SA/098/IV

Schriftliche Anfrage

Sehr geehrte Frau Schmidt- Stanojevic, Sehr geehrte Frau Topac, Ihre schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

1) Wie viele SozialhilfeempfängerInnen haben im Jahr 2012 eine Aufforderung zur Senkung der Mietkosten vom Sozialamt erhalten?

Hierzu können leider keine Aussagen getroffen werden, da dies nur möglich wäre, wenn eine Statistik wie im Jobcenter geführt werden würde. Bewusst hat man sich für die Leistungen der Kosten der Unterkunft im SGB XII dagegen entschieden, weil die Situation der Leistungsberechtigten im SGB XII viel differenzierter zu betrachten ist, als im SGB 11. Um diese Zahlen ermitteln zu können , müssten ca. 4500 Fälle gezogen und geprüft werden. Dieser Aufwand ist aufgrund der derzeitigen Situation nicht zu bewältigen.

2) Aus welchem Personenkreis setzen sich die SozialhilfeempfängerInnen zusammen, die eine Aufforderung zur Mietkostensenkung erhalten haben?

Der Personenkreis setzt sich aus den Anspruchsberechtigten nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zusammen: Leistungsberechtigte die das 65. Lebensjahr vollendet haben oder Leistungsberechtigte, die dauerhaft voll erwerbsgemindert sind (§ 19 SGB XII).

3) In wie vielen Fällen wurde der Vorgang auf eine mögliche Härtefallregelung überprüft?

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen.

Grundsätzlich wird jeder Vorgang, dessen Kosten der Unterkunft über dem Richtwert der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) liegt, entsprechend geprüft. Dabei handelt es sich um Neuanträge bzw. laufende Vorgänge, in denen ein Mietänderungsschreiben zu bearbeiten ist.

4) Wann werden die SozialhilfeempfängerInnen auf das Vorliegen einer möglichen Härtefallregelung überprüft?

Grundsätzlich wird jeder Vorgang , dessen Kosten der Unterkunft über dem Richtwert der Wohnaufwendungenverordnung (WAV) liegt, entsprechend geprüft. Dabei handelt es sich um Neuanträge bzw. laufende Vorgänge, in denen ein Mietänderungsschreiben zu bearbeiten ist.

5) Zu welchem Zeitpunkt wurden die betroffenen Personen über das Vorliegen einer möglichen Härtefallregelung informiert?

Bei einem Neuantrag oder bei Eingang einer Mietänderung wird geprüft, ob die Kosten der Unterkunft (weiterhin) angemessen sind. Liegt die tatsächliche Miete über dem Richtwert, prüft der/die Sachbearbeiter/in nach Aktenlage ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt bzw. vorliegen könnte. Kann anhand der Akte nicht entschieden werden , ob ein Ausnahmetatbestand vorliegt oder nicht, wird der/die Leistungsberechtigte angehört. Dies ist der Zeitpunkt, wo über die Möglichkeit eines Ausnahmetatbestandes informiert wird .

6) In welcher Form wurden die Personen über das mögliche Vorliegen einer Härtefallregelung informiert?

Über einen möglichen Ausnahmetatbestand werden die Leistungsberechtigten in Form einer Anhörung informiert. Ergibt sich daraus ein vorliegender Ausnahmetatbestand , werden die Leistungsberechtigten in Form eines Anschreibens davon informiert, dass unter Berücksichtigung der Besonderheit des Einzelfalls die Kosten der Unterkunft bis auf weiteres in der tatsächlichen Höhe anerkannt werden.

7) Wie viele Härtefälle gab es im Jahr 2012?

Auf die Antwort zu Frage 1 wird verwiesen .

8) Welche weiteren Schritte werden veranlasst wenn ein Härtefall vorliegt?

Wird sofort bei Prüfung der Kosten der Unterkunft das Vorliegen eines oder mehrerer Ausnahmetatbestände (Härtefall) festgestellt, wird kein Kostensenkungsverfahren eingeleitet. Die Entscheidung wird aktenkundig gemacht. Wird im Rahmen der Anhörung vom Leistungsberechtigten ein Ausnahmetatbestand vorgetragen , ist dieser zu prüfen (ggf. wird der Sozialdienst einbezogen) und bei Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes wird das Kostensenkungsverfahren eingestellt. Dem Betroffenen wird dies schriftlich mitgeteilt.

In beiden Fällen wird die tatsächliche Miete weiterhin anerkannt.

Wird ein Vorgang aus dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB 11) übernommen, werden bei Bedarf die abgesenkten Kosten der Unterkunft erneut geprüft, da seitens des Jobcenters die Ausnahmetatbestände für den Personenkreis der SGB XIIBerechtigten nicht ausreichend geprüft werden können. Dazu ist nicht zwingend ein Antrag des Leistungsberechtigten notwendig.

Fällt ein möglicher Ausnahmetatbestand bei der Aktenbearbeitung auf, wird die Prüfung der Kosten der Unterkunft von Seiten des/der Sachbearbeiter(s)/in aus eingeleitet.

9) Wie viele Einsprüche gab es von SozialhilfeempfängerInnen gegen die Aufforderung zur Mietkostensenkung?

Die Aufforderung zur Senkung der Kosten der Unterkunft stellt keinen Verwaltungsakt dar, daher kann hier kein Widerspruch eingelegt werden. Ein Widerspruch kann eingelegt werden, wenn der Änderungsbescheid mit einer gesenkten Miete erlassen worden ist. Im Jahr 2012 wurden 7 Widersprüche gegen die gesenkte Miete eingelegt.

10) Wie viele von diesen Einsprüchen wurden stattgegeben?

Einem Widerspruch wurde stattgegeben.

11) Aus welchem Personenkreis setzen sich die SozialhilfeempfängerInnen zusammen die unter die Härtefallregelung fallen?

Bezüglich der Zusammensetzung des Personenkreises wird auf die Antwort zu Frage 2 verwiesen. Zu den Ausnahmetatbeständen , bei denen von einer Senkung der Kosten der Unterkunft abzusehen ist, zählen:

a) Einschränkungen aufgrund schwerer Krankheit oder Behinderung, sofern der Schweregrad insbesondere einen Umzug unmöglich macht;

b) über 60 Jahre alten Hilfeempfangenden nach längerer Wohndauer, wenn zukünftige vorrangige Ansprüche (z.B. Rentenansprüche) eine weitere Hilfebedürftigkeit unwahrscheinlich sein lassen,

c) einmaligen oder kurzfristigen Hilfen,

d) Alleinerziehenden mit zwei und mehr Kindern , Für das Sozialamt Friedrichshain-Kreuzberg wurde noch weitere Ausnahmetatbestände definiert:

• Wenn Wohnraum einer Wohnung aus dem Marktsegment bewohnt wird (bei unveränderter Anzahl der Bewohner)

• Bei Wohnungen im betreuten Wohnen wird es häufig zu Überschreitungen des angemessenen Richtwertes kommen. Da bei einem Auszug die Gefahr besteht, dass die Hilfe beendet wird, besteht für Leistungsberechtigte, die bereits in dieser Wohnform untergebracht sind, Bestandsschutz. Damit die Existenz dieses Leistungsangebotes nicht gefährdet wird, sind Neuanmietungen weiterhin möglich. Mietwucher ist hier wie folgt zu prüfen: Wohnungsgröße + Personenanzahl

• Bei hochbetagten Bürgern, ab einem Alter von 80 Jahren. Sollte sich die Miete hier jedoch gravierend erhöhen, wäre auch hier die Einleitung eines Kostensenkungsverfahrens zu prüfen.

• Barrierefreie Wohnungen sind schwer zu bekommen und mit jahrelanger Wartezeit verbunden. Die Mieten für barrierefreie Wohnungen waren schon immer höher als die jeweils vorgegebenen Richtwerte. Darüber hinaus ist es diesem Personenkreis in aller Regel nicht zuzumuten erneut die Wohnung gegen Ihren Willen zu wechseln. Bei bestehenden Mietverhältnissen ist daher keine Prüfung der Angemessenheit durchzuführen. Ebenso wurden in Friedrichshain-Kreuzberg Ausnahmetatbestände festgelegt, die die Verlängerung der Frist zur Senkung der Kosten der Unterkunft rechtfertigen:

• Wenn bereits aufgrund eines Kostensenkungsverfahren der Wohnraum gewechselt worden ist, besteht die Auffassung, dass ein erneuter Wohnraumwechsel nicht zumutbar ist (Frist der „Verschonung“ 5 Jahre – seit Bezug der Wohnung) – ein Jahr vor Ablauf der Schonfrist ist das Kostensenkungsverfahren einzuleiten. Es ist darauf zu achten, dass die Mietkosten nicht vor Ablauf der 5 Jahre zu senken sind.

• Wenn ein Umzug aus schwerwiegenden individuellen Gründen für unmöglich gehalten wird – z.B. Suizidgefahr, andere gesundheitliche Folgen (unter Einbeziehung Ärztlicher Dienst)

• Wenn der Bürger begründet, dass er ein sehr gut ausgebautes soziales Netzwerk in seiner alten Umgebung hat (z.B. Kinder, die Einkaufen gehen (hier ist ein Nachweis über die bei Umzug entstehenden erforderlichen Pflegekosten vorzulegen); Ärzte in unmittelbarer Nähe, etc) und dieses mit einem Umzug zerstört werden würde. Hier wird ein Umzug im Kiez ermöglicht. Glaubhafte Bemühungen der Wohnungssuche sind nachzuweisen (z.B. Aufzeichnungen , Kopien und Ablehnungen der Bewerbungen). Wenn trotz nachgewiesener Suche kein angemessener Wohnraum gefunden wird (AV-Wohnen Nr. 4 (1)) – erneute Frist von sechs Monaten wird gesetzt.

12) Welchen Ermessensspielraum bei der Härtefallregelung hat das Bezirksamt?

Jeder Vorgang wird individuell geprüft mit Auslegung der erheblichen Überschreitung der Kosten der Unterkunft und Prüfung der Zumutbarkeit der Aufforderung nach den unter Frage 11 genannten Kriterien (Ziff. 4 Abs. 1 u. 2 AV-Wohnen). Die Auseinandersetzung mit dem Ermessensspielraum ist im Sozialamt FriedrichshainKreuzberg vor allem auch durch die selbst festgelegten Ausnahmetatbestände (unter 11 benannt) zu erkennen. Diese sind für alles Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter im internen Informationssystem zugänglich hinterlegt und als Arbeitsanweisung verbindlich .

Mit freundlichen Grüßen

Knut Mildner-Spindler

Stadtrat

Friedrichshain-Kreuzberg, den 07.02.2013

Bündnis 90/Die Grünen

Fragestellerinnen: Jutta Schmidt-Stanojevic, Fatos Topac