Die Initiative "Mediaspree versenken" wendet sich mit einem BürgerInnenbegehren im Bezirk gegen weitere Hochhäusern am Spree-Ufer und eine Autobrücke darüber. Der Stachel sprach mit Franz Schulz, dem grünen Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg

Stachel: Herr Schulz, klingt dieser Vorschlag nicht für einen grünen Bürgermeister sympathisch?

Franz Schulz: Natürlich. Grundsätzlich freue ich mich immer, wenn sich Bürgerinnen und Bürger mit Stadtentwicklung auseinandersetzen. Stadtentwicklung lebt von der Diskussion. Und wenn sie dort eine Autobrücke verhindern, rennen sie damit offene Türen bei mir ein. Die grüne Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung hat sich eindeutig nur für Fußgänger und Radfahrer ausgesprochen – konnte sich aber mit ihrem Antrag nicht gegen SPD, Linke und die anderen Fraktionen durchsetzen.

Stachel: Aber wie stehen Sie zu weiteren Hochhäusern direkt an der Spree?

Franz Schulz: Als Grüne haben wir auf Kreuzberger Seite schon vor Jahren durchgesetzt, dass es keine neuen Hochhäuser gibt. Meine Philosophie hier: Neue Gebäude müssen sich am Bestand orientieren – an den gründerzeitlichen Wohngebäuden, aber auch an den Speichergebäuden, die hier zwischen 18 und 24 Metern hoch sind. Investorenpläne mit höheren Wünschen haben wir hier erfolgreich abwehren können.

Stachel: Auch am Spreeufer auf friedrichshainer Seite?

Franz Schulz: Hier haben wir teilweise eine andere Situation: Es gibt zwischen Holzmarktstraße und Karl-Marx-Allee Hochhäuser mit DDR-Standardhöhen zwischen 55 und 65 Metern. Davon ausgehend passen hier auch andere Gebäudehöhen ins Stadtbild. Anders ist das aber etwa am ehemaligen Osthafen. Hier gibt es nur denkmalgeschützte Speicher und ältere Wohnhäuser in Spreenähe.

Stachel: Die Initiatoren wollen auch erreichen, dass Neubauten nicht näher als 50 Meter an die Spree heranreichen. Dieser Platz soll stattdessen für Naherholungsräume genutzt werden.

Franz Schulz: Dass die Ufer öffentlich zugänglich bleiben, dafür habe ich die vergangenen sieben Jahre gekämpft. Es wird zukünftig auf beiden Seiten der Spree einen öffentlichen Uferweg geben. Wir haben als Bezirk über Jahre hinweg Stück für Stück Uferflächen von Privatbesitzern gekauft – für sieben Millionen Euro. Ohne Zuschüsse des Senats, denn der war immer für eine direkte Uferbebauung.

Stachel: Inwieweit?

Franz Schulz: Der frühere SPD-Bausenator Berlins Peter Strieder war immer der Meinung, dass es gut aussehen würde und gut für die Stadt wäre, wenn die Ufer zugebaut würden. Wir haben gegen diese Pläne des ehemaligen Kreuzberger Bürgermeisters interveniert, wollten auch weniger dichte Bebauung oder weniger Straßen. Das war damals ein richtiger Streit.

Stachel: Warum konnten Sie sich nicht durchsetzen?

Franz Schulz: Teilweise konnten wir das. Beispielsweise beim Uferweg oder den Spreeparks. Aber der Senat hatte versucht, seine Ziele dort durchzusetzen und sitzt, heute wie damals, am längeren Hebel. Denn er kann dem Bezirk jederzeit seine Zuständigkeit entziehen – nur mit dem Hinweis auf die gesamtstädtische Bedeutung. Das zwang das Bezirksamt zu Kompromissen.

Stachel: Für einen durchgängigen Park fehlen einige Uferbereiche: etwa dort, wo das riesige O2-Schild an der Spree steht oder dort, wo ein 55 Meter Hochhaus geplant ist.

Franz Schulz: Das stimmt. Wir waren nicht überall erfolgreich. Dort wo das überdimensionierte Hochhaus hin soll, gibt es einen rechtkräftigen Bauvorbescheid aus Zeiten, als Friedrichshain noch eigenständig war. Und was viel schlimmer ist: Die dort erlaubten 55 Meter haben das Grundstück so wertvoll gemacht, dass wir als Bezirk nicht mehr in der Lage waren, diese Bereiche am Ufer zu erwerben. Manche Besitzer wollten auch einfach nicht an uns verkaufen.

Stachel: Aber trotzdem könnte man ja auch nachträglich die Bebauungspläne dahingehend ändern, dass keine Uferbebauung mehr möglich ist. Dann wären auch die Grundstücke weniger wert.

Franz Schulz: Das stimmt. Daher sieht das Gesetz vor, dass die Besitzer Anrecht auf Entschädigung haben, wenn ein Bebauungsplan nachträglich geändert wird. Das Problem dabei: Der Boden an der Spree ist inzwischen sehr wertvoll. Wenn der Bezirk oder seine Bewohner Änderungen wollen, wie im Bürgerbegehren gefordert, wird das richtig teuer. Wir rechnen mit Kosten in Höhe von etwa 165 Millionen Euro für den Bezirk! Das ist bei unserer Haushaltslage extrem viel Geld.

Das Interview führte Ute Kätzel

Zur Person:

Dr. Franz Schulz ist seit November 2006 Bezirksbürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, der größten deutschen „Stadt“ mit grüner Verwaltungsspitze. Der 59-jährige war von 1996 bis 2000 Bezirksbürgermeister von Kreuzberg. Danach war der promovierte Physiker im zusammengelegten Bezirk Stadtrat für Stadtentwicklung und Bauen.