Im einem Artikel der Berliner Morgenpost vom 04.07.07 fordert Heidi Kosche die Berliner Gesundheitssenatorin auf, den Schutz der NichtraucherInnen zu verbessern.
Aus der Berliner Morgenpost vom 4. Juli 2007
Von Sylke Heun und Tanja Kotlorz
Politiker: Nichtraucherschutz verschärfen
Experten nennen Daten des Senatsatlas dramatisch. Forderung nach intensiverer Krebsvorsorge
Die alarmierende Krebsstatistik der Senatsverwaltung für Gesundheit, wonach immer mehr Berliner an Krebs erkranken, hat die Parlamentarier aufgeschreckt. Gesundheitspolitiker aller Parteien fordern jetzt mehr Vorsorge und Aufklärung. Heidi Kosche, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen, reagierte gestern erschrocken auf die Daten des Krebsatlas, speziell auf die Zahl der Lungenkrebserkrankungen. „Da muss dringend etwas passieren“, sagte sie und forderte Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Die Linke) auf, den Gesetzentwurf zum Nichtraucherschutz noch strenger zu gestalten. Auf keinen Fall dürfe es eine Ausnahmegenehmigung für Vereinsgaststätten geben, wo sich viele Kinder und Jugendliche aufhielten. Außerdem regte sie spezielle Programme für ausstiegswillige Raucher an, beispielsweise für Menschen, die beim Aufhören mehrfach gescheitert sind.
SPD will Aufklärung und Prävention Handlungsbedarf sieht auch Stefanie Winde, gesundheitspolitische Sprecherin der SPD: „Es muss mehr Aufklärung zu Themen wie Essverhalten, Rauchen und Vorsorgeuntersuchungen geben.“ Da seien der öffentliche Gesundheitsdienst ebenso wie die ambulanten Ärzte gefordert. Das kostenlose Brustscreening für alle Frauen zwischen 50 und 69 Jahren sei ein erster, guter Schritt. Stefanie Winde: „Da werden die Frauen persönlich angeschrieben, das könnte man in anderen Bereichen auch machen.“ Außerdem hält sie die Angebote einiger Krankenkassen, einen gesünderen Lebenswandel zu belohnen, für ausbaufähig.
Der gesundheitspolitische Sprecher der Linken, Wolfgang Albers, sieht in dem ersten Krebsatlas der Hauptstadt vor allem eine wichtige Datengrundlage. „Dieser Atlas liefert viele Zahlen. Das Problem aber ist, dass nach wie vor niemand genau sagen kann, warum Krebs entsteht.“ Deshalb fordert Albers die konsequente Umsetzung von Umweltzone und Rauchverbot, auch wenn das vielen Menschen derzeit als „Bestrafung“ erscheine. „Dann können wir nämlich langfristig auf Grundlage der Atlasdaten gucken, ob das positive Auswirkungen hat.“ Wissenschaftlich erwiesen sei dagegen, so der ausgebildete Mediziner, dass eine sozial angespannte Situation eine Krebserkrankung fördere. Für Albers bedeutet das: „Wir brauchen in manchen Gebieten mehr Aufklärung mit entsprechenden Bildungsangeboten.“ Es dürfe nicht sein, dass wenig Geld automatisch eine schlechtere Lebensqualität und damit ein erhöhtes Krebsrisiko nach sich ziehe.
Mehr Kranke in armen Bezirken Noch einmal die wichtigsten Ergebnisse des Berliner Krebsatlas, der den Zeitraum 2002 bis 2004 auswertet, im Überblick: Die Neuerkrankungen haben zugenommen. 2004 gab es 14 568 Neuerkrankte, 2002 waren es 1040 Fälle weniger. Innerhalb von drei Jahren sind 50 000 Berliner an Krebs erkrankt – Tendenz steigend. Häufigste Krebsart bei Männern ist Lungenkrebs, bei Frauen Brustkrebs. Und: In armen Stadtquartieren gibt es häufiger Tumorkranke als in reichen.
Mario Czaja, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, bewertet das neue Krebsregister ähnlich wie Albers: „Nicht nur der Krebsatlas, auch alle anderen Gesundheitsberichte zeigen, dass ärmere Menschen auch eher krank sind.“ Prävention sei deshalb wichtig, Vorsorgeuntersuchungen müssten für alle kostenfrei oder zumindest bezahlbar sein. Die hohe Lungenkrebsrate (Männer 19,5 Prozent, Frauen 10,5 Prozent) wundert Mario Czaja nicht: „Berlin ist die Raucher-Hauptstadt.“ Umso wichtiger sei die konsequente Umsetzung des Nichtraucherschutzgesetzes zum 1. Januar 2008. Dass die Großstadt Berlin, speziell Mitte, ein krebsauslösendes Pflaster sei, hält er für Unsinn: „Die durchschnittliche Verweildauer eines Menschen in Mitte liegt nur bei 2,5 Jahren. Das reicht nicht.“
Auf Motivation statt Verbote setzt der gesundheitspolitische Sprecher der FDP, Kai Gersch: „Jetzt einen Frontalangriff auf alle möglichen krebsauslösenden Faktoren sollte man den Bürgern nicht zumuten.“ Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher bezeichnete den Krebsatlas als „wichtiges Handwerkszeug für die Politik“. Wichtig sei die Initiative des Senats, die Nichtraucher gesetzlich zu schützen. Zudem plane die Landesregierung, die Feinstaubbelastung in der Innenstadt durch Einführung der Umweltzone zu reduzieren. Weiteres Ziel: die Prävention in Schulen.