Magere Ergebnisse der UN-Artenschutzkonferenz in Bonn
Biologische Vielfalt – da denken viele zuerst an blühende Wiesen, wilde Tiere im Dschungel, Korallenriffe und bunte Fische im Meer. Doch das ist nur ein Blickwinkel auf Biodiversität – auf UN-Ebene diskutiert man über Biopatente, Arten-Schutzgebiete und eine weitere Verrechtlichung von Ökologiepolitik. Ein knallhartes Tauziehen um Interessen – und um Geld. Ariane Marietta Meier war bei der Konferenz dabei, für den Stachel kommentiert sie die Ergebnisse. Die Ergebnisse der 9. UN-Konferenz über die biologische Vielfalt, die vom 19. bis 30. Mai in Bonn tagte, bleiben hinter den Erfordernissen zurück, die sich aus dem dramatischen Artensterben weltweit ergeben. Angesichts der Tatsache, dass einstimmige Beschlüsse nur schwer zu erzielen sind, ist es aber ein Erfolg, dass überhaupt Konkretes beschlossen wurde.
Zu begrüßen ist die Einrichtung eines Biodiversitäts-Rates, ähnlich dem IPCC. Sollte er ähnlich erfolgreich wie der UN-Weltklima-Rat arbeiten, könnte er die Sensibilisierung für die Bedrohung der Biodiversität weiter erhöhen. Auch die Studie „The Economics of Ecosystems and Biodiversity (TEEB)“ schließt an Strategien in der Klimapolitik an: In diesem Politikfeld war es der „Stern Review on the Economics of Climate Change“, kurz der „Stern-Report“, der erstmals die Kosten des Klimawandels bezifferte. Durch den „Stern-Report“ war es gelungen, breite Bevölkerungsschichten und die Staatengemeinschaft auf der ökonomischen Ebene für eine nachhaltige Politik zu motivieren. Ähnliches erhofft man sich von der genannten Biodiversitäts-Studie (TEEB) – hier stellt sich die Frage: „Was ist die biologische Vielfalt wert?“ Bisher geht man davon aus, dass der Verlust biologischer Vielfalt zwei bis drei Billionen Euro pro Jahr kostet – sechs Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts. Im Bereich des Meeresschutzes wurden in Bonn endlich Kriterien für Schutzgebiete auf hoher See beschlossen: Eine Arbeitsgruppe soll dieses Thema weiter verfolgen. Praktisch lassen Ergebnisse aber noch auf sich warten: Knackpunkt ist wie so häufig das Geld. Bis zu 30 Milliarden Euro pro Jahr sind notwendig, um Schutzgebiete in den Meeren und an Land zu finanzieren. Bislang werden jährlich lediglich vier bis sechs Milliarden Euro aufgewendet. Nur wenige Länder haben sich für eine Finanzierung bereit erklärt – und das, obwohl sich ungefähr 30 Entwicklungsländer gemeldet hatten, darunter die Demokratische Republik Kongo mit 15 Millionen Hektar Regenwald.
Die Staatengemeinschaft einigte sich außerdem auf auf das „Bonner Mandat“ gegen Biopiraterie – dieses soll in den nächsten zwei Jahren in ein Vertragswerk münden. Hintergrund: Pharma-Konzerne schicken ForscherInnen in tropische Urwälder, afrikanische Savannen, australische Wüsten, um bei den Medizinmännern und -frauen traditionelle Rezepte zu finden. Die Recherche nach den unbekannten Wirkstoffen ist lukrativ: Wenn die traditionellen Medikamente auf den westlichen Markt kommen, winken Millionengewinne. Die Pharma-Industrie sichert sich die Patente – die Menschen vor Ort gehen leer aus und werden für das jahrhundertealte Wissen nicht vergütet. Hier muss es zu einem gerechteren „Vorteilsausgleich“ kommen. Deswegen wurde in diesem Bereich eine Arbeitsgruppe mit einem festen Zeitplan auf den Weg geschickt: Bis zur nächsten Konferenz soll eine Vorlage für ein Vorteilsausgleich-Protokoll erarbeitet werden. Ob Kanada und Japan dann einem rechtlich verbindlichen Abkommen zustimmen, blieb allerdings offen.
Aus Sicht der Opfer von Biopiraterie ist das – die Einrichtung der Arbeitsgruppe zum Thema – zu wenig: Es gebe keine Fortschritte in der Substanz. Die Delegierten der indigenen Völker appellierten in ihren Abschlussreden an alle Delegierten, die nächsten zwei Jahre zu nutzen, um ein rechtlich verbindliches Regime unter Einbeziehung der indigenen und lokalen Bevölkerung vorzulegen. Außer der Bundesrepublik Deutschland setzte sich keiner der acht großen Industriestaaten für die Finanzierung des Erhalts der biologischen Vielfalt ein. Weiterhin konnten beim internationalen Waldschutz und beim Verbot des illegalen Holzeinschlags und -imports keine substanziellen Fortschritte erzielt werden. Enttäuschend auch: Die Vertragsstaaten konnten sich auf keine konkreten Beschlüsse zum natur- und sozialverträglichen Anbau von Agrotreibstoffen einigen. Auch das Scheitern der Idee, die Strategien gegen den Klimawandel enger zu verbinden mit der Politik zum Erhalt der Artenvielfalt, ist kein ermutigendes Signal aus Bonn.
Das Resümee der Bundesregierung, dass nun die Arbeit erst richtig beginnen wird, stimmt also. Bündnis 90/Die Grünen werden die deutsche Biodiversitäts-Präsidentschaft in den nächsten zwei Jahren aufmerksam, konstruktiv und tatkräftig begleiten, damit die in Bonn begonnene Entwicklung auch wirklich Fahrt aufnimmt. Die reichen Nationen müssen endlich ihren Anteil für die Finanzierung von Schutzgebieten und für den Urwaldschutz bereitstellen. Auf dem G8-Gipfel in Japan müssen die Industriestaaten verbindliche finanzielle Zusagen machen, insbesondere für den Waldschutz. Gerade in diesem Politikfeld agiert die Bundesregierung jedoch widersprüchlich: Die Initiative der Bundeskanzlerin, 500 Millionen Euro für den internationalen Waldschutz zu geben, passt nicht mit der Klima- und Agrarpolitik der Bundesrepublik zusammen, welche die Zerstörung des Tropenwaldes durch Futtermittel- und Biokraftstoffimporte fördert.
Biodiversitätspolitik wird von den Ressorts nicht als Querschnittsaufgabe verstanden. Die nationale Biodiversitätsstrategie muss in den Ressorts sowie in Ländern und Kommunen konsequent umgesetzt werden. Dies erfordert einen rechtlichen Rahmen durch ein ambitioniertes Umweltgesetzbuch. Die neunte Vertragsstaatenkonferenz hat die Lähmung der internationalen Staatengemeinschaft beim Arten- und Naturschutz deutlich gemacht. Die Europäische Union hat in Bonn leider in vielen Feldern nicht gemeinsam und einheitlich verhandelt. Positiv zu bewerten ist die konstruktive Arbeit und das diplomatische Geschick der bundesdeutschen Delegation, die die Konferenz vor dem Scheitern bewahrt hat. Dennoch wurden wichtige Entscheidungen auf die nächste Konferenz vertagt.
Ariane Meier