Seit 20 Jahren wird in Afghanistan schon Krieg geführt. 2001 wurden US- und NATO-Truppen auch der Bundeswehr für den von George W. Bush erklärten „War on Terror“ nach Afghanistan geschickt, um die Verantwortlichen für die Anschläge in New York und Washington, Bin Laden und Al Kaida, zu jagen. Die waren nach einem halben Jahr getötet oder geflohen.

Inzwischen war der Einsatz ausgeweitet worden und die Interventionstruppen hatten verbündet mit Milizen afghanischer Warlords die regierenden Taliban aus der Regierung und weiten Teilen des Landes vertrieben. Der Krieg wurde fortgesetzt, um „unsere Freiheit am Hindukusch zu verteidigen“, wie der damalige deutsche Verteidigungsminister Peter Struck den weiteren Einsatz der Bundeswehr zu rechtfertigen versuchte.

Inzwischen dauert der Krieg gegen die Taliban 20 Jahre. Länger als beide Weltkriege zusammen. Die jüngsten NATO-Soldat*innen, die am Einsatz beteiligt sind, waren noch nicht geboren, als der Krieg begann. Der Krieg hat hunderttausenden Menschen das Leben gekostet – ganz überwiegend Zivilisten. Jahr für Jahr hat die Bundestagsmehrheit der Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr zugestimmt. Dies, obwohl jedes Jahr weitere tausende Menschen durch den Krieg starben und die Sicherheitslage immer schlechter wurde. In der Grünen Fraktion gab es in den letzten Jahren keine Mehrheit für die Einsatzverlängerung.

Und jetzt werden die Truppen genauso planlos abgezogen. Die Einführung einer demokratischen Gesellschaft ist gescheitert. Und die Regierung, in der die Warlords stets eine große Rolle spielten, ist korrupt. Regierungsmitglieder flogenn am Flughafen mit Koffern voller Dollars auf. Afghanistan gilt als eines der gefährlichsten Länder der Welt.

Wir konnten uns beide als Bundestagsabgeordnete ein Bild von der Lage vor Ort machen. Wir haben stets gegen den Einsatz im Parlament abgestimmt. In vielen von uns vor Ort geführten Gesprächen wurde klar, dass der Kriegseinsatz zu keiner Lösung führt. Bundeswehrsoldat*innen vor Ort konnten nicht „die Köpfe und Herzen der Menschen gewinnen“, wie immer wieder proklamiert wurde. Außer zu den Einsätzen dürfen sie nur ganz selten die militärischen Stützpunkte verlassen, und selbst dann nur in gepanzerten Fahrzeugen.

Schon jahrelang war absehbar war, dass der Krieg nicht gewonnen werden konnte. Trotzdem plante die Minister*innen  Einsätze für weitere Jahre.

Es ist an der Zeit aufzuarbeiten, warum der Kriegseinsatz von Anfang an falsch war. Sonst droht die Wiederholung wie etwa derzeit in Mali, wo erst kürzlich zwölf deutsche Soldat*innen verletzt worden sind. Auch hier ist unklar, was eigentlich mit der militärischen Intervention erreicht werden soll und kann.

Auch in Afghanistan hätte es andere Wege zur Lösung der Probleme gegeben  als Krieg. In Verhandlungen mit Stammesführern und auch mit Taliban hätte versucht werden müssen, Auslieferung oder Ausweisung der Al Kaida-Leute zu erreichen.

Spätestens nach einem Jahrzehnt war klar, dass der Einsatz gescheitert und der Krieg verloren ist. Die Bundesregierung hätte alles für Verhandlungen zu einem Waffenstillstand tun müssen. Es gab schon lokale und regionale Vereinbarungen mit Taliban zu Waffenstillstand, die auszubauen gewesen wären.

Die Bundesregierung hätte  deeskalierende Gespräche mit allen Konfliktparteien direkt vor Ort führen sollen, so wie sie in der Vergangenheit in Einzelfällen von der Bundeswehr schon erfolgreich geführt wurden.

Deutschland sollte sich lieber als Makler profilieren und Verhandlungstische schicken statt Soldat*innen und Waffen.

Auch jetzt sollten wir versuchen, die Situation der Zivilgesellschaft zu verbessern, indem wir großzügige materielle Hilfen anbieten, die aber in Gesprächen mit Taliban an die Achtung von Menschenrechten und insbesondere von Rechten und den Schutz von Frauen geknüpft werden.

 

Canan Bayram (MdB) und Hans-Christian Ströbele