Der Görli, (C) ck

Der Görli wird als Sinnbild von Kriminalitätsduldung durch links-grün-versiffte Gutmenschen im Kiez und in der Bezirksregierung missbraucht. Und gerne wird suggeriert, dass nichts getan wird und es allen herzlich egal ist, was dort passiert. In wiederkehrender Regelmäßigkeit überereifern sich Medien und Politiker mit Vorschlägen und kampagnenähnlicher Berichterstattung. Wenn die CDU das schlimme Berlin vorführen will, lädt sie lustvoll zu einer Besichtigungstour in den Görli ein. Letztendlich zeigt aber genau diese CDU, dass ihr Innensenator, der 5 Jahre Zeit hatte, als Senator für Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung, kläglich versagt hat. Und weil der Senator ohnmächtig blieb, musste der Bezirk eigene Lösungen entwickeln, um den Park wieder zugänglich zu machen.

Der Weg zum Handlungskonzept
Der Görlitzer Park ist eine Grünfläche, die von der Anwohnerschaft in den 80ziger Jahren für den Wrangelkiez gefordert wurde. Seit nunmehr 30 Jahren gestalten Bezirksamt und Anwohnerschaft den Park gemeinsam. Die stattgefundenen Beteiligungsverfahren sind zahlreich. Dies muss man wissen, wenn man die aktuellen Prozesse verstehen will. Ohne Anwohner*innenbeteiligung geschieht im Park so gut wie nichts.

Der damalige Stadtrat Hans Panhoff hat folgerichtig verschiedene Ideenwerkstätten zur Parkgestaltung durchgeführt; aber auch viele Bürgerversammlungen, als die Situation zunehmend schwieriger wurde. Der Park wurde viele Sommer von Wanderarbeiterfamilien bewohnt und durch eine intensive, weltweite Tourismusbewerbung von Visit Berlin kamen immer mehr feierfreudige junge Leute in den Kiez und in den Park. Ab 2012/2013 kamen zunehmend mehr Männer in den Park, um Drogen zu verkaufen. Die Nachfrage stieg durch den Tourismus stark an und damit auch die Anzahl der Verkäufer. Die Parkeingänge wurden aggressiv belagert, niemand konnte mehr in den Park ohne angesprochen, angefasst und nachgelaufen zu werden. In den Park wollten viele Anwohner*innen nicht mehr rein, weil sie Angst hatten oder sich zumindest unwohl fühlten.

Der Bezirk hat ab 2014 verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um den Park wieder freier nutzbar zu machen. Der Stadtrat hat die Polizei zur Beratung hinzugezogen, was den Angstraum Park betrifft. Die Folge waren verschiedene Beschneidungen im Bewuchs, aber auch bauliche Maßnahmen. Das Bezirksamt hat die Polizei unterstützt durch Kollegen vom Ordnungsamt, um Präsenz im Park zu zeigen. Gemeinsam mit dem Finanzsenator wurde der Park ein Modellpark für die BSR, die seitdem täglich zum Reinigen kommt und eine große Wirkung erzielt. Der damalige CDU-Innensenator versuchte es mit viel Brimborium mit Nulltoleranzzonen, Task-Force und Razzien. Da im Park fast ausschließlich mit Cannabis gehandelt wurde und wir den Erfolg der ordnungspolitischen Aktionen eher nicht erkennen konnten, hat der Bezirk einen Antrag zum kontrollierten Cannabisverkauf beim BfArM gestellt. Dieser wurde abgelehnt.

Allen Maßnahmen zum Trotz, der Drogenhandeln im Park konnte weder eingeschränkt oder gar beendet werden. Die Anwohnenden waren und sind ambivalent. Einerseits soll der Handel aus dem Park und aus dem Kiez verschwinden, andererseits soll nicht noch mehr Polizei im Stadtteil präsent sein und die Razzien gegen Schwarzafrikaner wurden und werden von vielen sehr kritisch gesehen.

Das Handlungskonzept
In Kiez-Versammlungen wurde von Anwohnenden die Idee entwickelt, eine Art Manifest bzw. Regelwerk für den Görli partizipativ zu diskutieren und aufzuschreiben. Hans Panhoff hat das Anliegen aufgegriffen und es wurde die sog. AG-Görli gebildet. „Die AG bildete sich aus Interessierten der „Koordinationsrunde Görlitzer Park“ bzw. dem „Fachgespräch Parkranger“ und bestand aus Vertreter*innen der Verwaltung, sozialer Träger vor Ort und der Anwohnerschaft. Für die Arbeit der AG war es elementar, ihre Ideen ohne die Einschränkungen durch das tägliche operative Handeln entwickeln zu können. Sie unterlag keinen Vorgaben seitens Politik oder Verwaltung und erfuhr keinerlei Eingriffe in ihre Unabhängigkeit.“ (siehe Handlungskonzept)

Die AG legte im Mai 2016 das Handlungskonzept Görlitzer Park vor, welches mit seinem Leitbild (s.o.) damals wie heute eine sehr große Herausforderung für uns alle ist.

Leitbild des Handlungskonzeptes

  • „Wir setzen uns für einen Park für alle ein. Jeder Mensch hat das Recht den Park zu besuchen. Keine Gruppe darf diskriminiert werden, keine den Park dominieren.
  • Wir wollen eine faire Nutzung. Jeder Mensch muss den Park so nutzen, dass ihn auch andere unbeschwert nutzen können.
  • Wir wollen, dass die Anwohnerschaft bei der Nutzung angemessen berücksichtigt wird, schließlich entstand der Park auf deren Initiative.
  • Wir wollen keine Vertreibung von Menschen in sozial schwierigen Lebenslagen, sondern kümmern uns um sie.
  • Wir schaffen Stätten der Begegnung und Aktivität.
  • Wir sorgen für die Sauberkeit, die wir zum Wohlfühlen brauchen.
  • Wir fördern Maßnahmen, die bewirken, dass sich alle sichererfühlen können, ohne auf Law-and-Order zu setzen.
  • Wir stellen sicher, dass Ökologie und Naturschutz langfristig berücksichtigt werden.
  • Wir wollen die Vielfalt des Parks erhalten und die Verbindung zu den umliegenden Kiezen stärken.
  • Wir etablieren auf Dauer angelegte Instrumente der Bürgerbeteiligung.“ (s. Handlungskonzept)

Was wurde vom Handlungskonzept bis jetzt umgesetzt?
Es wurden einige der Empfehlungen des Handlungskonzepts bereits umgesetzt. So gibt es inzwischen einen Parkrat, der von ca. 1.400 Menschen gewählt wurde. Zusammen mit dem Bezirksamt hat der Parkrat eine Satzung erarbeitet, wie der Park gemeinsam mit Anwohner*innen und den Nutzer*innengruppen gestaltet werden soll. Darüber hinaus wurde ein Parkmanagement eingeführt, d.h. es gibt einen Parkmanager und die sog. Parkläufer. Ebenso finanziert der Bezirk im Park soziale Arbeit für Jugendliche und Erwachsene. Für mehr Sauberkeit wurde mit der BSR vereinbart, dass der Park weiterhin täglich gereinigt wird und es wurde entschieden, wo zukünftig ein Auslaufplatz für Hunde entstehen soll. Auch mehr öffentliche Toiletten wurden eingerichtet. Zudem finden auf mehrheitlichen Wunsch der Anwohner*innen zukünftig im Park keine Events mehr zum ersten 1. Mai statt.

Da wir zur Kenntnis nehmen mussten, dass alle polizeilichen Maßnahmen zur Reduzierung bzw. zur Abschaffung des Drogenhandels nicht wirksam waren, wurde im Handlungskonzept ebenfalls festgehalten, dass Ideen gesucht werden müssen, wie der Spagat zwischen freizeitlicher Parknutzung und Drogenverkauf gelingen kann.

Wie kann es weitergehen?
Zwei Ideen wurden und werden gerade sehr kontrovers diskutiert: Die markierten Stellplätze und der temporäre Getränkeverkauf an den Eingängen. Nun kann man sich darüber trefflich streiten, ob diese Vorschläge funktionieren oder nicht. Sich aber im Vorfeld schon jedes Mal zu ereifern, dass wir dadurch Kriminalität akzeptieren würden, bringt uns keinem Millimeter weiter. All jene, die dann immer gleich Schaum vor dem Mund haben, haben noch keinen einzigen wirksamen Vorschlag eingebracht.

Der dritte und jüngste Vorschlag ist die Schließung des Parks von 22:00 – 6:00 Uhr. Dieser Vorschlag ist überhaupt nicht neu. Er zeugt aber von einer irritierenden Unkenntnis der Vorort-Situation. Wenn der Park um 22:00 Uhr geschlossen würde, verteilen sich die Drogenverkäufer in den Wrangelkiez, zum Görlitzer Bahnhof, zum Schlesischen Tor und zum Schlesischen Busch nach Treptow. Dort sind die Tourist*innen, also die Käufer*innen. Die Partys in den Clubs dauern bis in die frühen Morgenstunden, der Absatz ist also garantiert. Geht der Park um 6:00 Uhr wieder auf, kommen die Dealer wieder zurück in den Park und es wurde nichts erreicht, außer einer Verdrängung um ein paar Meter für die Nacht. Würden wir das Dealen im Wrangelkiez inklusive des Görli durch Schließzeiten wirksam bekämpfen können, hätten wir es längst versucht.

Dass es nicht bleiben kann, wie es ist, ist allen klar. Dass Parkrat und Parkmanagement nicht die Lösung gegen das Dealen sind, wissen wir auch. Dass auch die Polizei nur stören, aber nicht die Dealerszene auflösen kann, beobachten wir seit über 7 Jahren. Daher werden sich die Bezirke Kreuzberg und Treptow, beide Polizeidirektionen, die Senatsinnenverwaltung und die Staatsanwaltschaft an einen Tisch setzen müssen, um intensiv über eine neue Lösungsstrategie nachzudenken.

Zum Schluss möchte ich allen empfehlen sich das Handlungskonzept selbst durchzulesen. Unter dem folgenden Link findet sich alles zum Görli. Es lohnt sich, sich einfach mal selbst ein Bild zu machen:

https://www.berlin.de/ba-friedrichshain-kreuzberg/politik-und-verwaltung/aemter/strassen-und-gruenflaechenamt/gruenflaechen/gruenanlagen/artikel.489464.php

Monika Herrmann, Bezirksbürgermeisterin für den Stachel September 2019