Ein Artikel zu den Planungen auf dem Friedrichshainer Anschutz-Areal von Werner Heck, erschienen im Stachel #52 (Frühling 2015)
Noch immer ist es ein wenig irritierend ihn dort kreisen zu sehen, den riesigen Mercedesstern hoch über der Spree, dort wo einst die Mauer Friedrichshain von Kreuzberg trennte und heute die East-Side-Gallery vor allem Touristen anzieht. Und es scheint, als würde das ehemalige Niemandsland jenseits des Todesstreifens auch in Zukunft ein Fremdkörper im Bezirk bleiben. Wirkt schon die Schüssel der Mercedes-Benz-Arena, wie die bislang unter dem Namen O2-Arena bekannte Veranstaltungshalle ab dem 1. Juli heißen wird, wie ein großes Ufo, das auch nach Jahren noch wie unvermittelt gelandet, aber nie so wirklich beheimatet anmutet, so gilt dies voraussichtlich mindestens ebenso sehr für das neue „Stadtquartier“, dass nun dort entstehen soll.
Baubeginn ist schon im nächsten Jahr. Und bis 2018 soll dann das Gelände rund um die Arena zu einem „Entertainment District“ ausgebaut werden. Geplant sind neben einer weiteren Veranstaltungshalle für bis zu 4.000 Besucher ein Kino mit 2.500 Plätzen, ein „Lifestyle“ Bowlingcenter mit 28 Bahnen, zahlreiche Cafés, Restaurants, Bars, zwei Hotels mit 380 Zimmern und noch mal 10.000qm weitere Büroflächen. Dazu soll noch der bislang weitgehend tote Platz vor der Arena, natürlich dann Mercedes-Platz heißend, zu einer Art überdimensioniertem Wasserspielplatz umgebaut werden: ein 1000 Quadratmeter großes Fontänenfeld, dessen Wassersäulen dann abends grün oder blau leuchten, zur Spree hin gerahmt durch zwei gigantische Bildschirmsäulen. Ein Berliner Klein-Las-Vegas an der Spree.
Wenn man das neue Einkaufscenter mit 25.000 Quadratmetern Verkaufsfläche an der Warschauer Brücke, die schon jetzt fertiggestellten oder im Bau befindlichen Hotels, Bürogebäude und Hochhäuser, die sich auf der Fläche von der Warschauer Brücke bis
zum Ostbahnhof ausbreiten sollen, hinzuzählt, so entsteht hier etwas, was mit den gewachsenen Strukturen Friedrichshains so gar nichts mehr zu
tun haben wird.
Und nicht nur die taz fragt sich, wo im „sonst so rebellischen Friedrichshain-Kreuzberg“ der Protest bleibt oder ob man auch hier resigniert, sich abgefunden habe mit dem Ausverkauf der Stadt, dem Entstehen von privaten Quartieren auf privatem Grund und Boden mit pseudoöffentlichen Räumen als Alibi.
Die Chancen der Politik, insbesondere des Bezirks, die Planungen in größerem Maße zu beeinflussen oder in dieser Form gar verhindern zu können stehen schlecht, da mit
einer Revolution, die Gemeinwohl grundsätzlich über Eigentumsrecht stellt, kaum zu rechnen ist. Das Gebiet gehört seit mehr als 15 Jahren der Anschutz Entertainment Group des Milliardärs Philip F. Anschutz. Im Januar 2001 entschied die damalige BVV des damals noch rotrot regierten Bezirks auf Antrag der SPD, sich dafür einzusetzen, die Voraussetzungen für die Errichtung der Arena am Ostbahnhof zu schaffen. 2001 wurde das Bebauungsplanverfahren beschlossen, in den Jahren 2003 bis 2004 dann der bis heutig gültige Bebauungsplan, dem dann im übrigen alle Fraktionen zugestimmt hatten, also auch Bündnis 90/Die Grünen. Die stadtplanerischen Fehler, die damals in der Euphorie der Wiedervereinigung gemacht wurden, lassen sich aufgrund des geschaffenen Baurechts heute nicht mehr rückgängig machen. Leider hat Berlin daraus nichts gelernt. Der Ausverkauf großer Flächen an private Investoren wird bis heute fortgesetzt.