Auftrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: Recherche zu der Frage, nach wem das Gröbenufer im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg benannt ist.

Rechercheergebnis:

Im Rahmen einer Bekanntmachung des Polizeipräsidenten von Berlin vom 4. April 1895 wird dem Berliner Publikum mitgeteilt, dass der Kaiser und König verschiedenen Straßen der Abteilung 1 des Bebauungsplans der Umgebung von Berlin Namen verliehen hat. In diesem Zusammenhang erhielt die linksseitige Spreeuferstraße zwischen Oberbaumbrücke und der Straße 5b den Namen „Gröbenufer“. Eine nähere Erläuterung der Namensgebung erfolgte nicht.

Aufschluß über den Namensgeber aber gibt ein Schreiben des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 14.2.1895, welches am 17.2.1895 im Geheimen Zivilkabinett des Kaisers einging. Hier wurde unter Punkt 4 aufgeführt: „ 4. Für die linksseitige Spreeuferstraße zwischen der Oberbaum-Brücke und der Straße 5b der Abteilung I des Bebaungsplans der Umgebung von Berlin wird zu Ehren des ersten Branden- burgischen Colonial-Gouverneurs, des Erbauers der Feste Gross-Friedrichsburg an der Küste von Guinea, Majors Otto Friedrich von der Groeben der Name „Gröben-Ufer“ beantragt.“ Quelle: GSTA I HA Rep. 89 Nr. 14456 Bl. 191 – 196

Wilhelm II. unterschrieb am 20.2.1895 die dem Schreiben vom 14.2. beigelegte Benennungsurkunde und übersandte sie dem Minister für öffentliche Arbeiten, in dieser ist aber die Begründung für die Benennung weggelassen. Am 1.3.1895 leitete das Ministerium diese an den Berliner Polizeipräsidenten weiter. Sie bildete die Grundlage für Bekanntmachung desselben vom 4.4.1895.

Mit beiden oben angeführten Schreiben wird eindeutig belegt, dass Otto Friedrich von der Gröben als Namensgeber für das Gröbenufer geehrt wurde.

Verwendete Quellen: GSTA I HA Rep.77 ( Innenministerium) Tit 1319 Nr. Bd. 15 – 17

GSTA I HA Rep. 89 (Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode)Nr. 14452 – 14457

LAB A Pr.Br. 030 (Polizeipräsidium zu Berlin) Tit. 131 Nr. 17787, 18402

LAB A Pr.Br. 030

Tit. 133 Nr. 18597

LAB A Rep. 001-02 (Generalbüro) Nr. 1455 Anlage: Schreiben vom 14.2.1895.

Erläuterung des Rechercheergebnisses im Einzelnen:

In der Literatur über die Benennung der Berliner Straßennamen gibt es unterschiedliche Erklärungen für den möglichen Namensgeber der Straße. Das Lexikon über alle Berliner Straßen und Plätze, Band 2, der Edition Luisenstadt aus dem Jahre 1998 nennt auf Seite 145 als Namensgeber Otto Friedrich von der Gröben, den Begründer der ersten preußischen Kolonie an der Westküste von Afrika. Die gleiche Erklärung gibt das Lexikon Berliner Straßennamen herausgegeben von Sylvia Lais und Hans-Jürgen Mende im Jahre 2004. Klaus Katzur hingegen schreibt in dem 1987 erschienenen Buch über die Berliner Straßennamen, dass der Generaladjutant des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV., Karl von der Gröben der Namensgeber der Straße sei, führt aber an, dass die Straße vorher nach Otto Friedrich von der Gröben dem Gründer von Groß Friedrichsburg der ersten preußischen Kolonie im heutigen Ghana benannt war. Aus den angeführten Literaturangaben ist nicht eindeutig zu erkennen auf welcher Quellengrundlage die Namenfestlegung erfolgte.

Bei beiden möglichen Namensgebern handelt es sich um Personen, die in der brandenburgisch-preußischen Geschichte eine Rolle gespielt haben. Otto Friedrich von der Gröben war einer der ersten preußischen Kolonialpioniere des 17.Jahrhunderts und Begründer der brandenburgischen Kolonie Groß Friedrichsburg in Afrika. Karl von der Gröben war preußischer Generalleutnant und seit 1843 Generaladjutant des preußischen Königs. 1849 war er als Oberbefehlshaber der Rheinarmee an der Niederschlagung des pfälzisch-badischen Aufstandes aktiv beteiligt.

Im Verständnis der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts könnten beide als Namensgeber in Frage kommen. Für Karl von der Gröben spricht, dass weitere Straßen in der Umgebung des Gröbenufers nach preußischen Generälen aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelm IV. benannt sind. Seine Name wird auch im Adressbuch für Berlin genannt. Für Otto Friedrich spricht der Zeitgeist. Um 1895 war Deutschland in einer Phase, sein bis dahin bestehendes Kolonialreich weiter auszudehnen, und in der Bevölkerung war eine entsprechende koloniale Euphorie vorhanden, die sich auch in der Namensgebung für neu geschaffene Straßen niederschlug.

Um festzustellen wer nun der eigentliche Namensgeber der Straße war, muß man wissen welche Institutionen an der Namensgebung beteiligt waren und wer schließlich die endgültige Entscheidung traf. Auskunft könnten die entsprechenden Akten der beteiligten Institutionen geben.

Da war zunächst der Magistrat der Stadt von Berlin, denn die Straße lag in der ersten Abteilung des Bebaungsplanes der Umgebung von Berlin. Zuständig war die städtische Straßenbaubehörde, die Tiefbaudeputation. Diese hatte aber keine Entscheidungsbefugnis, sondern nur ein Vorschlagsrecht. In den erhaltenen Akten dieser Behörden sind keine Hinweise auf eine Erklärung der Benennung vorhanden.

An der Spitze dieser Behörde stand seit 1873 als Stadtrat der ausgebildete und vielseitig interessierte Jurist Ernst August Friedel, der bis 1909 im Amt blieb. Neben seinen naturwissenschaftlichen Interessen befaßte er sich auch intensiv mit der Geschichte der Mark Brandenburg und der preußischen Geschichte, was seine Publikationen belegen, u.a. war er Vorsitzender des Vereins für die Geschichte Berlin und Schöpfer des Märkischen Musuems. Von Ernst August Friedel allein gingen die Vorschläge für die Benennung der Berliner Straßennamen aus.

Dies wird bestätigt durch einen Artikel in der Berliner Zeitung vom 22.12.1898 mit dem Titel „Die Berliner Straßentaufe“, in dem vor allem gegen die unausprechbare Verwendung von Fremdworten bei der Namensgebung gewettert wird. Gerade die Beschäftigung vor allem mit der etwas weiter zurückliegenden brandenburgischen Geschichte lassen vermuten, dass Friedel bei der Benennung des Gröbenufers an Otto Friedrich gedacht hat. Auch wenn dies zunächst aus den Unterlagen der von ihm geleiteten Börde nicht hervorgeht, so gibt es doch in der Literatur eine entsprechenden Hinweis.

In dem gedruckten Vortrag des Admiralstabssekretär C.Voigt vom 22.2.1911, erschienen in „Brandenburgia“, Monatsblatt der Gesellschaft für Heimatkunde der Provinz Brandenburg XX. Jahrgang 1911/12, Berlin 1912, führt dieser folgendes aus: „ Auch die Stadt Berlin hat es sich nicht nehmen lassen, dank den Bemühungen E.Friedels, unseres ersten Vorsitzenden, in der Zeit seinert städtischen Amtstätigkeit als Dezernent für die Straßenbenennungen, den Überlieferungen an jene denkwürdigen Tage gerecht zu werden. Heute erinnern Straßenbenennungen wie „Brandenburger Ufer“ und „Guineastraßen“ an die damalige Kolonialperiode, während der Gründer von Groß-Friedrichburg durch das Groeben-Ufer verewigt ist.“

Es steht nun die Frage, ob sich diese Aussage auch quellenmäßig belegen läßt.

Die Akten des Magistrats geben auf Grund ihrer Lückenhaftigkeit nichts her.

Die nächste Institution, die an der Straßenbenennung beteiligt war, ist das Berliner Polizeipräsidium. Die im Landesarchiv vorhandenen Akten sagen über die Hintergründe zur Namensgebung nichts aus, da auch hier die konkreten Akten mit den Vorschlagsschreiben an das preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten fehlen. Auch Nachforschungen im Geheimen Staatsarchiv in Berlin-Dahlem im Bestand I Hauptabteilung Rep. 93 Ministerium der öffentlichen Arbeiten führten zu keinem Ergebnis, da die entsprechende Bandreihe in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts abbricht.

Damit schien sich die Frage, nach wem nun das Gröbenufer benannt worden ist, zunächst nicht lösen zu lassen.

Bei den bisherigen Untersuchungen wurden aber zwei Fragenstellungen nicht berücksichtigt, nämlich ob es Veränderungen in der ministerialen Zuständigkeit für die Benennung der Berliner Straßennamen gegeben hat und wer letztendlich über die Benennung entschied.

Geht man diesen Fragen nach, so ergibt sich folgender Befund: Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war das preußische Ministerium für öffentliche Arbeiten für die Benennung der Straßennamen zuständig. Danach übernahm das preußische Innenministrium diese Aufgabe. An dieses Ministerium hatte das vorher zuständige Ministerium eine Reihe von Akten zu diesem Punkt abgegeben. Insgesamt gelangten 3 Aktenbände über Berliner Straßennamen ins preußische Innenministerium. Sie sind die Fortsetzung der Bandreihe im Ministerium für öffentliche Arbeiten. In der Akte GSTA I HA Rep. 77 Tit. 1319 Nr.2 Bd. 16 befindet sich ein Schreiben des Berliner Polizeipräsidenten, names des Magistrat von Berlin, vom 30.1.1895 mit dem Antrag über die Benennung von verschiedenen Straßen in Berlin mit Namen und Begründung, darunter auch das Gröbenufer. Als Namensgeber wird Otto Friedrich von der Gröben genannt. Dieser Benennung wird durch den zuständigen Direktor zugestimmt. Seine Entscheidung bildete die Grundlage eines Schreiben des Ministers für öffentliche Arbeiten Thielen vom 14.2.1895 an den deutschen Kaiser und preußischen König, Wilhelm II..

Denn allein der preußische König entschied über die Benennung von Straßen und Plätze, aber auch Brücken, in seinen Residenzstädten. Grundlage bildete eine Kabinettsorder von König Friedrich Wilhelm III. vom 8.9.1813, welche am 20.12. desselben Jahres ausdrücklich bestätigt wird. Ursache war der Versuch des Berliner Polizeipräsidenten, mit Unterstützung des preußischen Innenministeriums die Mehrfachbenennung von Straßen in Berlin zu beenden. Der König sah darin einen Angriff auf sein alleiniges Recht, die Benennung von Straßennamen vorzunehmen. Er ließ dem Innenministerium am 20.12.1813 schreiben: „Ich will nicht, daß in Meinen Residenzen die Benennung der Straßen ohne Meine Genehmigung abgeändert werden, und wenn gleich nach Ihrem Bericht vom 30ten d.J. schon seit längerer Zeit die Bleche mit den neuen Namen angeschlagen sind, so gebe ich Ihnen gleichwohl hierdurch auf, solche abzunehmen, und die mit den alten Namen, wieder herstellen zu lassen. Das Publikum darüber haben Sie durch eine öffentliche Bekanntmachung in den Zeitungen davon zu unterrichten, daß Ich diese, ohne Meine unmittelbare Appobation eingeführten neuen Benennungen mißbilligt, und befohlen habe, daß Mir nach hergestellten Frieden deshalb Vorschläge gemacht werden sollen, welche Ich denn auch zu seiner Zeit von Ihnen erwarte.“

Kaiser Wilhelm I. modifizierte am 3.7.1874 die bisherige Praxis und verfügte, dass eine kaiserliche Genehmigung nur erforderlich ist, wenn der Name Bezug auf den Kaiser und Mitglieder des kaiserlichen Hauses hat. „Ausgenommen sind nur die Städte Berlin, Potsdam und Charlottenburg, für welche es bei der Vorschrift des Erlasses vom 20. December 1813 das Bewenden behält.“ Demgemäß wurde bis zum Ende der Monarchie verfahren.

Was nun das Gröbenufer betrifft, unterschrieb Wilhelm II. am 20.2.1895 die dem Schreiben vom 14.2. beigelegte Benennungsurkunde und übersandte sie dem Minister für öffentliche Arbeiten, in welcher allerdings die Begründung für die Benennung weggelassen wurde. Am 1.3.1895 leitet das Ministerium diese an den Berliner Polizeipräsidenten weiter. Sie bildet die Grundlage für Bekanntmachung desselben vom 4.4.1895.

Mit beiden oben angeführten Schreiben wird eindeutig belegt wer als Namensgeber für das Gröbenufer Pate stand.

Dr. Joachim Kundler

Anlage: Schreiben vom 14.2.1895.

Verwendete Quellen:

GSTA I HA Rep.77 ( Innenministerium) Tit 1319 Nr. Bd. 15 – 17

GSTA I HA Rep. 89 (Geheimes Zivilkabinett, jüngere Periode)Nr. 14452 – 14457

LAB A Pr.Br. 030 (Polizeipräsidium zu Berlin) Tit. 131 Nr. 17787, 18402

LAB A Pr.Br. 030 „ „ „ Tit. 133 Nr. 18597

LAB A Rep. 001-02 (Generalbüro) Nr. 1455