In vielen Stadtteilen Berlins haben die Anwohner*innen keinen Gemüseladen mehr um die Ecke, müssen aber drei Euro für die Tasse Café bezahlen. Von Verdrängung sind Gewerbetreibende genauso wie Wohnmieter*innen bedroht. Doch für sie gibt es bisher kein Gewerbemietrecht, das sie vor Kündigungen und unbegrenzten Mieterhöhungen schützt.

Deshalb präsentierte ich für meine Fraktion Anfang Februar im Deutschen Bundestag einen Entwurf für ein neues Gewerbemietrecht, um kleine Ladenbesitzer*innen, Handwerker*innen, Kultureinrichtungen und Sozialprojekte zu schützen und diskutierte ihn mit weit über 100 Teilnehmer*innen in einem Fachgespräch.

Aus dem Friedrichshainer Teil meines Wahlkreises stellte Daniela Wisotzky in einer Rede dar, wie der Rausschmiss durch den Immobilienfonds Fortis ihr „Berliner Modeinstitut“ bedroht. Nach 17 Jahren in einem kleinen Ladenlokal in einer Friedrichshainer Seitenstraße wurde ihr gekündigt. Schutzlos steht sie nun als Inhaberin der Fondsgesellschaft gegenüber, die das Haus aufgekauft hat.

Auch auf der Kreuzberger Seite meines Wahlkreises kämpft gerade in der Oranienstraße die Buchhandlung Kisch & Co um ihre Existenz. Der aktuelle Mietvertrag läuft im Mai 2020 aus und noch ist unklar, ob die Mietforderungen des neuen Eigentümers zu stemmen sind.

Genau dies soll mein Gesetzentwurf verhindern, der sich an die juristische Struktur einer „grün scharfgestellten“ Mietpreisbremse anlehnt. Er erlaubt den Ländern in besonders von Verdrängung bedrohten Gebieten, kleine Gewerbebetriebe zu schützen. Dies bedeutet: „Jede Kommune kann, keine muss“ das Gesetz anwenden. Damit tragen wir den unterschiedlichen Lebensrealitäten Rechnung, dass es in Deutschland Gebiete gibt, in denen die Mieten für Gewerbeimmobilien durch die Decke schießen und andere, in denen Leerstand weit verbreitet ist.

Geschützt werden sollen alle Gewerbemieter*innen mit Flächen bis zu 250 Quadratmetern. Darüber hinaus werden auch Kleinstunternehmen mit bis zu neun Beschäftigten und einem Jahresumsatz von nicht mehr als 2 Millionen Euro, private und öffentliche Träger von sozialen Einrichtungen wie zum Beispiel Kitas, Kunst- und Handwerksbetriebe sowie Kultureinrichtungen geschützt.

Würde das Gesetz gelten, kann der Inhaber*in eines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht mehr die Existenzgrundlage durch überzogene Mieterhöhungen zerstört werden. Existenzsicherheit wird auch geschaffen durch einen ähnlichen Kündigungsschutz wie bei Wohnungsmieter*innen, durch einen Verlängerungsanspruch für befristete Gewerbemietverträge und die Begrenzung von Mieterhöhungen.

Was in Deutschland noch wie eine Utopie klingt, ist in Nachbarländern wie Österreich eine Selbstverständlichkeit, wie man beim Fachgespräch im Deutschen Bundestag erfahren konnte. Ein Richter a. D. aus München, der sich viel mit Streitfällen um Gewerbemieten beschäftigte, bezeichnete den Gesetzentwurf als „sehr geglückt und sinnvoll“.

Eine große Hilfe wäre ein solches Gesetz auch für die zahlreichen Initiativen von Gewerbetreibenden aus meinem Wahlkreis wie OraNostra und GloReiche, die in den letzten Jahren die Kämpfe um den Erhalt der Yayla-Sportschule, von Kamil-Moden und des Spätis in der Oranienstraße 34 organisierten. Wie sehr der Gesetzentwurf den Wunsch der Menschen nach Veränderung und Stärkung ihrer Rechte im Lebensalltag getroffen hat und die Interessen der großen Immobilienbesitzer berührt, zeigt sich auch daran, dass auf einmal deren Lobbyverbände auf meiner Matte stehen.

Canan Bayram, MdB

Direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost für den Stachel 04/20