Die unzureichende Informationspolitik und die Haltung des Innensenators sowie der Polizei zeigen auf erschütternde Weise, dass die Sicherheitsbehörden immer noch nicht bereit sind, die längt überfällige Aufklärungsarbeit im NSU-Komplex zu leisten.

Im November 2011 wird die größte rechtsextreme Mordserie der Bundesrepublik Deutschland bekannt. Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) – Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe – kann zehn Jahre lang unerkannt von den Sicherheitsbehörden Morde verüben und Anschläge begehen. Im Zuge der Aufarbeitung des NSU-Komplexes werden Ermittlungspannen und Verstrickungen der Sicherheitsbehörden öffentlich. In Berlin kommen nicht nur mehrere relevante Vertrauenspersonen (VP) beim Berliner Landeskriminalamt (LKA) – also V-Männer der Polizei, sondern auch geschredderte Akten beim Verfassungsschutz ans Licht.

 

Zunächst wird bekannt, dass Thomas S. über zehn Jahre, von 2000 bis 2011, als VP beim Berliner LKA geführt wird. Thomas S. steht heute als Beschuldigter auf der sogenannten 129er Liste des Generalbundesanwalt (GBA). In den 90er Jahren war er mit Beate Zschäpe liiert, besorgte dem NSU-Trio Sprengstoff und vermittelte ihnen nach dem Untertauchen die erste Wohnung. Er hatte unmittelbaren Kontakt mit dem Trio und liefert während seiner VP-Tätigkeit mehrere Hinweise, die für den NSU-Komplex relevant sind. Doch die Berliner Polizei gab diese Informationen nicht an andere Behörden weiter.

 

 

 

Nick Greger – ein weiterer V-Mann mit NSU-Bezug

 

 

Im Januar 2014 wird bekannt, dass das Berliner LKA einen weiteren V-Mann mit NSU-Bezug führte. Nick Greger ist zwischen 2001 und 2003 VP des LKA. Er ist ein bundesweit bekannter militanter (Ex-) Neonazi. Im Jahr 2000 wird er verurteilt, weil er gemeinsam mit Carsten S. einen Sprengstoffanschlag auf politische Feinde plante. Carsten S. alias „Piatto“ ist V-Mann des Brandenburger Verfassungsschutzes und wird ebenfalls als NSU-Unterstützer beim GBA geführt.

 

Nick Greger behauptet im Dezember 2013 in einem Interview, Ende Oktober 2013 von zwei Berliner LKA-Beamten in Thüringen aufgesucht worden zu sein.

 

Grüne und Linke thematisieren den Vorfall Ende Januar 2014 im Innenausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses und erwarten von Senator Henkel Antworten und Aufklärung. Doch anstatt sein Versprechen der absoluten Transparenz einzulösen und unsere Fragen zu beantworten, verliert der Innensenator die Nerven und beschimpft uns im Ausschuss.

 

Die VP-Tätigkeit von Nick Greger sowie das Gespräch in Thüringen werden dann zwei Tage später bestätigt – doch bis heute leistet der Senat keine proaktive Aufklärungsarbeit und will im Fall Nick Greger keinen NSU-Bezug sehen.

 

 

 

NSU-Komplex aufklären und Lehren ziehen

 

 

So kann man der notwendigen Aufklärungsarbeit gegenüber den Angehörigen der Opfer nicht gerecht werden. Es wird Zeit einzusehen, dass der NSU aus mehr als drei Leuten besteht und die Neonaziszene in den 90ern ein Nährboden für die Entwicklung des NSU-Trios war. Der gesamte NSU-Komplex und das Ermittlungsversagen müssen endlich vollständig aufgeklärt werden, um notwendige Konsequenzen ziehen zu können. Es müssen grundlegende Reformen in der Struktur Berliner Sicherheitsbehörden eingeleitet werden.

 

 

 

Clara Hermann, Mitglied des Abgeordnetenhauses, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus