Wie kann es sein, dass für Autobahnen enteignet werden darf, für den Erhalt von Wohnraum aber nicht. Das muss sich ändern.

Seit 10 Jahren machen der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und viele Initiativen auf die Wohnungsnot in Berlin aufmerksam und fordern, Eigentümer*innen in die Schranken zu weisen. Dennoch wurde viele Jahre zu wenig getan und noch vor sieben Jahren hat der rot-rote Senat landeseigene Wohnungen verkauft. Langsam setzt sich die Erkenntnis auf Landesebene durch, dass es neben dem Neubau von Wohnungen auch den Ankauf bestehender Wohnungen braucht. Aber man fragt sich, welche Preise muss der Senat bezahlen, um die soziale Mischung in den Kiezen endlich vor Verdrängung zu schützen? Muss der Staat tatsächlich Mondpreise zahlen, um seiner Pflicht zur Sicherung preiswerten Mietwohnraums nachzukommen? Derzeit ist es selbst bei dem kommunalen Vorkaufsrecht so, dass in der Regel die Eigentümer den Kaufpreis 20-29 Prozent über den gutachterlich ermittelten Verkehrswert ansetzen, um vor Gericht nicht zu scheitern und dennoch ihre Profitinteressen durchzusetzen.

Und man fragt sich, warum das Eigentum so stark über dem Recht auf Wohnen steht? Denn in Artikel 14 des Grundgesetzes steht nicht, dass Eigentum heilig sei, sondern dass Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Dient es dem Wohl der Allgemeinheit, wenn Eigentümer*innen – wie z.B. Padovic in Friedrichshain-Kreuzberg über 5000 Wohnungen – haben und sich um Mieter*innenrechte nicht scheren? Nein, sicher nicht, denn das Wohl der Allgemeinheit ist vielmehr die Abwendung von Verdrängung der Mieter*innen und der Schutz vor Wohnungslosigkeit. Und je stärker die Verdrängung und die drohende Wohnungslosigkeit ist, sollte man meinen, dass der Staat alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzt.

Wohnungen vor Spekulation schützen

Es stellt sich die Frage, ob bzw. wie das Instrument der Enteignung eingesetzt werden kann. Zum Wohle der Allgemeinheit wäre die Enteignung möglich, d.h. der Staat könnte die Mieter*innen schützen, indem er die Spekulant*innen ausbremst. Dabei wäre er nicht auf ein Vorkaufsrecht in zuvor ausgewiesenen Milieuschutzgebieten beschränkt. Hierfür müssten die gesetzlichen Grundlagen im Baugesetzbuch auf Bundesebene so geändert werden, dass zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben zur Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum das Instrument der Enteignung zulässig wäre. Dann hätte der Staat eine echte Spekulationsbremse, die er immer dann einsetzen könnte, wenn Wohnungen drohen zur Ware werden.

Dass der Staat bereit ist das Instrument der Enteignung zu nutzen, wenn ihm die Aufgabe wichtig genug ist, sieht man im Bundesfernstraßengesetz. Dort ist aufgeführt, dass die Enteignung zum Bau von Autobahnen nach vorher festgelegtem Plan möglich ist. Aber Friedrichshain-Kreuzberg und Berlin brauchen keine neuen Autobahnen a la A100. Berlin braucht derzeit dringend mindestens ca. 150.000 Mietwohnungen, die von den Menschen auch bezahlt werden können und die wird es nicht aus einer Kraft bauen können, sondern die muss sie den Miethaien und Spekulant*innen durch Recht und Gesetz aktiv entziehen.

Canan Bayram
Wahlkreiskandidatin WK 83
Friedrichshain-Kreuzberg/Prenzlauer Berg-Ost

Katrin Schmidberger
Mitglied des Abgeordnetenhauses
Wohnungspolitische Sprecherin