Das Kottbusser Tor, mitten im Herzen Kreuzbergs, ist über die Stadtgrenzen hinaus bekannt als ein Ort der Widersprüche. Für manche Inbegriff von Vielfalt und Multikulturalität – für andere ein Hotspot an Kriminalität und Verwahrlosung im öffentlichen Raum.

Hier treffen verschiedenste Menschen aufeinander: Gewerbetreibende, Tourist*innen, Drogenabhängige, Kriminelle sowie Anwohner*innen. Sie alle prägen das Straßenbild des Kotti.

Polizeilich wird der Bereich als KbO (Kriminalitäts-belasteter Ort) geführt, was mit mehr Polizeipräsenz und -befugnissen einhergeht, die zurecht durch zivilgesellschaftliche Akteure und auch uns Grüne immer wieder kritisiert werden. Dennoch gibt es viele Probleme, auch die Pandemie-Jahre konnten die negative Entwicklung nicht aufhalten, im Gegenteil: Laut Kriminalstatistik stieg die Anzahl der Delikte von vorher knapp 3.000 Straftaten auf 3.624 im letzten Jahr – ein neuer Höchstwert. Darunter sind zwar größtenteils gewaltlose Verstöße, wie z.B. Rauschmittel- oder Aufenthaltsrechtsdelikte, dennoch haben auch Taschendiebstähle, Ladeneinbrüche und auch gewalttätige körperliche Übergriffe stark zugenommen.

Zur Wahrheit gehört: Viele Anwohner*innen und Gewerbetreibende fühlen sich vor allem nachts nicht sicher und die Statistik gibt ihnen recht. Es geht hier nicht um konservative Law-and-Order Fantasien, sondern um sich verfestigende Strukturen, die von den zuständigen Behörden und der Politik von der Bezirksebne bis zum Senat nicht ignoriert werden können.

 

Ein Gesamtkonzept für den Kotti

Die neue Innensenatorin Iris Spranger (SPD) hat daher angekündigt, eine Polizeiwache mit festem Sitz direkt am Kotti einzurichten. Dafür wurde in den ersten hundert Tagen des neuen Senats ein erstes Konzept erarbeitet. Dabei geht es nicht nur um den Ort, an dem die neue Wache sein wird, sondern vor allem um den genauen Auftrag. Polizeikräfte vor Ort sind von Beginn an mit Misstrauen und Kritik konfrontiert. Umso wichtiger ist es, dass sich die Polizei- bzw. Sicherheitsarbeit an den Bedürfnissen und Anliegen der Menschen am Kotti orientiert. Es muss das Ziel sein, die Sicherheit für alle zu erhöhen und nicht, Drogenabhängige, Obdachlose oder Migrant*innen schlicht zu vertreiben.

Aus der misslungenen Null-Toleranz-Strategie am Görlitzer Park muss gelernt werden: Mehr Polizei allein löst das Problem nicht. Deshalb ist es auch so wichtig, dass ein Fixpunkt mit einem Gesundheitszentrum einschließlich Drogenkonsumraum am Kotti eröffnet wird. Außerdem brauchen wir mehr aufsuchende Sozialarbeit, mehr Maßnahmen zur Müllbeseitigung und auch städtebauliche Maßnahmen, vor allem Entsiegelung, mehr Begrünung, mehr Verkehrssicherheit bis hin zu einer besseren Beleuchtung. Wir Grüne beraten aktuell über einen Fraktionsantrag im Berliner Abgeordnetenhaus, der vom Senat ein Gesamtkonzept am Kottbusser Tor fordert, welches all diese Aspekte zusammendenkt.

 

Beteiligung und Verständnis

Eine Wache darf keine Symbolpolitik sein, sondern muss auf der einen Seite effektiv dazu beitragen, schwere Kriminalität zu bekämpfen, und auf der anderen Seite auf Augenhöhe vor Ort ansprechbar für die Menschen sein. Dabei ist es besonders wichtig, ortskundige Kontaktbereichsbeamt*innen zu stärken und die Akteure vor Ort eng mit einzubeziehen.

Ohne Akzeptanz im Kiez wird eine Wache keinen Mehrwert bringen. Alle relevanten Akteur*innen in Kreuzberg müssen von Beginn an ernst genommen und eng angebunden werden. Und das nicht nur, bis es eine Wache gibt, sondern auch darüber hinaus.

Auch wenn sich vielleicht manche aus der Opposition das wünschen: Das Projekt Kotti-Wache ist kein Selbstläufer. Es muss eng begleitet, evaluiert und wo notwendig angepasst werden. Hier müssen Land und Bezirk am selben Strang ziehen. Und klar muss sein: Es wird keinen Freifahrtschein für die Polizei geben. Ein Gesamtkonzept muss her, das für mehr Sicherheit und Aufenthaltsqualität sorgt und den einzigartigen, vielfältigen Charakter dieses Ortes im Herzen von Kreuzberg bewahrt.

 

Vasili Franco, Mitglied des Abgeordnetenhauses

 

Dieser Artikel erschien zuerst im Stachel, der bündnisgrünen Parteizeitung in Xhain.