Patient Klaus Darge steht in Bademantel und Pantoffeln vor dem Bettenhaus, raucht erst einmal eine Zigarette, nach dieser Nachricht. Er ist gezeichnet von den Strapazen der vergangenen Tage, gerade erst wurde er operiert. Dann hat er erfahren, dass seine Mahlzeiten in einer Großküche zubereitet wurden, in der die Decke Risse aufweisen und die gesperrt werden musste. Ein Artikel aus der Berliner Morgenpost von Ina Brzoska und Wolf-Hendrik Müllenberg.

Er hat eigentlich gerade andere Sorgen. Trotzdem fragt er sich jetzt, unter welchen Hygiene-Bedingungen die Köche der Charité das Essen zubereiten. So richtig wundert ihn dieser Skandal aber nicht. Das ganze Haus, so sein erster Eindruck, sei in schlechtem Zustand. „Schon als ich hier ankam, hatte ich das Gefühl, dass bei der Charité die Zeit stehen geblieben ist“, sagt er.

Patient David Kytmannow aus Prenzlauer Berg ist davon überzeugt, dass die Charité schon länger von den Problemen weiß. Er hat von den finanziellen Problemen gelesen, er ist darüber informiert, dass die Charité hoch verschuldet ist. „Für die Patienten, die schon länger hier sind, ist diese Gewissheit sehr bitter“, sagt er. Und der 33-jährige Sven Bittner ergänzt: „Beim Essen ist Hygiene sehr wichtig. Immerhin sind wir hier alle krank, da sollten wir nicht auch noch über das Essen nachdenken müssen“, sagt er.

Vier Tage nach der Schließung der Charité-Küche sind Patienten des Bettenhauses verunsichert, sie stehen vor dem Foyer, sie diskutieren. Besonders transparent finden sie die Situation nicht. Auf Nachfrage bei Mitarbeitern gebe es keine konkreten Antworten. Eine Großküche wurde geschlossen, jetzt gibt es viele Gerüchte. Nicht nur die Patienten wundern sich, wie es dazu kommen konnte, dass die Charité, ein Uniklinikum, das weltweit für seine Spitzenmedizin bekannt ist, vom Gesundheitsamt die Auflage bekommt, die Küche zu schließen. Fest steht, dass das Gesundheitsamt am vergangenen Freitag nach einer unangekündigten Kontrolle über den Zustand der Großküche erschrocken war. Mehrfach habe man die baulichen Mängel kritisiert und zu deren Beseitigung aufgefordert, so das Bezirksamt. „Wir mussten die Notbremse ziehen“, sagte Christian Hanke (SPD), Bezirksbürgermeister von Mitte. Unklar ist noch, inwieweit die Verantwortlichen bei der Charité Service-Tochter CFM und der Geschäftsbereichsleitung darüber im Bilde waren, dass bereits vor einem Jahr vom Amt gleichlautende Mängel moniert worden waren. „Wir prüfen das jetzt nach. Aber wir schließen nicht aus, dass es interne Informationsdefizite gab“, räumte Charité-Sprecherin Claudia Peters ein. Die Geschäftsführer hatten kurz nach der Beanstandung gewechselt.

Auch die Abgeordnete reagierten auf die Nachricht erschrocken. „Es darf nicht sein, dass Berlins Aushängeschild seine Küche schließen muss“, sagte Heidi Kosche (Grüne). Bezüglich der bewilligten 330 Millionen Euro müsse die Charité nun alles daran setzen, die Sanierung sinnvoll zu gestalten. Es gebe so viele Baustellen, dass man sich jetzt gut überlegen müsse, wo es sich lohne, zu investieren.

Die FDP kritisierte, dass die Charité an ihrem schlechten Image teilweise selbst schuld sei. Überbordende Bürokratie sei das Hauptproblem, diese müsse schnellstens abgebaut werden. „Die Küchenschließung der Charité am Standort Mitte ist ein weiterer Beleg dafür, wie marode ihre Infrastruktur ist“, sagte der FDP-Abgeordnete Kai Gersch. Aufgrund baulicher Mängel werde die Sicherheit der Patienten gefährdet sowie die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter erheblich eingeschränkt. Die FDP, die schon länger die Verwaltung des Universitätsklinikums kritisiert, schlägt vor, sich auf den Ausbau des Benjamin-Franklin-Klinikums zu konzentrieren. Mit seinen 1500 Betten und der Beschränkung auf die medizinische Spitzenversorgung sei der Standort Steglitz geeignet, dort eine Konzentration der Patientenversorgung unter dem Dach einer eigenständigen Medizinischen Hochschule zu vereinen.

„Der Ruf des größten Berliner Unternehmens hat einen großen Schaden erlitten“, sagte Mario Czaja (CDU). Das derzeitige schlechte Image habe die Charité aber auch teilweise selbst verschuldet. Der CDU-Abgeordnete fordert: „Das Land muss jetzt erste Hilfe leisten, damit die Charité auch in Mitte wieder ihre Patienten ordentlich versorgen kann.“

Die SPD nahm die Klinkleitung in Schutz. „Die Charité wird mehr Geld brauchen und sie wird auch mehr Geld bekommen“, sagte der SPD-Abgeordnete Lars Oberg. Allerdings müsse sie in den nächsten Monaten zeigen, dass sie die bewilligten 330 Millionen Euro am Standort Mitte effizient verbaut. „Die Charité ist uns sehr wichtig und sie steht unter positiver Beobachtung“, sagte Oberg. Frühestens Ende 2013 könne über weitere Zuschüsse beraten werden.

Ausgerechnet die Großküche, die die Versorgung der Krankenhauspatienten übernehmen soll, ist seit Freitag gesperrt. Ein Mitarbeiter berichtete der Berliner Morgenpost von einer Putzaktion, an der sich 26 Leute beteiligt haben sollen. Doch auch nach dieser Reinigung konnte das Gesundheitsamt nach einer weiteren Begehung am Montag kein grünes Licht geben. Zumindest nicht, was die Warmspeisenzubereitung betrifft. 1400 Menüs zusätzlich

Seit Montag wird am Campus-Benjamin-Franklin für Mitte mitgekocht. „Natürlich bedeutet das einen logistischen Mehraufwand“, sagt Matthias Klingenstein, der Bereichsleiter für die Patienten- und Mitarbeiterverpflegung. Klingenstein steht in einer blitzblank geputzten Großküche in Steglitz. Bislang seien die Kosten noch nicht abschätzbar. In gigantischen Töpfen und Pfannen sind hier die Suppen und Mittagsmenüs des Tages zubereitet worden. Sechs zusätzliche Köche stellen in Steglitz mit ihrem Team die Notfallversorgung für den Campus an der Luisenstraße sicher.

Ihr Dienst beginnt früher als er in Mitte begann, um vier Uhr in der Früh geht es in Steglitz los. 1400 warme Speisen müssen am Campus-Benjamin-Franklin nun zusätzlich angerichtet werden. Große Lastwagen karren fünf Mal am Tag die Suppen und Mittagsmenüs in großen Thermoboxen nach Mitte.