0 – Editorial

Guten Tag liebe Friedrichshain-KreuzbergerInnen, liebe Freundinnen und Freunde,

es kommt nicht häufig vor, dass selbst das U-Bahnfernsehen über die Änderung eines Bebauungsplans berichtet. Doch dieser Bezirksamtsbeschluss hatte es in sich: Mit ihm kippt der grüne Bezirksbürgermeister den 90-Meter-Büroturm am Osthafen – ein Prestigeprojekt des SPD-geführten Senats im Bereich Mediaspree. Was das mit dem Bürgerentscheid Spreeufer für alle zu tun hat, beichten wir unter Punkt 1.

Leider noch mehr Presseresonanz rief die neuste verbale Entgleisung des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin (SPD) hervor. Warum wir dazu eine Resolution ins Bezirksparlament eingebracht haben und was wir an dem in der „Lettre“ erschienenen Interview kritisieren, erklären wir unter Punkt 2.

Die erste Kreuzberger WeinkönigIn ist ein Mann. Das berichteten die Zeitungen im Oktober. Was wir Grünen als Veranstalter bei der Aktion sonst noch anders gemacht haben als andere Weinköniginnenwahlen in der Republik, erläutern wir unter Punkt 3.

Unter Punkt 4 informieren wir über den neuen Interkulturellen Garten und die Grünfläche am Bethanien. In unseren Kurzmeldungen geht es diesmal um die Themen Licht für den Görlitzer Park, Pub Crawls (organisierte Sauftouren) und das Baerwaldbad.

Eure Grünen im Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg

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1 – Umsetzung Bürgerentscheid: Bezirk kippt 90-Meter-Turm am Osthafen

(Grüner Newsletter Frieke, 10. November 2009) Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hat Anfang vergangener Woche mit einem Beschluss die Planung eines umstrittenen Hochhauses am Osthafen verhindert. Sie sah ursprünglich auf dem Areal der landeseigenen Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (Behala) einen Büroturm von bis zu 90 Metern Höhe vor.

Die von Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) vorgelegte Änderung des Bebauungsplans für das Grundstück Stralauer Allee 2 lässt nur noch eine Gebäudehöhe von 24 Metern zu. Denn der Bürgerentscheid „Spreeufer für alle“ vom Juli 2008 hatte sich nicht nur für unbebaute Uferstreifen sondern auch gegen weitere Hochhäuser an der Spree gewandt.

Noch im Oktober 2008 hatte Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reiher (SPD) eine Streichung des geplanten 90-Meter-Hochhauses durch den Bezirk zurückgewiesen. „Mit dem geänderten B-Plan haben wir auch an dieser Stelle erfolgreich für die Ziele des Bürgerentscheids gekämpft“, sagte Schulz über das Verhandlungsergebnis zwischen Bezirksamt, Behala und Senatsverwaltungen. Bereits vor einigen Wochen hatte das Bezirksamt Planungsleitlinien für das Kreuzberger Spreeufer beschlossen. Darin sind beispielsweise ein Verbot für Hochhäuser und eine Öffnung des dortigen Spreeufers zwischen Schillingbrücke und Brommystraße (bis Ende 2010) vorgesehen.

Als grüne Fraktion im Bezirksparlament freuen wir uns darüber ganz besonders. Denn neben dem Wegfall der Autobrücke über die Spree sind damit in weiten Teilen auch die zweite und dritte Forderung des Bürgerentscheids Realität geworden. Mit den neuen Grünflächen „Park an der Spree“ und dem „East-Side-Park“ sind bereits heute große Bereiche am Friedrichshainer Spreeufer für alle geöffnet oder stehen kurz vor der Öffnung.

===>Linktipps:

Alle Infos über unsere Kämpfe auf dem Weg zum Spreeufer für alle, inklusive toller Erfolge und herber Niederlagen gibt´s unter:

www.frieke.de/themen/spreeufer/index.html

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2 – Bizarr: Der Nützlichkeitsrassist Sarrazin soll ein „Tabubrecher“ sein?

(Grüner Newsletter Frieke, 10. November 2009) Mit seinem Interview in der Zeitschrift „Lettre International“ hat Berlins ehemaliger Finanzsenator und das heutige Aufsichtsratsmitglied der Deutschen Bundesbank Thilo Sarrazin (SPD) eine Debatte provoziert, die ernsthafte Diskussionen gerade erschwert. Wir werden uns anstrengen müssen, weiteren Schaden für die politische Kultur abzuwenden. Die Gründe sind ganz einfach.

Sarrazin beschimpft pauschal vor allem BürgerInnen türkischer und arabischer Herkunft, er schmäht ihre Töchter als „Kopftuchmädchen“ und bestreitet jeglichen produktiven Beitrag dieser EinwanderInnen zum gesellschaftlichen Leben „außerhalb des Obst- und Gemüsehandels“. Seine Rede ist im Ton und in ihrer Haltung diffamierend und beleidigend, ja rassistisch und menschenverachtend. Sarrazin spricht diesen BürgerInnen großenteils den Willen und sogar die Fähigkeit zur Integration von vornherein ab.

Seine Sicht der Dinge zielt auf sozialen Ausschluss. Beispiel: Für Jugendliche, die an unserem Bildungssystem scheitern, gebe es nun mal „keine Methode, diese Leute … einzubeziehen.“ Wer aus einer bildungsfernen Familie komme, hat eben Pech gehabt und landet im Aus. Als habe die (übrigens sinkende) Quote der Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die die Hauptschule ohne Abschluss verlassen, gar nichts mit unseren Schulen zu tun. Die hohe Selektivität unseres Bildungssystems und dessen Benachteiligungseffekte für MigrantInnen sind selbst vom Menschenrechtskommissar der Vereinten Nationen, Vernor Muñoz, mehrfach öffentlich angeprangert worden. Inzwischen werden verschiedene Reformen umgesetzt, so zum Beispiel die Einrichtung von Schulstationen (mit einem/r SozialarbeiterIn) an den Schulen unseres Bezirks.

Welche positiven Modelle wollen wir, um Bildungsungerechtigkeit abzubauen? Das sind Fragen, über leidenschaftlich gestritten wird. Ginge es nach Sarrazin, kann mit Anstrengungen für „bildungsferne“ Migrantengruppen einfach Schluss gemacht werden! Typisch für diese Art der Basta-Mentalität: Er verdrängt die eigene Verantwortung für Zustände, die er als Finanzsenator einer rot-roten Koalition, die lange genug sich vor Bildungsreformen gedrückt hat, mitverursacht hat.

Was ist daran ein „Tabubruch“? Es ist schon irritierend, mit welchem Wohlwollen in Teilen der öffentlichen Meinung Sarrazin zum Kämpfer gegen Rede- und Denkverbote stilisiert wird. Eine Art klammheimlicher Freude kommt auf, dass ein Angehöriger der „Elite“ ausspricht, was bisher eher in rechtspopulistischen Kreisen gedacht wurde. Hier zeigt sich die eigentliche Zäsur, die das Interview bedeutet: Machten es bisher eher die zur politischen Rechten neigenden sozialen Milieus, so lassen nun auch Teile des liberal-progressiven Milieus Dampf ab. Der Rassismus wird „salonfähig“ (Günther Piening, Der Beauftragte für Integration und Migration des Landes Berlin), was sich in zahlreichen Leserbriefen an Tageszeitungen und Online-Diskussionsforen zeigt.

Dabei ändern die menschenfeindlichen Vorurteile und Gefühlslagen ihre Gestalt: An der Andersheit des Anderen wird weniger prinzipiell Anstoß genommen, vielmehr geht es nun mehr um die Unterscheidung zwischen nützlichen und überflüssigen EinwanderInnen. Erkennen soll man diese Unterschiede an der Herkunftsgruppe, denn ihr werden kollektive ethnische, kulturelle oder religiöse Eigenschaften zugeschrieben. Aus diesen Zuschreibungen entsteht eine Projektion des Fremden, die fortan als Brille wirkt, durch die die konkreten Personen „gesehen“ werden. Die einen sind nützlich und willkommen, die anderen figurieren als Sündenböcke. Sarrazins Pöbeleien sind kein „Tabubruch“, sondern mobilisieren eine Mentalität der Ausgrenzung und die Suche nach „schuldigen Kollektiven“.

Die Folgen erleben wir vor Ort: Die Ängste und Einschüchterungen, die großen Verunsicherungen, die viele MigrantInnen empfinden und mit denen sie fertig werden müssen, tragen zur Zerstörung eines ohnehin erst langsam gewachsenen Vertrauens in die politische und alltägliche Kultur unseres Landes bei. Die Berliner Soziologin Nevim Cil hat in ihrer Studie über die „Topografie des Außenseiters“ gezeigt, wie sehr sich etwa in der Generation der in den 1980er Jahren geborenen TürkInnen ohnehin die Enttäuschungen über mangelnde Teilhabechancen und schlechte Aussichten auf Erwerbsarbeit verfestigt haben. Infolge anhaltender Diskriminierungen misstrauischer geworden, ziehen sich viele resigniert zurück. Auch gegen solche Rückzugstendenzen hat das Berliner Integrationskonzept „Vielfalt fördern – Zusammenhalt stärken“ eine Fülle von Vorschlägen und „best practice“-Modellen zusammengestellt, die zur aktiven Einbeziehung der BürgerInnen mit Migrationshintergrund in die Berliner Politik beitragen sollen. Auch wir Grüne im Bezirk arbeiten an dessen Umsetzung. Sarrazins Attacke torpediert offen diesen Ansatz (für den er politisch ja ebenfalls mitverantwortlich ist).

Das blasiert Herablassende, höhnisch Abqualifizierende ist seit je das Markenzeichen von Thilo Sarrazins Äußerungen, insbesondere wenn es um BürgerInnen geht, die von Armut betroffen sind. Er erteilt seinem Publikum die Lizenz zur Verachtung derer, die weit unten in der sozialen Hierarchie stehen. Nun trifft der Bann ganze MigrantInnengruppen. Sogar deren Kinder sind nicht länger willkommen, denn sie sind von „der Unterschicht produziert“. Die schamlose Einschüchterung von BürgerInnen soll offensichtlich dazu beitragen, in der öffentlichen Meinung unter den schwierigen Bedingungen von Wirtschaftskrise und verschärfter Krise der Staatsfinanzen eine Klassifizierung ganzer MigrantInnengruppen nach Produktivität und IQ durchzusetzen, deren Ziel erklärtermaßen die Beschneidung von sozialen Teilhaberechten ist. So etwas nennt man Nützlichkeitsrassismus – und dem werden wir in Zukunft deutlicher, bunter und vielfältiger entgegentreten.

Die Resolution im Wortlaut auf unserer Homepage unter:

www2.frieke.de/uploads/ds1491_resolution_sarrazin.pdf

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3 – Casting der Grünen: Erste Kreuzberger WeinkönigIn ist ein Mann

(Grüner Newsletter Frieke, 10. November 2009) Das hat es noch nicht gegeben: Die WeinkönigIn vom Kreuzberger Kreuzberg ist ein Mann. Stefan Boltz, 32, trägt nun für ein Jahr den Titel der WeinkönigIn 2009. Der Pressesprecher einer Versicherung hat sich am zweiten Oktoberwochenende beim Casting der Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg gegen vier weitere Konkurrentinnen und Konkurrenten durchgesetzt – unter anderem beim Weinglas-Balancieren oder mit einer Tanzeinlage. „Ich hoffe, in diesem Amt etwas dafür tun zu können, das tolerante Klima von Friedrichshain-Kreuzberg aus vielleicht auch stärker in andere Weinregionen tragen zu können“, sagt Boltz, der mit seinem Mann in Wedding wohnt. Dazu hofft Boltz auf zahlreiche Einladungen zu Weinfesten aus der ganzen Republik.

Mit der Veranstaltung wollten die Grünen ein Zeichen im Sinne des Diversity-Ansatzes setzen und zeigen, dass in Friedrichshain-Kreuzberg Platz für alle Lebensentwürfe und Kulturen ist. Dazu zählen für uns Grüne natürlich auch so traditionelle Anlässe, wie die Wahl einer Weinkönigin. Daher hatten wir Grünen zu Bewerbungen von Frauen und Männern gleich welcher Haarfarbe, Herkunft oder sexueller Orientierung aufgerufen.

Die Wahl einer Kreuzberger WeinkönigIn soll in Zukunft jedes Jahr stattfinden.

===>Linktipp:

Was wir wollten: Einladung und Flyer des vergangenen Castings gibt´s hier:
www.frieke.de/presse/2786886.html

Einen Weblog-Eintrag mit Erlebnisbericht und Foto gibt´s hier:

www.last-thursday.de/grune-weinkonigin.html

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5 – Neu am Bethanien: Interkultureller Garten und Grünfläche

(Grüner Newsletter Frieke, 10. November 2009) Die neuen Grünflächen nördlich des Bethanien-Hauptgebäudes sind fertiggestellt und wurden am dritten Oktoberwochenende von der Bezirksstadträtin Jutta Kalepky (für Grüne) der Öffentlichkeit übergeben. Einen Teil der Fläche nutzen interessierte AnwohnerInnen als so genannten Interkulturellen Garten. Das Bezirksamt hat mit dem Trägerverein „Ton, Steine, Gärten“ einen Nutzungsvertrag abgeschlossen. Damit steht das im vergangenen Jahr besetzte Gelände nun langfristig als öffentliche Gartenfläche allen Interessierten zur Verfügung.

Es existieren bereits einige solcher Gärten: Etwa auf dem Gleisdreieck, im Görlitzer Park oder auf der Laskerwiese. Ziel ist es jeweils, dass Menschen aus unterschiedlichen Kulturen die Möglichkeit zum gemeinsamen Gärtnern bekommen. Mit seinen 1.000 Quadratmetern nimmt der öffentliche Gemüsegarten etwa ein Drittel der neu gestalteten Grünflächen nördlich des ehemaligen Bethanien-Krankenhauses ein.

===>Linktipp:

Infos über die offenen Treffen und Termine unter:

gaerten-am-mariannenplatz.blogspot.com

Eine Liste Interkultureller Gärten in Berlin gibt’s hier:

www.stiftung-interkultur.de/prop1s.htm

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6 – Weitere grüne Anfragen, Anträge oder Resolutionen aus der BVV in Kürze

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*** Licht für den Görlitzer Park

Einen Park im Dunkeln zu durchqueren, ist für einige Menschen mit Ängsten verbunden. Das gilt auch für AnwohnerInnen, die nach Einbruch der Dunkelheit zu Fuß oder mit dem Fahrrad im Görlitzer Park unterwegs sind. Wir wollen, dass dort trotz leerer Bezirkskassen zumindest die Hauptwege beleuchtet werden und haben das Bezirksamt beauftragt, ein Beleuchtungskonzept zu entwickeln.

===>Linktipp: Der vollständige Antrag im Wortlaut auf unserer Homepage:

www.frieke.de/bvv_fraktion/2852771.html

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*** Pub Crawls: Gibt es auch in Friedrichshain-Kreuzberg Probleme mit organisierten Sauftouren?

Bei Pub Crawls handelt es sich um organisierte Sauftouren, die in der Regel von touristischen Veranstaltern angeboten werden. Dabei ziehen sie mit einer Gruppe durch bestimmte Kieze oder Kneipenstraßen, wobei auf der Straße und in den kooperierenden Gaststätten und Bars heftig getrunken wird. Weil es in manchen Berliner Gegenden inzwischen zahlreiche Proteste von AnwohnerInnen gegen diese Art der „Stadtführung“ gibt, wollten wir in einer mündlichen Anfrage vom Bezirksamt wissen, wie es sich damit in Friedrichshain-Kreuzberg verhält.

===>Linktipp: Anfrage und Antworten im Wortlaut auf unserer Homepage unter:

www.frieke.de/2867369.html

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*** Gebäude des Bezirksamts: Was kostet das Baerwaldbad den Bezirk?

Viele Gebäude, die dem Bezirk gehörten, kommen ihn teuer zu stehen. Grund sind die hohen Kosten, die das Land Berlin durch fiktive Kosten (BUW-Kosten) über die Finanzzuweisungen in Rechnung stellt. Wir wollten von der Finanzstadträtin Siegrid Klebba (SPD) wissen, was für Kosten anfallen und wie man die Belastungen für den Bezirkshaushalt – etwa durch Abschluss eines so genannten Erbbaurechtsvertrags – reduzieren kann.

===>Linktipp: Anfrage und Antworten im Wortlaut auf unserer Homepage unter:

www.frieke.de/bvv_fraktion/2862153.html

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7 – Impressum

Der Grüne Newsletter Frieke wird herausgegeben von:

BVV-Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Friedrichshain-Kreuzberg,

Fraktionsvorsitzende Antje Kapek, Daniel Wesener (V.i.S.d.P.)

Yorckstraße 4-11, 10965 Berlin

Telefon: 030 / 90298-2590

Mail: fraktion-frieke[at]gruene-berlin.de

Web: www.frieke.de/bvv_fraktion

Redaktion des Newsletters: Christian Honnens

Weitere AutorInnen dieser Ausgabe: Wolfgang Lenk

Diesen Newsletter im Internet:

www.frieke.de/bvv_fraktion/newsletter/index.html

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