, Tausende ließen sich auch durch diese massive Präsenz nicht von einer Demonstration abhalten. In der Folge wurden dann an diesem Tag die Zugänge versperrt und schließlich entsprechende Demonstrationen gänzlich verboten. Versuche, durch Planierung und Verlegung der Gefallenen dieses ständige politische Ärgernis zu neutralisieren, scheiterten, auch Schikanen wie Kranzschleifenkontrollen verfehlten die beabsichtigte Wirkung. Zu Hilfe kam dann der Bau (1868 bis 1874) des städtischen Krankenhauses Friedrichshain an der Landsberger Allee in direkter Nachbarschaft des Friedhofs. Als Behandlungsstätte für die Armen und Schwachen war er eine späte Erfüllung der 48er Forderungen und bewirkte so nicht ungeschickt die Marginalisierung. Der Friedhof selbst liegt seitdem bis heute direkt an der Krankenhausmauer, durch die Zufahrtsstraße zum Haupteingang des Krankenhauses vom restlichen Volkspark abgetrennt. 1918 kommt es im Zuge der Novemberrevolution in insgesamt drei Gruben zu weiteren Beisetzungen, man sah sich in der Tradition zu 1848. Größere Umgestaltungen erfolgten 1925 und 1948, doch spätestens seit der so genannten Wende ist der Friedhof in einem Dornröschenschlaf versunken.

Neuer Glanz für die Märzgefallenen

Dieses historische Kleinod, welches der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hier besitzt, ist im Bewusstsein der Bevölkerung nicht annähernd seiner politisch-historischen Bedeutung für die bürgerliche Demokratie gemäß präsent. Das soll sich jetzt ändern: Der Paul-Singer-e.V. plant in Zusammenarbeit mit dem Kreuzbergmuseum den Friedhof der Märzgefallenen zum Mittelpunkt einer nationalen Gedenkstätte mit ständiger Ausstellung und Veranstaltungen, Führungen etc. zu machen. Ein entsprechender Antrag auf Förderung aus Lottomitteln ist gestellt und hat gute Chancen auf Bewilligung, zumal auch das Abgeordnetenhaus von Berlin hierzu eine parteiübergreifende Resolution verabschiedet hat. Die Geburtsstunde der deutschen Demokratie, als lebendiges Stück Geschichte dargestellt, sollte gerade für die Jugend den diffusen Reiz rechtsradikaler Parolen erheblich mindern helfen. axel w. urban