Kleine Anfrage der Abgeordneten Clara Herrmann (Bündnis 90/Die Grünen) vom 27. August 2009 (Eingang beim Abgeordnetenhaus am 31. August 2009) und Antwort
Am 23. Juni 2009 erhielt eine Berliner Studentin und freie Journalistin einen Strafbefehl des Amtsgerichts Tier-garten wegen Beleidigung eines Polizeibeamten, welcher diese am 14. Februar 2009 daran gehindert hatte an einer antifaschistischen Demonstration in Dresden teilzuneh-men. AZ.: (229Cs) 3032 Pls 6054/09 (186/09) Das Urteil ordnet eine negative Berichterstattung über die Verurteilte in dieser Angelegenheit in der Berliner Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ an. Wörtlich: „Es wird die einmalige öffentliche Bekanntmachung in der Tages-zeitung Tagesspiegel angeordnet, dass Maria H*** wegen Beleidigung des POM G*** zu einer Geldstrafe von 30 TS zu je 15,– Euro verurteilt worden ist.“
Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Kleine Anfrage wie folgt:
1. Ist dem Senat eine Rechtsgrundlage bekannt, wo-nach ein Gericht eine (negative) Berichterstattung über eine verurteilte Person anordnen kann?
Zu 1.: Das geltende Recht sieht in einer Vielzahl von Fällen vor, dass die erfolgte Verurteilung einer Person be-kannt gemacht werden kann (z.B. § 103 Absatz 2, §§ 165, 200 Strafgesetzbuch, § 111 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, § 12 Absatz 3 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, § 143 Absatz 6 Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen, § 14 Verordnung zur Ausführung des Geschmacksmusterge-setzes). Die angewendete Norm dürfte sich aus dem Straf-befehl ergeben.
2. Wie bewertet der Senat diesen Vorgang im Hin-blick auf die hohe Bedeutung einer unabhängigen Presse die im Grundgesetz als auch im Berliner Pressegesetz festgelegt ist?
Zu 2.: Gemäß Art. 5 Abs. 2 GG, § 1 Abs. 2 Berliner Pressegesetz findet die Pressefreiheit ihre Schranken in den allgemeinen Gesetzen. Dazu zählen die Vorschriften über die Bekanntmachung von Verurteilungen in Zeitun-gen und Zeitschriften. Der Senat weist in diesem Zu-sammenhang darauf hin, dass die Bekanntgabe der Ver-urteilung ausschließlich der Genugtuung und Rehabili-tierung des Verletzten dient und nicht den Sinn hat, die Täterin bloßzustellen. Sie stellt eine gesetzlich vor-gesehene Nebenfolge der Verurteilung dar, der kein Straf-charakter zukommt.
3. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2008 und 2009 eine Berichterstattung angeordnet?
Zu 3.: Statistische Daten zur Anzahl der Verurtei-lungsbekanntmachungen werden nicht erhoben.
4. Aufgrund welcher Tatsachen oder Vereinbarungen ist „Der Tagesspiegel“ als Medium der „Anordnung zur öffentlichen Bekanntmachung“ ausgewählt worden?
Zu 4.: Nach § 200 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB) hat das Gericht Art und Umfang der Bekanntgabe einer Ver-urteilung im Urteil oder Strafbefehl nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Die ausdrückliche Benennung einer bestimmten periodischen Druckschrift muss bereits aus Gründen der Vollstreckbarkeit nach § 463 c der Straf-prozessordnung erfolgen. Welche Druckschrift bestimmt wird, kann sich z. B. – worauf auch § 200 Abs. 2 Satz 2 StGB hinweist – danach bestimmen, in welchem Organ über die strafbare Handlung berichtet wurde.
Berlin, den 23. September 2009 Gisela von der Aue Senatorin für Justiz
(Eingang beim Abgeordnetenhaus am 30. Septemb. 2009)