Friedrichshain ist über Berliner Grenzen hinaus bei Einheimischen und TouristInnen für seine eher alternative Ausgeh-Szene bekannt. Um so überraschender ist es, dass Friedrichshain seit Jahren die traurige Liste rechtsextremer und rassistischer Übergriffe der Opferberatungsstelle "ReachOut" in Berlin anführt.

Kneipen und Imbisse stellen häufig die Ausgangspunkte rechtsextremer Taten dar. Die Initiative gegen Rechts hat mit ihrer Mappe „Service-Wüste für Nazis“ eine Handreichung für Gewerbetreibende im Kiez konzipiert. Warum eigentlich und was soll das überhaupt bewirken?

Service-Wüste für Nazis

Die Antwort ist simpel: Mit der Aktion sollen Gewerbetreibende über die Situation und die Zusammenhänge im Bezug auf Rechtsextremismus aufgeklärt und ihnen Handlungsmöglichkeiten geboten werden, wie man seine Kneipe, sein Restaurant oder seinen Laden und dessen BesucherInnen vor Nazis schützt und die braune Brut vom eigenen Gewerbe fernhält – gerade weil man Nazis im Jahr 2009 gar nicht mehr auf den ersten Blick erkennen kann. Sie tragen „Che Guevara“-Shirts, Palitücher oder „Thor Steinar“-Pullover und sind durchaus auch gepierced. Keineswegs der alte Einheitslook mit Glatze und Bomberjacke. Auch über solche neuen (Mode-) Entwicklungen und Erkennungszeichen in der rechtsextremen Szene klärt die Mappe LeserInnen auf.

Versteckte Symbole machen Nazis kenntlich

Im 21. Jahrhundert muss man mehrmals hinsehen und unter Umständen kann man Rechtsextreme nur an versteckten Symbolen oder Zeichen erkennen. Aber auch ein genaues Achten auf den Inhalt der Veranstaltung, für die man seine Räumlichkeiten vermietet ist ratsam. Handelt es sich wirklich um eine harmlose Geburtstagsfeier, oder trifft sich gerade eine braune Kameradschaft?

Viele Inhaberinnen und Inhaber von Gastronomiebetrieben wissen zudem nicht, dass sie sich per Hausordnung und beim Abschluss von Verträgen gegen Rechtsextreme schützen können. Niemand muss dulden, dass seine Kneipe oder sein Laden zum Treffpunkt für Rechte wird, die dort nicht erwünscht sind, andere Kundschaft vertreiben und dem Betrieb neben einem schlechten Image auch einen wirtschaftlichen Schaden verursachen.

Schlechtes Image durch Nazikundschaft

Selbiges gilt auch für Täuschungen bei der Anmietung von Gewerberäumen – wie zum Beispiel geschehen bei den „Thor-Steinar“-Läden in Magdeburg und Berlin. Auch in diesen Fragen gibt die Handreichung der Initiative gegen Rechts wertvolle Tipps.

Durch einen Aufkleber mit der Aufschrift „Für Nazis keine Happy Hour“ kann jeder Gewerbetreibende deutlich im Schaufenster Stellung beziehen und zeigen, dass Nazis hier keinen Platz finden. Wer geht schon gerne in eine Location, in der man offensichtlich nicht willkommen ist – bei Betreibenden und bei den anderen Gästen? Das ist ein wichtiges Zeichen für Menschen, die aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer offensichtlichen Zugehörigkeit zu einer Minderheit ganz besonders durch Rechtsextremismus bedroht sind. Hier gilt es, den Betroffenen Räume zu schaffen, in denen sie sich frei und ohne Angst aufhalten können, und nicht den VerursacherInnen. Ein Kiez und seine Gewerbetreibende dürfen Opfer rechter Gewalt nicht alleine lassen. Dazu gehört auch: Einmischen statt Wegschauen, und weitere Informationen und Beratungshilfen aufzuzeigen.

Wenn Gastronomen und Händler/innen in einem Kiez sich zusammenschließen und viele Gewerbetreibende einen Aufkleber im Fenster oder an der Tür haben, der zeigt, dass die Räumlichkeiten nazifrei sind, wird schnell ein Zeichen der Solidarität und der gemeinsamen Ablehnung von Menschenfeindlichkeit und Intoleranz gesetzt. So kann sich ein Viertel erfolgreich gegen die schleichende braune Invasion wehren und rückt zudem enger zusammen.

Keinen Fußbreit den Faschisten

Läden, Kneipen und Imbissbuden tragen entscheidend zum Klima eines Viertels bei. Weltoffenheit und die Weigerung, mit Intoleranz Geschäfte zu machen, wertet jeden Betrieb und jedes Viertel auf.

„Keinen Fußbreit den Faschisten“ – für ein offenes und freundliches Zusammenleben im Kiez, dazu können alle beitragen, auch Gewerbetreibende. Die Aktion „Service-Wüste für Nazis“ schließt damit eine wichtige Lücke, denn auch Gastronomie und Gewerbe sind teil einer aktiven, demokratischen Zivilgesellschaft und profitieren von einer nazifreien Umgebung, wirtschaftlich und inhaltlich.

Clara Herrmann, Mitglied des Abgeordnetenhauses, aktiv in der Initiative gegen Rechts in Friedrichshain