Initiator*in: B’90/Die Grünen, Werner Heck

Dringlichkeitsantrag

Die Bezirksverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Bezirksverordnetenversammlung von Friedrichshain-Kreuzberg nimmt die Nichtverlängerung des Mietvertrages der Kunst- und Kulturstätte Jonny Knüppel am Schleusenufer durch die Lohmühleninsel Liegenschaften GmbH mit großem Bedauern zur Kenntnis. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verliert damit einmal mehr einen Ort einer alternativer Subkultur, die die kulturelle Vielfalt und Identität des Bezirks entscheidend geprägt haben und nun zum Opfer einer zunehmenden
Kommerzialisierung und allein auf höchstmögliche Rendite schielende Vermarktung ehemalig subkulturell geprägter Freiräume wird.

Das Bezirksamt wird deshalb beauftragt, das Gespräch mit dem Besitzer des Areals, auf dem sich die Kunst- und Kulturstätte Jonny Knüppel befindet, der Lohmühleninsel Liegenschaften GmbH, zu suchen, dabei deutlich zu machen, dass der Bezirk großes Interesse am Weiterbestand von alternativen, subkulturellen Veranstaltungs-, Kunst- und Kulturstandorten wie dem Jonny Knüppel hat und sich für eine Verlängerung des Mietvertrages einzusetzen, die einen Weiterbetrieb eines nichtkommerziellen Kunst- und Kulturstandortes ermöglichen würde, der nicht darauf angewiesen
ist, eine Miete erwirtschaften zu müssen, die sich nur durch kommerzielle Partyveranstaltungen realisieren ließe.

Sollte dieser Versuch nicht erfolgreich sein:

1. Die Macher*innen der Kunst- und Kulturstätte Jonny Knüppel dabei zu unterstützen, zumindest eine angemessene Übergangsfrist auszuhandeln, die es ihnen ermöglicht, den bisherigen Standort auf der angemieteten Fläche zumindest solange weiter nutzen zu können, bis ein Ausweichgelände gefunden und ein geordneter Umzug zu bewältigen ist.

2. Die Macher*innen der Kunst- und Kulturstätte Jonny Knüppel dabei zu unterstützen, ein geeignetes Ausweichgelände möglichst in Friedrichshain-Kreuzberg zu finden, auf dem zumindest eine längerfristige Zwischennutzung als Kunst- und Kulturstätte möglich wäre, beispielsweise auf Vorhalteflächen für den geplanten Bau der A100 oder Grundstücken, wo eine Bebauung oder anderweitige Nutzung in den nächsten Jahren nicht geplant oder absehbar ist.

Begründung:

Die Crowdfunding-Kampagne der Kunst- und Kulturstätte Jonny Knüppel in Kreuzberg hat Anfang des Jahres für viel Aufsehen gesorgt. In einem Kraftakt haben die Macher*innen dahinter alles getan, um das drohende Ende abzuwehren. Über 2000 Unterstützer hofften auf die Rettung des beliebten Projekts und kurz gab es Hoffnung. Am Ende half alles nichts:
Der Eigentümer verlängert den Mietvertrag nun doch nicht, der Vorhang fällt. Nach langem Ringen steht nun fest: Der
Knüppel am Kreuzberger Schleusenufer muss das Feldräumen.

Bis zum 1. Mai soll das Gelände besenrein übergeben werden. Für die Gruppe ist das nach langem Kampf, hohen Investitionskosten und unzählbaren Arbeitsstunden ein Schock. Die genauen Gründe, warum der Mietvertrag letztendlich doch nicht verlängert wurde, sind nicht ganz klar. Aus einem Schreiben der Eigentümer des Geländes jedoch lässt sich schließen, dass mit dem geplanten Verzicht der Macher*innen des Jonny Knüppel auf größere kommerzielle
Partyveranstaltungen, der Konzentration auf Konzerte, Kunst- und Kulturveranstaltungen sowie Untervermietung zur Mitnutzung an Künstler*innen und der daraus resultierenden Anfrage, die geforderte Miete entsprechend anzupassen, eine Reduzierung der Rendite befürchtet wurde.

Der Jonny Knüppel beherbergte über die letzten drei Jahre renommierte Jazz-Veranstaltungen und war zugleich erste Anlaufstelle für Untergrundpioniere der elektronischen Musikszene. Mit ausgewählten Veranstaltungen positionierte er sich als Schnittstelle zwischen Hochkultur und Untergrund, als Bindeglied zwischen Kunst und der Gestaltung des international bekannten Hauptstadtnachtlebens. Zudem war der Knüppel in den letzten Jahren zu einem Ort der Zusammenkunft für unzählige zivilgesellschaftliche Initiativen und Kollektive geworden, die sich für Kunst im öffentlichen Raum, Stadtentwicklung und soziale Einbindung engagieren. Ein Ort der Zusammenkunft, der nicht primär von wirtschaftlichen Interessen getrieben, sondern von kulturellem und sozialem Engagement geprägt ist.

Nach Beschwerden aus einem Wohnhaus, das in direkter Nachbarschaft auf der Lohmühleninsel steht, waren umfangreiche Schallschutzmaßnahmen nötig geworden. Die dafür erforderlichen Mittel wurden mithilfe einer Crowdfunding-Kampagne beschafft. 2000 Menschen spendeten bis Februar 70.000 Euro. In ihrer Pressemitteilung zur „Causa Knüppel – Von der Kulturlandschaft zur Betonwüste?“ schreiben die Macher*innen des Jonny Knüppel hierzu: „Man könnte fast von öffentlichem Interesse sprechen! Aber wen kümmerts? Was die Bürger mit ihrer Stadt machen wollen, wie sie leben wollen, liegt nicht in ihren Händen. Wem gehört die Stadt? Naja, wer hat, dem wird gegeben.

Der Rest kann gehen: Niedrigschwellige Kulturangebote wie im Knüppel, mit Konzerten, Ausstellungen, Performances, Partys, Workshops, Gemeinschaftsgarten und Zentren politischer Bildung im Herzen der Stadt letztlich was die Leute meinen, wenn sie von Berlin schwärmen, gibt es bald nicht mehr. Das für seine Alternativkultur weltweit bekannte und geliebte Kreuzberg stirbt.

Mit dem Knüppel muss auch das Künstlerkollektiv dahinter weichen. Wir räumen das Feld, wir machen Platz. Platz für das nächste renditeträchtige Betongrab, in dem der Berliner Charakter endlich seine letzte Ruhe findet. Die Hoffnung der Gruppe liegt nun darin, ihre Utopie an anderem Ort weiterentwickeln zu können. Eine Kunst- und Kulturstätte für alle und für eine andere Welt. Die Gruppe sucht ab sofort ein geeignetes Gelände.“

Friedrichshain-Kreuzberg, den 24.04.2018
Bündnis 90/Die Grünen
Antragsteller: Werner Heck

PDF zur Drucksache