Das klingt schön. Doch Anspruch und Realität der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen liegen weit auseinander
Die Aufnahme von Kinderrechten in die Berliner Verfassung allein, so lobenswert dies ist, wird an der konkreten, oft noch mangelhaften Situation von Kindern nichts ändern. Beteiligungsrechte für Kinder waren bereits vorher im deutschen Recht verankert. Das Bürgerliche Gesetzbuch garantiert Minderjährigen einen Anspruch auf gewaltfreie Erziehung. Eltern haben die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen. Im Sozialgesetzbuch wird seit 1990 mit dem Kinder- und Jugendhilfegesetz staatliche Unterstützung für die Entwicklung des Kindes festgelegt und die Kindschaftsrechtsreform regelte die Rechte des Kindes auf Umgang mit beiden Elternteilen und Unterhaltsansprüche. Dass Kinderrechte nun Verfassungsrang verliehen bekommen, ist lobenswert – aber bleibt ein symbolischer Akt.
Interessen von Kindern und Jugendlichen mehr Raum zu verschaffen
Kinder und Jugendliche sind generell in der Lage, ihre Lebenssituation einzuschätzen, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern, sich zu ihren eigenen Belangen eine eigene Meinung zu bilden, diese zu vermitteln, sowie ihr Lebensumfeld zu gestalten. Sie wollen und sollen deshalb über ihr Leben mitbestimmen. Ihr Alter und ihre individuellen Fähigkeiten bestimmen den Grad der Beteiligung und ihre Umsetzungsform, nicht aber die Frage ihrer Beteiligung an sich. Beteiligung bedeutet dabei nicht, die Verantwortung von Erwachsenen außer Kraft zu setzen. Es heißt vielmehr den Bedürfnissen und Interessen von Kindern und Jugendlichen mehr Raum zu verschaffen, sie ernst zu nehmen und bei jeder Entscheidung, die Kinder und Jugendliche betreffen, zu beachten. Verankert wird dies im Jugendhilfegesetz. Problematisch ist, dass darin keine genaue Aussage über die Form der Beteiligung getroffen wird. Wie sehr und wie gut das Wohl des Kindes bedacht wird, bleibt damit von Fall zu Fall unterschiedlich.
Gute Gesetze gut umsetzen
Insgesamt gilt: Die deutsche Gesetzeslage ist vorbildlich. Gesetzlicher Anspruch und reale Wirklichkeit klaffen dennoch teilweise weit auseinander. Kinder und Jugendliche machen nach wie vor viel zu oft die ohnmächtige Erfahrung, reine Objekte erwachsenen Handelns zu sein. Ob sie zum Spielball des Streites zwischen ihren Eltern werden, in ihrem Wohl gefährdet werden oder von staatlicher Seite ohne ihre Beteiligung – etwa in der Schule, in der Jugendhilfe oder vor Familiengerichten – über ihre Köpfe hinweg, ohne Berücksichtigung ihrer Wünsche und ihres Willens entschieden wird. Nur wenn wir als Erwachsene die von uns geschaffenen Gesetze selbst tatsächlich und immer wieder in die Realität umsetzen, können wir von tatsächlicher Beteiligung von Kindern und Jugendlichen sprechen und von ihnen ernst genommen werden.
Marianne Burkert-Eulitz, jugendpolitische Sprecherin der BVV-Fraktion
Infos zum Kinderbeteiligungsbüro des Bezirks hier: www.kjbb-friedrichshain-kreuzberg.de |