Bundesregierung fördert Autobahn statt Schiene

Die europäische Verkehrspolitik ist geprägt von der Dominanz der Automobilität. Dazu leistet auch Deutschland seinen Teil. Die Bundesregierung gibt nämlich europapolitisch ein erbärmliches Bild ab. Statt gemeinsamer europäischer Initiativen gegen den Klimawandel vertritt sie die schwarz-rot-goldene Auto-Lobby. Anstatt mit der dringend notwendigen Instandsetzung der Ost-West-Schienenverbindungen ganz konkret das Zusammenwachsen Europas zu fördern, steckt sie ihr Geld lieber in die Verwirklichung von Autobahnprojekten aus der Ära des Kalten Krieges.

In Berlin macht sich der rot-rote Senat zum Erfüllungsgehilfen einer rückwärts gewandten Politik. Lärm und Gestank für Zehntausende Anwohner, den Abriss intakter Wohngebiete, eine umweltpolitisch völlig falsche Weichenstellung hin zu mehr Autoverkehr, weg von Bus, Bahn, Schiene, Rad – all das nimmt der Senat gern in Kauf, wenn ihm die Bundesregierung die absurd teure Verlängerung der A 100 bezahlt: Einem geschenkten Gaul schaue man nicht ins Maul. Und dabei muss Berlin noch einige Dutzend Millionen Euro draufzahlen. Zwar hatte die rot-grüne Bundesregierung noch 2003 angeboten, die Gelder für Berlin auf vier umweltfreundliche Schienenprojekte umzuwidmen. Doch was will man erwarten von einem Senat, dessen Wirtschafts- (und EU-) Senator Harald Wolf sogar dreist behauptet, EU-Fördergelder gebe es leider nur für den Straßenbau, nicht für den ÖPNV – obwohl nicht nur Großstädte wie Madrid, sondern auch andere Bundesländer wie Brandenburg und Sachsen mit EU-Geldern Schienenstrecken und Radwege bauen.

Die Europäischen Grünen setzen sich für eine nachhaltige und sanfte Mobilität ein. Es war einer der größten Erfolge in Brüssel, dass das Parlament 2007 der Empfehlung meines „Berichtes zum 1. Eisenbahnpaket“ folgte, nach der mindestens 40 % der EU-Ko-Finanzierung im Verkehr in die Schiene fließen soll. Doch darf man sich nicht täuschen lassen: Noch immer geht ein Großteil der Mittel in irrsinnige nationale Prestigeprojekte. Wir fordern, dass in Zukunft den Verkehrsprojekten der „Europäischen Einheit,“ den Eisenbahnen der Ost-West-Linien Priorität gegeben wird.

Die heutigen Krisen – die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Energiekrise und der Klimawandel – können nur gemeinsam in einem geeinten Europa bewältigt werden. Unser Wohl hängt auch vom Wohl unserer Nachbarn ab; das gilt für die Deutschen generell, für die Hauptstädter noch mehr. Denn ein Nationalstaat alleine ist dazu nicht in der Lage. Wenn es die EU nicht gäbe, wir Grünen müssten sie erfinden.

Mauerstreifzüge entlang des ehemaligen Eisernern Vorhangs

Das Gedenkjahr 2009 ist ein gutes Jahr, um diese Einsicht zu verbreiten. Unser Ansatz dabei ist sehr konkret: In diesem Jahr werden wir nicht nur wie gewohnt die Mauerstreifzüge in Berlin durchführen, sondern sie auch in ganz Europa, in allen 14 angrenzenden Mitgliedsstaaten der EU entlang des ehemaligen Eisernen Vorhangs organisieren. So wollen wir gerade im Jahr der Europawahl, der Bundestagswahl und vieler Landtags- und Kommunalwahlen – darunter auch in Brandenburg am 27. September – die Erinnerung an die friedlichen Revolutionen in Ostmitteleuropa von 1989 wach halten.

Michael Cramer, Mitglied des Europaparlaments für die Europäischen Grünen